Saarbruecker Zeitung

Prozess-Auftakt gegen Stadler & Co.

Im Dieselskan­dal stehen der frühere Audi-Chef und drei weitere Angeklagte ab diesem Mittwoch in München vor Gericht.

- VON ROLAND LOSCH

(dpa) Fünf Jahre nach Aufdeckung des VW-Dieselskan­dals beginnt der erste deutsche Strafproze­ss in dieser Sache. Der langjährig­e Audi-Chef Rupert Stadler muss sich von diesem Mittwoch an vor dem Landgerich­t München verantwort­en, zusammen mit dem früheren Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und zwei Ingenieure­n. Dass der Prozess im Gefängnis München-Stadelheim stattfinde­t, will die Justiz nicht als Omen für die Angeklagte­n verstanden wissen: Der Verhandlun­gssaal dort ist einfach der größte.

Und trotzdem reicht er nicht annähernd aus. 280 Journalist­en haben sich akkreditie­rt, gerade mal zehn Plätze gibt es coronabedi­ngt im Saal. Über zwei Jahre lang soll der Prozess dauern. Zum Auftakt wollen die Staatsanwä­lte die 90 Seiten lange Anklage verlesen.

„Betrug, mittelbare Falschbeur­kundung sowie strafbare Werbung“lautet ihr Vorwurf. Der Motorenent­wickler Giovanni P. ist laut Staatsanwa­ltschaft weitgehend, sein früherer Mitarbeite­r Henning L. uneingesch­ränkt geständig. Walter Lechner, der Verteidige­r von Giovanni P., kündigte ein Statement nach Verlesung der Anklage an. Er sei kein Entscheidu­ngsträger gewesen, sondern drei Ebenen unter dem Vorstand.

Audi-Ingenieure waren ab 2007 auf eine zweifelhaf­te Idee gekommen, um die Abgastests auszutrick­sen und dadurch die Grenzwerte einzuhalte­n. Eine Software drosselt den Stickoxid-Ausstoß, wenn das Auto auf dem Prüfstand steht. Auf der Straße aber überschrit­ten die Abgase den Grenzwert. So reichte ein kleinerer Tank für das AdBlue-Harnstoffg­emisch, das die Abgase reinigt, und die Autofahrer mussten das Zeug nicht selbst einfüllen, das konnte bei Wartungste­rminen miterledig­t werden. Zwei Forderunge­n, die die Vertriebsl­eute und die Chefs gestellt haben sollen.

Im Herbst 2015 flog der Skandal mit den Audi- und später auch VW-Motoren in den USA auf. Die Münchner Wirtschaft­sstrafkamm­er unter dem Vorsitzend­en Stefan Weickert

muss nun klären, wer was gemacht hat, veranlasst oder gewusst und ignoriert hat.

Stadler war ab 2007 Audi-Chef – bis 2018, als er kurz nach Einleitung der Ermittlung­en gegen ihn in einem abgehörten Telefonat über die Beurlaubun­g eines Mitarbeite­rs sprach, wegen Verdunkelu­ngsgefahr vier Monate lang in Untersuchu­ngshaft kam und Audi sich von ihm trennte. Aber eine Mitwissers­chaft oder gar Beteiligun­g an Diesel-Manipulati­onen bestreitet er. Eine Aussage Stadlers wird nicht zu Beginn, sondern im Laufe des Prozesses erwartet.

Die Anklage wirft Wolfgang Hatz, einst Chef der Audi-Motorenent­wicklung, und den beiden Ingenieure­n vor, große Dreiliter-Motoren mit der illegalen Abschaltfu­nktion entwickelt zu haben. Diese Motoren seien dann in rund 434 000 Fahrzeuge von Audi, Porsche und VW eingebaut und in Europa und den USA verkauft worden. Hatz, der monatelang in U-Haft saß, weist die Vorwürfe zurück. Die Vorwürfe gegen Stadler sind dagegen weniger schwer. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, er habe spätestens nach Aufdeckung des Skandals im September 2015 von den manipulier­ten Audi-Motoren gewusst, aber den Verkauf trotzdem weiterlauf­en lassen. Den 57-Jährigen erwartet indes ein Spießruten­lauf – als prominente­ster Angeklagte­r steht er im Fokus des öffentlich­en Interesses.

Theoretisc­h drohen den Angeklagte­n bei einer Verurteilu­ng bis zu zehn Jahre Gefängnis. In den USA wurden zwei VW-Mitarbeite­r zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt. In Braunschwe­ig hat das Landgerich­t die Anklage gegen den langjährig­en VW-Konzernche­f Martin Winterkorn zugelassen, der Stadlers Vorgänger bei Audi war.

Den VW-Konzern hat der Dieselskan­dal mit elf Millionen manipulier­ten Autos bisher 32 Milliarden Euro gekostet – von Schadeners­atz bis Nachrüstun­gen.

Den Angeklagte­n drohen bei Verurteilu­ng bis zu zehn Jahre

Gefängnis.

 ?? FOTO: MURAT/DPA ?? Rupert Stadler, bis 2018 Vorstandsc­hef von Audi, weist alle Vorwürfe zurück. Gegen ihn und seine Mitangekla­gten wird in der Haftanstal­t Stadelheim verhandelt, weil dort mehr Platz als vor dem Landgerich­t ist.
FOTO: MURAT/DPA Rupert Stadler, bis 2018 Vorstandsc­hef von Audi, weist alle Vorwürfe zurück. Gegen ihn und seine Mitangekla­gten wird in der Haftanstal­t Stadelheim verhandelt, weil dort mehr Platz als vor dem Landgerich­t ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany