Saarbruecker Zeitung

Eine „brutale Saison“beginnt

Nach einer siebenmona­tigen Pause legt die Handball-Bundesliga an diesem Donnerstag wieder los. Titelfavor­it ist Kiel.

- VON NILS BASTEK

(dpa) Eine Sache ist so gut wie sicher: Auf dem Weg zur nächsten Handball-Meistersch­aft führt wohl kein Weg am THW Kiel vorbei. Die Verantwort­lichen der 20 Bundesligi­sten halten in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur fast alle den THW für den Titelfavor­iten. Das ist aber auch alles, was klar scheint. Denn ob die an diesem Donnerstag beginnende Spielzeit überhaupt zu Ende gebracht werden kann, weiß aktuell niemand. Wie viele der wirtschaft­lich ohnehin kriselnden Clubs einen erneuten Saisonabbr­uch überhaupt überleben würden, ist ebenfalls unklar. Er hätte jedenfalls drastische Folgen für den Handball-Sport in Deutschlan­d.

„Ein weiterer Lockdown wäre kaum noch zu verkraften“, sagt etwa Bob Hanning, der Geschäftsf­ührer der Füchse Berlin. Marc-Henrik Schmedt, der Manager des SC Magdeburg, rechnet damit, dass die Liga und damit auch die Vereine einen zweiten Abbruch „nicht überstehen“würden. Die Handball-Bundesliga (HBL) steht nicht nur aus diesem Grund vor der außergewöh­nlichsten und schwierigs­ten Spielzeit ihrer Geschichte. Es gibt etliche Fragezeich­en, die den Neustart am Donnerstag und die Monate danach begleiten. Es gibt aber auch Hoffnungss­chimmer, die den Clubs und ihren Verantwort­lichen zumindest etwas Mut machen.

Dass wieder vor ein paar Zuschauern gespielt werden kann, begrüßen die meisten Clubs. Die bis Ende Oktober geltende 20-Prozent-Regelung wird aber nur als erster Schritt angesehen. Für die Zukunft wünsche sich die gesamte Branche „natürlich mehr Zuschauer“, sagt HBL-Geschäftsf­ührer Frank Bohmann. Er hofft daher, „dass wir die Probephase bis Ende Oktober gut abschließe­n, dann die Zahl der Zuschauer an allen Bundesliga-Standorten erhöhen können“. Kiels Aufsichtsr­ats-Chef Marc Weinstock wird noch deutlicher: „20 Prozent Zuschauer helfen uns nicht wirklich weiter.“Der THW arbeitet bereits an Plänen, um deutlich mehr Fans in die Halle zu bekommen.

Die Rhein-Neckar Löwen dagegen werden ohne Zuschauer starten, weil bei ihnen die Zeit nicht ausreichte, um das Hygienekon­zept an die 20-Prozent-Regelung anzupassen. Nicht nur bei den Mannheimer­n wurde und wird gerechnet, wie sich mit den wenigen Zuschauern zumindest etwas Geld verdienen lässt. Manche Vereine dürften trotz einiger Hallenbesu­cher an den ersten Spieltagen sogar leichte Verluste

Bob Hanning

einfahren, weil etwa die Hallenmiet­e oder andere Kosten die vergleichs­weise geringen Zuschauere­innahmen übersteige­n. Darum hofft nicht nur Lemgos Manager Jörg Zereike, „dass so schnell wie möglich wieder vor unbegrenzt­en Kapazitäte­n gespielt werden kann“.

Es rechnet jedoch kaum einer der Clubbosse damit, dass das in dieser Saison noch gelingen wird. Man müsse sich nun langsam herantaste­n, meint Füchse-Manager Hanning. Angesichts der engen Spieltaktu­ng wird es jedenfalls genügend Möglichkei­ten geben, die entspreche­nden Konzepte mit einem Teil an Zuschauern zu testen. Durch die Aufstockun­g der Liga von 18 auf 20 Teams wird es noch mehr Partien als sonst geben, hinzu kommen der eng getaktete Länderspie­l-Kalender sowie für die Spitzenclu­bs die Spiele im Europapoka­l. Bundestrai­ner Alfred Gislason spricht deshalb von einer besonderen Saison durch die Wettkampfd­ichte: „Jetzt ist die Liga noch größer, das war leider nicht zu verhindern. Das wird eine sehr brutale Saison. Eigentlich spielt man ab jetzt sogar zwei Spielzeite­n durch.“

Obwohl sein Ex-Club THW Kiel zu den Vereinen zählt, die in dieser ungewöhnli­chen Spielzeit am meisten gefordert sein werden, gilt der Rekordcham­pion als großer Favorit auf den Titel. Nach der Verpflicht­ung des norwegisch­en Weltklasse­profis Sander Sagosen dürfte der

Titelverte­idiger sogar noch stärker sein als in der vergangene­n Saison. Trotzdem gibt sich zumindest die SG Flensburg-Handewitt kämpferisc­h. „Wir und auch andere Mannschaft­en möchten sicherlich ein

Mit Beginn der neuen Saison greifen auch die saarländis­chen Spieler ins Geschehen ein. Der Linksaußen Yves Kunkel (26) aus Völklingen gehört mit MT Melsungen zu den Außenseite­rn auf eine vordere Platzierun­g in der Bundesliga.

Der Saarlouise­r Daniel Fontaine (31) hat kürzlich nach einer anderthalb­jährigen Pause wegen eines Achillesse­hnenrisses seine Rückkehr gefeiert. Der linke Rückraumsp­ieler will sich mit dem Bergischen HC in gehöriges Wörtchen um die Meistersch­aft mitreden“, sagt Geschäftsf­ührer Dierk Schmäschke. Ob das gelingen wird, ist offen – wie so viele andere Dinge in dieser außergewöh­nlichen Saison. der Liga behaupten – und vor allem verletzung­sfrei bleiben.

Jerome Müller (23) startet mit einem neuen Verein in die Runde. Der rechte Rückraumsp­ieler ist von den Eulen Ludwigshaf­en zum TVB Stuttgart gewechselt. Weiter bei der

HSG Wetzlar spielt Müllers einstiger Teamkolleg­e bei der HG Saarlouis, Rechtsauße­n Lars Weissgerbe­r (23).

Seinem Bundesliga-Debüt fiebert der Niederwürz­bacher Björn Zintel (24), der vom Zweitligis­ten TV Hüttenberg zu HBW Balingen-Weilstette­n gewechselt ist, entgegen.

(sid) Wenn er all den Trubel um seine Person mal hinter sich lassen möchte, er wird ja längst als der beste Handballer der Welt gefeiert, dann schnappt sich Sander Sagosen seine Angel und fährt raus aufs Wasser. „Ich liebe es wirklich, im Sommer mit Freunden oder der Familie zu fischen“, verrät der neue Ausnahmesp­ieler des THW Kiel.

Stress ist ein Fremdwort für den Norweger, der schon vor dem Saisonstar­t an diesem Donnerstag zweifelsfr­ei die neue Attraktion der Handball-Bundesliga ist. Bereits die ersten Auftritte der neuen Kieler Nummer 5 zeigten: Sagosen bereichert den THW. Er legt das Spieltempo fest, er bestimmt, wenn jemand aufs Tor wirft – und häufig ist er das selbst. „Es ist extrem schön für die Bundesliga, dass ein Spieler der Kategorie Sander Sagosen den Schritt nach Deutschlan­d gemacht hat“, sagt Bundestrai­ner Alfred Gislason.

Schon am 22. März 2019 hatte der Rekordmeis­ter seinen Transferco­up vermeldet. Über drei Jahre spielte sich der 25-Jährige bei Paris St. Germain in den Fokus. Und „Saggy“ist besessen davon, noch besser zu werden. In der französisc­hen Hauptstadt wohnte er direkt neben der Halle, um die Anfahrt zu verkürzen und mehr zu trainieren.

In Kiel nun scheint Sagosen trotz des durch die Corona-Pandemie holprigen Starts bereits angekommen. „Er hat keine Star-Allüren. Man kann sehr viel Spaß mit ihm haben“, sagt Nationalsp­ieler Patrick Wiencek. Gemeinsam mit Domagoj Duvnjak könnte Sagosen Teil eines neuen Traumduos im Rückraum werden. Überhaupt dient Duvnjak als Vorbild für den Skandinavi­er. Der träumt seit seinem achten Lebensjahr davon, einmal Welthandba­ller zu werden. Bei den Zebras hat er nun nicht nur Duvnjak an seiner Seite, sondern auch Trainer Filip Jicha und Torhüter Niklas Landin – also den aktuellen und zwei frühere Welthandba­ller. „Priorität haben die Titel, dann kommen die individuel­len Preise“, versichert Sagosen.

„Ein weiterer Lockdown wäre kaum noch zu verkraften.“

Geschäftsf­ührer der Füchse Berlin

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FOTO: MOLTER/DPA Der THW K iel um K apitän Domagoj Duvnjak (Mitte) geht als Titelfavor­it in die neue Bundesliga-Saison.
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FOTO: MOLTER/DPA Sander Sagosen vom THW K iel ist der Top-Neuzugang in der Handball-Bundesliga.

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