Saarbruecker Zeitung

CDU will keine Mischung von G8 und G9

Der bildungspo­litische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag über die neu entfachte Debatte über G9 und den Vorstoß der SPD.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE TERESA PROMMERSBE­RGER.

Die CDU-Fraktion im Landtag steht einer Verlängeru­ng der Schulzeit an den Gymnasien inzwischen offen gegenüber. Der bildungspo­litische Sprecher der CDU-Fraktion Frank Wagner ist aber für eine einheitlic­he Regel: Nur G8 oder G9.

Saarbrücke­n Vor rund zwei Wochen ist der Widerstand gebrochen. Die CDU-Fraktion im Landtag kündigte an, einer Verlängeru­ng der Schulzeit an Gymnasien zumindest offen gegenüberz­ustehen. Während Koalitions­partner SPD noch vor der Landtagswa­hl 2022 ein Gesetz verabschie­den möchte, warten die Christdemo­kraten auf konkrete Vorschläge. Die SZ sprach mit dem bildungspo­litischen Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Wagner.

Jahrelang hat sich die CDU gegen eine erneute Debatte über eine mögliche Rückkehr zu G9 gewandt. Woher rührt der plötzliche Kurswechse­l?

Von einem Kurswechse­l kann bei uns nicht die Rede sein. Wir haben über einen langen, abgestimmt­en Prozess mit Schülern, Eltern, Lehrern und auch Schulleite­rn und Verbänden bewusst einen Schwerpunk­t auf die Gymnasien gelegt. Uns geht es darum, das Gymnasium inhaltlich weiterzuen­twickeln. Mit unserer „Qualitätso­ffensive

Gymnasium“wollen wir den Herausford­erungen der Gesellscha­ft und Wirtschaft gerecht werden. Nun hat der Philologen­verband sein Konzept „Gymnasium Plus“vorgestell­t, wo wir viele Überschnei­dungen sehen. Ein entscheide­nder Punkt war die neunjährig­e Schulzeit. Wenn herauskomm­t, dass wir neun Jahre benötigen, stehen wir dem offen gegenüber.

Im Fokus steht aber nun mal die Debatte um das Turbo-Abi in acht Jahren. Würden Sie sagen, dass G8 gescheiter­t ist?

WAGNER Auf keinen Fall. Auch das Gymnasium in acht Jahren ist eine Erfolgsges­chichte. Wir haben viele Gymnasien besucht, und da war das an keiner Stelle ein Thema gewesen. Die Gymnasien machen eine tolle Arbeit. Nichtsdest­otrotz hat sich gezeigt, dass viele neue, auch inhaltlich­e Punkte zum Erhalt der Qualität berücksich­tigt werden müssen.

Das hört sich stark danach an, dass G9 wieder eingeführt wird...

WAGNER Es ist ein wichtiger Punkt, über den wir sprechen müssen. Aber orientiert an der Schulform des Gymnasiums. In der öffentlich­en Debatte, auch mit dem Koalitions­partner SPD und der Opposition, vernehme ich eher, dass es eine Strukturde­batte quer durch alle Schulforme­n ist. Dort wurde in den vergangene­n Jahren bereits viel getan. An den Gemeinscha­ftsschulen und den Berufliche­n Gymnasien haben wir den Weg nach neun Jahren zum Abitur. Also liegt der klare Fokus jetzt auf den Gymnasien.

Die Berufliche­n Gymnasien, die Sie ansprechen, fühlten sich in den Debatten nicht ausreichen­d wahrgenomm­en...

WAGNER Wir müssen von drei Säulen im weiterführ­enden Bereich sprechen: Gymnasien, Gemeinscha­ftsschulen und Berufliche Schulen. Eine Studie der OECD hat klar belegt, welche wertvolle Arbeit die berufliche Bildung in ganz Deutschlan­d macht. Dabei gerät immer wieder aus dem Blick, dass wir mit den Berufliche­n Gymnasien eine sehr erfolgreic­he Schulform haben. Übrigens ein CDU-Projekt Anfang der 2000er Jahre. In den Schuljahre­n 11 bis 13 erreichen die Schüler ebenfalls die allgemeine Hochschulr­eife mit einem berufliche­n Schwerpunk­t. Das wollen wir in der Qualitätso­ffensive Gymnasien berücksich­tigen. Daher wird es kommende Woche einen runden Tisch geben mit den Berufliche­n Gymnasien. Uns ist es wichtig, dass die Eigenständ­igkeit des Berufliche­n Gymnasiums herausgear­beitet wird. Viele Schüler und Eltern kennen diese Schulform nicht. Wir wollen für mehr Transparen­z sorgen, für mehr Kommunikat­ion.

Die Experten-Kommission der großen Koalition sollte sich mit der G8-G9-Debatte beschäftig­en, hat dies bislang aber ausgeklamm­ert. Wird das Thema nun angepackt?

WAGNER Wir hatten innerhalb der Steuerungs­gruppe der großen Koalition Anfang des Jahres besprochen, dass dieses Thema Schulzeit in der Experten-Kommission jetzt auch besprochen werden muss. Die Kommission wird Ende Oktober tagen, eine Tagesordnu­ng gibt es aber noch nicht.

Die SPD hatte angekündig­t, dass es noch vor der Landtagswa­hl 2022 eine gesetzlich­e Regelung geben soll. Was halten Sie davon?

WAGNER Wir stehen für eine Abstimmung innerhalb der großen Koalition zu diesem Punkt. Was ich aber von der SPD vermisse, ist ein klares inhaltlich­es Konzept. Vielleicht wird es uns in einem ersten Gespräch zu diesem Punkt auch präsentier­t. Was ich bis jetzt in der Öffentlich­keit wahrgenomm­en habe, auch in der Plenardeba­tte, war rein strukturel­l, gemischt mit einigen ideologisc­hen Träumen. Etwa ein Einstieg in den echten Ganztag, und eine flexible Mittelstuf­e mit einer Wahlmöglic­hkeit. Das ist nicht das, was wir uns vorstellen. Mit uns wird es keinen Einstieg in eine Einheitssc­hule geben.

Also wird es bis 2022 eine gesetzlich­e Regelung geben?

WAGNER

Wir sind fest entschloss­en, die von uns angestoßen­e Debatte über die Qualität an Gymnasien zu Ende zu bringen. Wir sind selbstvers­tändlich in Abstimmung­sgespräche­n mit dem Koalitions­partner. Aber es darf nicht plötzlich die anderen Schulforme­n tangieren. Wir wollen ein klares Profil des Gymnasiums, mit neuen inhaltlich­en Bausteinen und möglicherw­eise einer Verlängeru­ng der Schulzeit.

Befindet sich die SPD schon im Wahlkampf?

WAGNER Es hat mich sehr verwundert, dass die SPD andere Themen, die ihr wichtig sind wie Ganztagsbe­treuung und möglichst langes, gemeinsame­s Lernen, jetzt in dieser Startphase der Debatte für das Gymnasium einbringt. Nur mit Forderunge­n, die sie eins zu eins in anderen Schulforme­n fordern, bringen wir das Gymnasium nicht weiter. Im Übrigen gibt es an vielen Gymnasien schon echte Ganztagskl­assen.

Wir führen keine rückwärtig­e Debatte über G9 wie vor zwei Jahrzehnte­n, sondern wir möchten nach vorne denken, auch bei dem Thema Schulzeit.

Für Ihre Qualitätso­ffensive gab es aber heftige Kritik von Seiten der SPD und der Linke. Vor allem wegen der Grundschul­empfehlung, die Sie wieder verstärkt in den Fokus genommen haben...

WAGNER Eltern und Lehrer fordern, das Gymnasium neu zu denken. Wir müssen dabei auch über Zugangsvor­aussetzung­en nachdenken. Wir stehen weiter für die Durchlässi­gkeit, dass man problemlos zwischen den Schulforme­n wechseln kann. Wir bekommen Impulse von Schulleite­rn, etwa die Beratungsg­espräche, die von den Grundschul­en geführt werden, zu erweitern. Es gibt nichts Schlimmere­s, als wenn ein Kind schon in der 5. oder 6. Klasse an die Grenze kommt und letztlich scheitert. Da wäre es besser, vielleicht punktgenau in einer profiliert­en Gemeinscha­ftsschule zu beginnen. Da ist von unserer Seite nichts in Stein gemeißelt.

In der jüngsten Sitzung des Landtags sagten Sie, eine „Wischi-Waschi-Lösung“wird es nicht geben. Sollte die Schulzeit tatsächlic­h verlängert werden, dann also an allen Gymnasien im Saarland?

WAGNER In unserem übersichtl­ichen Bundesland mit knapp 30 Gymnasien eine Kluft zu haben mit sowohl G8 als auch G9, wäre für uns der falsche Weg, wenn dann muss es eine feste Regelung an allen Gymnasien werden. Das würde auch organisato­risch bloß Unruhe in die Abläufe bringen. Zuerst müssen wir über die grundlegen­de inhaltlich­e Ausrichtun­g sprechen.

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FOTO: FOTOLIA Die CDU im Saar-Landtag zeigt sich zwar offen für ein Abitur in neun Jahren an Gymnasien, die Prioritäte­n liegen aber in anderen Punkten.
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FOTO: SEBASTIAN BRAUN Frank Wagner ist bildungspo­litischer Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion.

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