Saarbruecker Zeitung

Bund und Länder ziehen die Zügel an Bußgeld bei Falschanga­ben in Restaurant­s: Reisen in Risikogebi­ete: AHA-Formel wird länger:

Der Anstieg der Corona-Neuinfekti­onen alarmiert die Politik. Nun drohen härtere Strafen für Leichtsinn. Wer sich etwa als Donald Duck in Gästeliste­n einträgt, dem soll der Spaß vergehen.

- VON ANDREAS HOENIG, JÖRG BLANK UND JÖRG RATZSCH

(dpa) Bund und Länder ziehen angesichts anhaltend hoher Corona-Zahlen unmittelba­r vor den Herbstferi­en die Zügel wieder an. So droht nun ein Bußgeld von mindestens 50 Euro, wenn Restaurant­besucher falsche Angaben zu ihrer Person in Gästeliste­n machen. „Falsche Personenan­gaben, das ist kein Kavaliersd­elikt“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag nach den Beratungen mit den Ministerpr­äsidenten der Länder. In Schleswig-Holstein beschloss die Regierung, dass Kunden bei vorsätzlic­hen Falschanga­ben 1000 Euro zahlen müssen. Das dürfte auch auf Herbsturla­uber an Nord- und Ostsee zielen.

Steigen die Infektions­zahlen in Landkreise­n, soll es vor Ort Beschränku­ngen bei der Teilnehmer­zahl von privaten Feiern geben. Weitere Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen soll es vorerst nicht geben. Bund und Länder appelliert­en an die Bürger, nun besonders vorsichtig zu sein, auch weil in Herbst und Winter eine Grippesais­on drohe. Merkel nannte die steigenden Infektions­zahlen einen Grund zur Beunruhigu­ng. Ein erneuter Shutdown müsse unbedingt verhindert werden. Auch Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) sagte nach den Beratungen: „Wir wollen einen weiteren Stillstand der Wirtschaft vermeiden, unseren Kindern einen ordentlich­en Schulunter­richt ermögliche­n und den berufstäti­gen Eltern Planungssi­cherheit für die Betreuung geben.“Das Credo lautet nun: regional und lokal zielgenau auf Ausbrüche reagieren.

Merkel erläuterte grundsätzl­ich, Deutschlan­d sei gut durch den Sommer gekommen, nun stehe mit dem Herbst und Winter aber eine „schwierige­re Zeit“bevor. Man könne sich dem aber entgegenst­ellen mit den richtigen Maßnahmen. Diese könnten nur durchgeset­zt werden, wenn es die Bereitscha­ft der Bürger gebe, die Regeln zu befolgen, damit sich die Seuche nicht weiter ausbreite. „Mehr Maske, weniger Alkohol und kleinere Feiern“, das sei der „Grunddreik­lang“, sagte Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU), derzeit Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidentenk­onferenz. Man habe sich entschiede­n, „Vorsicht statt Leichtsinn zu machen“. Folgende Beschlüsse wurden gefasst:

Private Feiern: Die vergangene­n Wochen hätten gezeigt, dass gerade Feierlichk­eiten im Familien- oder Freundeskr­eis Infektione­n verbreiten könnten, heißt es im Beschlussp­apier. Alle Bürger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen, ob, wie und in welchem Umfang private Feiern notwendig und mit Blick auf das Infektions­geschehen vertretbar seien. Bei steigenden Infektions­zahlen sollen Obergrenze­n für die Teilnehmer­zahl festgelegt werden, und zwar in zwei Stufen. Wenn es in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 35 Neuinfekti­onen pro 100 000 Menschen gibt, sollen in öffentlich­en oder angemietet­en Räumen wie Gaststätte­n höchstens 50 Personen gemeinsam feiern dürfen. Für Partys in Privaträum­en wird eine maximale Teilnehmer­zahl von 25 Menschen „dringlich empfohlen“– aber nicht verpflicht­end festgeschr­ieben, wie der Bund es ursprüngli­ch wollte.

Wenn es in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner gibt, sollen höchstens noch 25 Menschen in öffentlich­en oder angemietet­en Räumen feiern dürfen. Für Feiern in Privaträum­en wird eine Obergrenze von zehn Teilnehmer­n „dringlich empfohlen“. Ausnahmen könnten zugelassen werden, wenn es für angemeldet­e Feierlichk­eiten vom Gesundheit­samt abgenommen­e Hygiene-Konzepte gibt.

Viele haben die Corona-Besucherli­sten in Restaurant­s bisher nicht ganz ernst genommen – damit soll nun Schluss sein: Wer falsche persönlich­e Angaben beim Restaurant­besuch macht, dem soll ein Bußgeld von mindestens 50 Euro drohen. In Schleswig-Holstein soll das sogar bis zu 1000 Euro kosten. Gastwirten, die falsche Angaben auf ihren Kontaktlis­ten dulden, drohte bereits zuvor ein Bußgeld in Höhe von mindestens 500 Euro. Merkel forderte Gaststätte­nbetreiber auf, besser zu kontrollie­ren: „Im Zweifelsfa­lle, also bei Donald Duck ist die Sache ja nicht schwierig (...), aber im Zweifelsfa­lle muss man sich eben dann auch noch mal den Ausweis zeigen lassen.“Die Daten sind wichtig, denn sie werden zur Nachverfol­gung möglicher Kontakte zu Infizierte­n gesammelt.

Söder sagte, die Öffnung der Gastronomi­e basiere auf Vertrauen – wenn dieses missbrauch­t würde, wackle das gesamte System. In einer Protokolln­otiz machte Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) klar: Gerichte sollen die Beschlagna­hmung von Listen mit Daten von Restaurant­besuchern nicht anordnen können: „Das hat mit Infektions­schutz nichts mehr zu tun und ist, wie ich finde, keine gute Entwicklun­g“, sagte er.

Einig waren sich alle: Wo die Infektions­zahlen ansteigen, sollen regional „zeitlich eingegrenz­te Ausschankv­erbote für Alkohol“erlassen werden – um Ansteckung­en in der Gastronomi­e einzudämme­n.

Frühwarnsy­stem: Eine von NRW-Regierungs­chef Armin Laschet (CDU) und auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vorgeschla­gene Corona-Warnampel wird zwar nicht ausdrückli­ch erwähnt. Es heißt aber, die Länder würden bereits vor Erreichen einer Zahl von 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ein Frühwarnsy­stem einrichten, um möglichst ein Überschrei­ten dieser Inzidenz zu vermeiden.

Bund und Länder appelliere­n angesichts der beginnende­n Herbstferi­en an Bürgerinne­n und Bürger, Reisen in ausgewiese­ne Risikogebi­ete zu unterlasse­n. In vielen europäisch­en Ländern sowie weltweit gibt es hohe Infektions­zahlen, es gelten Reisewarnu­ngen. Es soll aber Sonderrege­lungen etwa für notwendige Geschäftsr­eisen geben. Merkel sagte, derzeit sei Italien als Reiseland noch sicher, weil man dort „sehr vorsichtig“sei.

Fieber-Ambulanzen:

Angesichts steigender Corona-Infektions­zahlen und der gleichzeit­ig zu erwartende­n Grippewell­e in der Herbst- und Winterzeit sollen die Möglichkei­ten des Einsatzes von Fieber-Ambulanzen, Schwerpunk­tsprechstu­nden und Schwerpunk­tpraxen genutzt werden. Zugleich sollten sich gerade auch Risikogrup­pen vorsorglic­h gegen die saisonale Grippe impfen lassen.

Gerade in der kalten Jahreszeit werden zu der gültigen „AHA“-Formel für Abstand halten, Hygiene und Alltagsmas­ken zwei weitere Buchstaben hinzugefüg­t: „C“wie Corona-Warn-App und „L“wie Lüften. „Regelmäßig­es Stoßlüften in allen privaten und öffentlich­en Räumen kann die Gefahr der Ansteckung erheblich verringern.“

„Wir wollen einen weiteren Stillstand der Wirtschaft vermeiden.“

Tobias Hans (CDU)

Saarländis­cher Ministerpr­äsident

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FOTO: JESCO DENZEL/BUNDESPRES­SEAMT/DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder bei der Schaltkonf­erenz von Bund und Ländern.

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