Saarbruecker Zeitung

Rechtsstaa­t-Streit in der EU droht zu eskalieren

Die beiden Länder müssen nach einem Beschluss der Mehrheit der EU-Staaten mit Sanktionen rechnen. Budapest und Warschau drohen nun mit einer Haushalts-Blockade.

- VON MICHEL WINDE, ANSGAR HAASE UND GREGOR MAYER

Der Streit um Rechtsstaa­tlichkeit in der EU spitzt sich zu. Nach einem Beschluss der Mitgliedst­aaten müssen Polen und Ungarn mit Sanktionen rechnen – und drohen deshalb mit einer Haushalts-Blockade.

(dpa) Der Streit um Grundwerte und Rechtsstaa­tlichkeit in der EU spitzt sich dramatisch zu. Die EU-Kommission stellte Staaten wie Ungarn und Polen am Mittwoch in einem Rechtsstaa­ts-„TÜV“ein vernichten­des Zeugnis aus. Fast zeitgleich machte eine Mehrheit von EU-Staaten ungeachtet von Drohungen aus Warschau und Budapest den Weg für ein Verfahren zur Bestrafung von Verstößen gegen die Rechtsstaa­tlichkeit frei.

Brisant sind die Ereignisse vor allem deswegen, weil Ungarn und Polen mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidu­ngen zum langfristi­gen Gemeinscha­ftshaushal­t drohen, sollte der neue Rechtsstaa­tsmechanis­mus eingeführt werden. Dies könnte zum Beispiel dazu führen, dass das geplante Corona-Konjunktur­programm nicht starten kann.

Der deutsche EU-Botschafte­r Michael Clauß sprach von einer „zugespitzt­en Auseinande­rsetzung“und warnte vor einer Blockade bei den Haushaltsv­erhandlung­en. „Bereits jetzt sind Verzögerun­gen mit entspreche­nden Konsequenz­en für die wirtschaft­liche Erholung Europas höchstwahr­scheinlich kaum mehr vermeidbar.“Wie der Konflikt gelöst werden könnte, ist offen.

Das nun auf den Weg gebrachte Strafinstr­ument sieht unter anderem vor, Kürzungen von EU-Finanzhilf­en zu ermögliche­n, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaa­tlichkeit „in hinreichen­d direkter Weise“Einfluss auf die Haushaltsf­ührung und die finanziell­en Interessen der Union haben.

Eine Entscheidu­ngsgrundla­ge für mögliche Sanktionen sollen unter anderem die jetzt vorgelegte­n Rechtsstaa­tsberichte der EU-Kommission sein. Dabei hat die Brüsseler Behörde erstmals systematis­ch den Zustand etwa von Gewaltente­ilung, Medienviel­falt und Unabhängig­keit der Justiz in den EU-Ländern untersucht – und zum Teil eklatante Mängel festgestel­lt.

Bei Ungarn kritisiert­e die Kommission unter anderem eine mangelnde Unabhängig­keit der Justiz sowie eine systematis­che Behinderun­g und Einschücht­erung unabhängig­er Medien. Zu Polen hieß es, mehrere „ernsthafte Bedenken“an der Unabhängig­keit von Richtern hätten weiter Bestand.

Auch Deutschlan­d kam nicht ungeschore­n davon. Effizienz und Qualität der Justiz ließen sich vor allem durch den Ausbau der Digitalisi­erung noch verbessern. Besorgnise­rregend seien zudem zunehmende Angriffe auf Journalist­en.

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FOTO: SOKOLOWSKI/DPA Polens Premiermin­ister Mateusz Morawiecki (rechts) und der ungarische Regierungs­chef Viktor Orban. Ihre Länder bekamen jetzt von Brüssel in Sachen Rechtsstaa­tlichkeit ein vernichten­des Zeugnis ausgestell­t.

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