Rechtsstaat-Streit in der EU droht zu eskalieren
Die beiden Länder müssen nach einem Beschluss der Mehrheit der EU-Staaten mit Sanktionen rechnen. Budapest und Warschau drohen nun mit einer Haushalts-Blockade.
Der Streit um Rechtsstaatlichkeit in der EU spitzt sich zu. Nach einem Beschluss der Mitgliedstaaten müssen Polen und Ungarn mit Sanktionen rechnen – und drohen deshalb mit einer Haushalts-Blockade.
(dpa) Der Streit um Grundwerte und Rechtsstaatlichkeit in der EU spitzt sich dramatisch zu. Die EU-Kommission stellte Staaten wie Ungarn und Polen am Mittwoch in einem Rechtsstaats-„TÜV“ein vernichtendes Zeugnis aus. Fast zeitgleich machte eine Mehrheit von EU-Staaten ungeachtet von Drohungen aus Warschau und Budapest den Weg für ein Verfahren zur Bestrafung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit frei.
Brisant sind die Ereignisse vor allem deswegen, weil Ungarn und Polen mit einer Blockade von wichtigen EU-Entscheidungen zum langfristigen Gemeinschaftshaushalt drohen, sollte der neue Rechtsstaatsmechanismus eingeführt werden. Dies könnte zum Beispiel dazu führen, dass das geplante Corona-Konjunkturprogramm nicht starten kann.
Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß sprach von einer „zugespitzten Auseinandersetzung“und warnte vor einer Blockade bei den Haushaltsverhandlungen. „Bereits jetzt sind Verzögerungen mit entsprechenden Konsequenzen für die wirtschaftliche Erholung Europas höchstwahrscheinlich kaum mehr vermeidbar.“Wie der Konflikt gelöst werden könnte, ist offen.
Das nun auf den Weg gebrachte Strafinstrument sieht unter anderem vor, Kürzungen von EU-Finanzhilfen zu ermöglichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit „in hinreichend direkter Weise“Einfluss auf die Haushaltsführung und die finanziellen Interessen der Union haben.
Eine Entscheidungsgrundlage für mögliche Sanktionen sollen unter anderem die jetzt vorgelegten Rechtsstaatsberichte der EU-Kommission sein. Dabei hat die Brüsseler Behörde erstmals systematisch den Zustand etwa von Gewaltenteilung, Medienvielfalt und Unabhängigkeit der Justiz in den EU-Ländern untersucht – und zum Teil eklatante Mängel festgestellt.
Bei Ungarn kritisierte die Kommission unter anderem eine mangelnde Unabhängigkeit der Justiz sowie eine systematische Behinderung und Einschüchterung unabhängiger Medien. Zu Polen hieß es, mehrere „ernsthafte Bedenken“an der Unabhängigkeit von Richtern hätten weiter Bestand.
Auch Deutschland kam nicht ungeschoren davon. Effizienz und Qualität der Justiz ließen sich vor allem durch den Ausbau der Digitalisierung noch verbessern. Besorgniserregend seien zudem zunehmende Angriffe auf Journalisten.