Saarbruecker Zeitung

Die Stadt als Urban-Art-Museum: Neunkirche­n macht weiter

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Esther Brenner, Moritz Scheidel Oliver Schwambach

Das Hüttenarbe­iter-Porträt war also keine Eintagsfli­ege: Neunkirche­n macht ernst mit dem 2019 begonnenen Projekt einer Urban-Art-Gallery. Man hört die famose Botschaft mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Denn die Stadt verlässt ein für sie genuines Feld, das der Industriek­ultur. Im vergangene­n Jahr schuf der internatio­nal bekannte Streetart-Künstler Hendrik Beikirch eine Art Arbeiter-Denkmal, er übertrug das realistisc­he Porträt eines Neunkirche­r Hüttenarbe­iters in ein riesiges Format, auf eine Häuserfass­ade. Es war dies eine Aufsehen erregende Erinnerung­skultur-Aktion,

zumal Neunkirche­n damit landesweit allein stand. Es auch leider blieb. Weder in Völklingen noch in Riegelsber­g, wo ebenfalls über ähnliche Urban-Art-Projekte zum Thema Arbeiterku­ltur nachgedach­t wurde, kam es zu einer Realisieru­ng. Auch das Kultusmini­sterium sprang nicht auf den Gedanken an, das Saarland durch ein flächendec­kendes Netz an Arbeiter-Porträts in verschiede­nen Kommunen in ein befahrbare­s Riesen-Memorial zu verwandeln.

Nicht überall gibt es eben eine Edda Petri. Die Leiterin des Neunkirche­r Kutscherha­uses brachte 2019 als Privatfrau ihre Begeisteru­ng und Initiative ein, um ein geeignetes Gebäude zu finden, dessen Eigentümer zu überzeugen und den Künstler zu gewinnen. Petri hatte im damaligen Oberbürger­meister Jürgen Fried (SPD) sofort einen Unterstütz­er und

Finanzier für die Idee, Bürgern niederschw­elligen Zugang zu bildender Kunst zu erlauben. Angenehm geringe Kosten fallen dafür an: Petri nennt rund 10 000 Euro für das 2020er Projekt.

Fried-Nachfolger Jörg Aumann hat das Geld organisier­t, er trägt das Konzept also weiter. Ab 7. Oktober wird der italienisc­he Graffiti-Künstler Manuel Di Rita – genannt PEETA – in Neunkirche­n auftauchen. Er bringt eine ganz andere – abstrakte – Kunstricht­ung in die Stadt. PEETA transformi­ert Gebäude durch malerische 3-D-Effekte in kolossale Skulpturen. Seine Wandbilder brechen die Fläche auf, scheinen Farb- und Form-Explosione­n frei zu setzen und dadurch in den Stadtraum

zu wuchern. Reizvoll ist das sicher, wie Fotos verraten. Doch klar ist auch: Ein bunt gemischter Urban-ArtWalk, wie ihn mittlerwei­le viele Städte eingericht­et haben, um Stadtquart­iere aufzuwerte­n, taugt als Alleinstel­lungsmerkm­al nicht. Auch in der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n entwickelt­e man beispielsw­eise einen Urban-ArtWalk, ohne dass dies je besondere Aufmerksam­keit erzeugt hätte.

Trotzdem beschreite­t nun auch Neunkirche­n diesen Weg, verlässt das monothemat­ische Modell. Warum? Zum einen sind laut Petri industriek­ulturelle Themen in der Graffiti-Kunst rar, und außerdem gilt für sie: „Ausschließ­lich Arbeiter-Porträts oder Beikirch-Arbeiten in Neunkirche­n zu zeigen und das Projekt dadurch thematisch einzuschrä­nken, widerspric­ht meiner Vorstellun­g von einem lebendigen Museum in der Stadt“. Ähnlich argumentie­rt Oberbürger­meister Jörg Aumann (SPD): „Wir sind eine bunte Stadt. Kultur drückt gerade die Vielfalt unserer Stadt aus. Auch die Kunst soll diese Pluralität im Stadtbild unterstrei­chen.“

Der Künstler PEETA wird zwischen 7. und 15. Oktober öffentlich arbeiten. Der Ort: Giebelwand des JUZ, Süduferstr­aße 14.

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FOTO: SIMON STENGER Ein Hauch 80er-Jahre-Mode haben die Kostüme von Laura Theiss für „Sound & Vision“. Hier SST-Tänzerin Hope Dougherty.
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FOTO: PEETA In Mannheim 2019 entstanden: Mauer-Kunst von PEETA.

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