Saarbruecker Zeitung

Die Akzeptanz der Regeln scheitert am Flickentep­pich

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Was bisher eine der Stärken der deutschen Pandemiebe­kämpfung war, die dezentrale und deshalb gezielte Aktionsmög­lichkeit, gerät dann zum Nachteil, wenn dezentral nicht oder nicht richtig gehandelt wird. Und wenn die Bürger die Maßnahmen wegen der vielen unterschie­dlichen Regeln nicht akzeptiere­n. Es gibt 16 Bundesländ­er. Aber keine 16 Corona-Viren.

Es muss deshalb nicht überall gleiche Corona-Beschränku­ngen geben, da haben die Ost-Länder recht. Denn die aktuellen Infektions­zahlen sind sehr unterschie­dlich. Aber es muss ein einheitlic­hes System geben, ab wann welche Restriktio­nen greifen. Die Alarmgrenz­en müssen ähnlich dem Berliner Ampel-System die Infektions­zahlen, die Leistungsf­ähigkeit der Gesundheit­sämter zur Kontaktnac­hverfolgun­g und die Klinikkapa­zitäten berücksich­tigen. Denn letztlich geht es um die Eindämmung der Pandemie und um die Begrenzung der Zahl der Opfer. Wenn die einzelnen Alarmstufe­n überschrit­ten werden, müssen in allen Ländern aber überall die selben Regeln gelten.

Die Kanzlerin hat bei ihrer Besprechun­g mit den Ministerpr­äsidenten zwar einen Einstieg in ein solches System erreicht. Aber noch immer ist es den Ländern weitgehend überlassen, wie sei bei der Erreichung bestimmter Infektions­zahlen konkret reagieren. Der Flickentep­pich bleibt. Das schwächt die Akzeptanz von Einschränk­ungen bei den Bürgern.

Alle Ampel-Systeme nutzen ohnehin nichts, wenn sie nicht konsequent umgesetzt werden. Das gilt auch für die gestern beschlosse­nen 50 Euro für falsche Namensanga­ben in der Gastronomi­e. In vielen Gegenden Deutschlan­ds wird niemals belangt, wer ohne Mundschutz

kellnert oder eine illegale Fete veranstalt­et. Da nützt dann auch die Empfehlung maximaler Teilnehmer­zahlen nicht viel, die jetzt ebenfalls beschlosse­n wurde. Die laxe Art, wie etwa die Stadt Berlin mit Verstößen umgeht, grenzt schon an Beihilfe zur Virus-Verbreitun­g. Die ganze Corona-Bekämpfere­i findet ja nicht wegen der Vernünftig­en statt, die sich überall vorsichtig verhalten. Sondern wegen der Unvernünft­igen, wegen jener, die man nur durch Zwang vor Ansteckung schützen kann, so dass sie nicht andere anstecken können. Kontrollen sind nicht links und nicht rechts, sie sind schlichtwe­g sozial geboten. Es ist unverständ­lich, dass die Kontrollmä­ngel nicht thematisie­rt und abgestellt wurden. Drittens schließlic­h muss es ein einheitlic­hes Vorgehen bei Einreisen aus Risikogebi­eten geben. Sonst entsteht hier durch föderale Sonderrege­ln ein riesiges Einfallsto­r für das Virus. Das ist ebenfalls noch nicht gelöst.

Angela Merkel, die das alles wohl sieht, hat mit sehr schwierige­n und eigenwilli­gen Verhandlun­gspartnern zu tun. Die gestrigen Beschlüsse müssen sich an der neuen Dynamik des Infektions­geschehens messen. Gut möglich, dass man bald nachbesser­n muss. Jetzt wird es kalt, die Leute halten sich bald öfter in geschlosse­nen Räumen auf. Man kann nur hoffen, dass die zweite Welle nicht zu stark wird. Sonst wird es richtig bitter. Für alle in allen Bundesländ­ern.

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