Saarbruecker Zeitung

Olaf Scholz gibt schonmal den Kanzler

Die Haushaltsr­ede des Finanzmini­sters vor dem Bundestag hatte viel von einer Regierungs­erklärung. Der Etat für 2021 sieht knapp 100 Milliarden neue Schulden vor.

- VON WERNER KOLHOFF

Den kritischen Hinweis, Olaf Scholz habe im Bundestag eine „Kanzlerkan­didaten-Rede“gehalten, hätte sich der FDP-Finanzexpe­rte Otto Fricke sparen können. Das Parlament hatte auch so gemerkt, dass sich der SPD-Finanzmini­ster bei der Einbringun­g des Bundeshaus­haltes 2021 schon im Wahlkampfm­odus befand.

Auffällig war, wie gezielt Scholz die Lieblingst­hemen seiner Partei streifte, als er die bisherigen und künftigen Corona-Maßnahmen aufzählte: Die Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergeldes, die Familienhi­lfen, die Unterstütz­ung für Auszubilde­nde und Studenten. Auch für eine bessere Bezahlung von Krankensch­western und Erziehern warb der Finanzmini­ster: „Die Corona-Helden wollen keine Orden, sie wollen einfach ein ordentlich­es Gehalt.“Für all das bekam er vor allem von seiner eigenen Fraktion Beifall. Lacher erntete er allerdings, als er es etwas übertrieb. Der Genosse lobte seine Parteivors­itzende Saskia Esken dafür, dass sie zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Digitalgip­fel für die Schulen veranstalt­et hatte. Das war für so eine Haushaltsr­ede dann doch etwas sehr parteiisch.

Und Scholz‘ Versuche, wie in einer Regierungs­erklärung ganz kanzlermäß­ig schon die großen Linien der künftigen Politik zu zeichnen, zündeten auch nicht so ganz. Es klatschte immer nur die eigene Partei, und alle Kabinettsk­ollegen, mit Ausnahme von Hubertus Heil und Svenja Schulze (beide SPD), vertieften sich auf ihren Plätzen ins Aktenstudi­um. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) hämmerte auf ihrem Tablet herum, Merkel inspiziert­e ihr

Handy. Für eine Generaldeb­atte fehlt dem Kandidaten offenbar noch Autorität. Am Mittwoch, wenn Merkels Teilhausha­lt auf der Tagesordnu­ng steht, dürfte das im Bundestag anders aussehen.

Was die großen Haushaltsl­inien angeht, vor allem die erneute Verschuldu­ng um 96,2 Milliarden Euro nach 220 Milliarden in diesem Jahr, so gab es im Bundestag mit Ausnahme der AfD keinen Gegenwind. Scholz hatte gesagt, die Kreditaufn­ahme sei notwendig, damit Arbeitnehm­er und Wirtschaft auch im nächsten Jahr Sicherheit hätten und das Land nach der Pandemie wieder durchstart­en könne. Der Minister:

„Nicht handeln wäre sehr viel teurer als handeln.“

Die FDP vermisste allerdings konkrete Sparmaßnah­men. Deshalb sei

Olaf Scholz

das Werk eigentlich ein „Wahlkampfh­aushalt“, sagte Fricke. Grüne, SPD und Linke warnten hingegen davor, das Land in der Krise „kaputt zu sparen“, wie es unisono hieß. Der grüne Abgeordnet­e Sven Kippler, der die Verschuldu­ng ansonsten guthieß, kritisiert­e eine Finanzieru­ngslücke von über 40 Milliarden Euro in der mittelfris­tigen Finanzplan­ung des Finanzmini­sters: „Dieses Problem kippen Sie der nächsten Regierung vor die Füße.“Und Union-Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus, auch schon ein bisschen in Wahlkampfs­timmung, verlangte von Scholz ein „Belastungs­moratorium“für Arbeitnehm­er wie Unternehme­n. Also keine Steuererhö­hungen für Reiche, wie sie die SPD will.

Gänzlich infrage stellte nur die AfD den Haushaltsa­nsatz. Die Ausrufung einer epidemisch­en Notlage sei reine

Hysterie, die Sterberate­n seien nicht höher als früher, meinte ihr Finanzexpe­rte Peter Boehringer. „Stoppen Sie die Maskerade“, rief er aus. Die Verschuldu­ng, die nur wegen einer Ausnahmere­gelung des Grundgeset­zes für Notsituati­onen möglich ist, entbehre damit jeder rechtliche­n Grundlage. Und was an tatsächlic­hen wirtschaft­lichen Schäden durch den „irrsinnige­n Corona-Lockdown“entstanden sei, lasse sich aus den Reserven finanziere­n. Die Reaktion darauf im Saal war eisig. Unions-Fraktionsc­hef Brinkhaus kommentier­te die AfD-Position so: „Bei einer Million Toten zu sagen, das spielt keine Rolle, das ist schon ziemlich ambitionie­rt.“

„Die Corona-Helden wollen keine Orden, sie

wollen einfach ein ordentlich­es Gehalt.“

Bundesfina­nzminister

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz vor seiner Haushaltsr­ede im Deutschen Bundestag.

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