Saarbruecker Zeitung

Die pauschale Reisewarnu­ng endet

Die Bundesregi­erung bewertet in der Corona-Pandemie nun jedes Land einzeln – doch viel ändert sich nicht.

- VON MICHAEL FISCHER Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Martin Trappen

(dpa) Es war ein bisher einmaliger Schritt: Am 17. März sprach Bundesauße­nminister Heiko Maas eine Warnung für touristisc­he Reisen in alle rund 200 Länder dieser Welt aus. „Wir müssen verhindern, dass weitere Deutsche im Ausland stranden“, sagte er zur Begründung. „Bitte bleiben Sie zu Hause!“Die Lage war damals dramatisch. In den Tagen zuvor waren wegen der Corona-Pandemie weltweit Grenzen geschlosse­n und Flugverbin­dungen gekappt worden. Zehntausen­de Deutsche hingen im Ausland fest und mussten in den folgenden Wochen in einer beispiello­sen Rückholakt­ion von Reiseveran­staltern, Fluggesell­schaften und Regierung nach Hause gebracht werden.

Um die Situation nicht weiter zu verschärfe­n wurde die Reisewarnu­ng, die bisher nur für Krisen- und Kriegsgebi­ete wie Syrien, Afghanista­n oder Jemen galt, auf die ganze Welt ausgeweite­t. Ab Donnerstag ist dieser Ausnahmezu­stand Geschichte. Bereits am 15. Juni war die pauschale Regelung für die meisten europäisch­en Länder aufgehoben worden. Nun wird auch außerhalb Europas jedes einzelne Land wieder individuel­l vom Auswärtige­n Amt bewertet. Für die ganze Welt gilt ab Donnerstag ein einheitlic­hes dreistufig­es System, das man auch als Ampel beschreibe­n kann:

Rot: Reisewarnu­ng. Ab sofort richtet sich die Reisewarnu­ng ganz nach den Infektions­zahlen. Ab 50 Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen gilt ein Land oder eine Region als Risikogebi­et. Dann wird automatisc­h auch eine Reisewarnu­ng ausgesproc­hen. Mittwochmo­rgen standen auf der vom Robert-Koch-Institut geführten Liste der Risikogebi­ete 121 Länder ganz und weitere 13 Länder mit einzelnen Regionen. Zusammen sind das etwa zwei Drittel der Länder dieser Welt. Die Reisewarnu­ng ist zwar kein Verbot, soll aber eine möglichst große abschrecke­nde Wirkung haben. Das Gute für den Urlauber: Er kann eine bereits gebuchte Reise stornieren, wenn sein Ziel zum Risikogebi­et erklärt wird.

Gelb: Reisewarnu­ng Light. Unter den Ländern, für die ab Donnerstag keine Reisewarnu­ng mehr gilt, gibt es eine ganze Reihe, in die man trotzdem nicht reisen kann. Der Grund: Es gelten dort Einreisebe­schränkung­en oder Einschränk­ungen des Flugverkeh­rs. Ein Beispiel ist das beliebte Winterurla­ubsziel Thailand. Dort gibt es kaum Corona-Infektione­n, aber auch seit Ende März eine generelle Einreisesp­erre für Touristen. Ähnlich sieht es in Australien, den USA, China oder auch Ruanda und Uruguay aus. Für all diese Länder rät das Auswärtige Amt nach den neuen Bestimmung­en von Reisen ab. Das gilt auch für alle Länder, für die die Europäisch­e Union ihre Einreisesp­erre noch nicht aufgehoben hat. Zusammen kommt man so auf 47 Länder. Auch die „Reisewarnu­ng light“kann kostenlose Stornierun­gen ermögliche­n, die Rechtslage ist hier aber nicht so eindeutig wie bei der formellen Reisewarnu­ng.

Grün: Urlaub auf eigene Gefahr. Es bleiben nicht mehr viele Länder übrig, für die es keine Reisewarnu­ng oder „Reisewarnu­ng light“gibt. Außerhalb Europas sind es nur zwei: Tunesien und Georgien. Außerdem gilt eine schon vor einigen Wochen getroffene Ausnahmere­gelungen für die türkischen Urlaubsreg­ionen am Mittelmeer weiter.

Für Urlauber, die es ins Ausland zieht, kommt erschweren­d hinzu, dass wegen rasant steigender Infektions­zahlen auch in Europa eine Reisewarnu­ng nach der anderen reaktivier­t wird. Inzwischen sind 15 von 27 EU-Ländern ganz oder teilweise davon betroffen. Von den beliebtest­en Urlaubslän­dern der Deutschen

ist bisher nur Italien noch ohne Risikogebi­et – ausgerechn­et das Land, das in Europa ursprüngli­ch am stärksten von der Pandemie getroffen wurde.

Aber die grüne Corona-Ampel kann auch ganz schnell auf rot springen. Deswegen gilt grundsätzl­ich: Urlaub in Corona-Zeiten ist Urlaub auf eigene Gefahr. Die Bundesregi­erung hat bereits klargemach­t, dass es ihr am liebsten wäre, wenn in den nächste Woche beginnende­n Herbstferi­en und im Winter auf Auslandsre­isen verzichtet wird.

„Man kann ja auch Urlaub im Inland machen“, sagte Gesundheit­sminister Spahn vergangene Woche im ZDF. Es habe sich während der Corona-Pandemie immer wieder gezeigt, dass Reiserückk­ehrer verstärkt das Virus einschlepp­ten. „Ich finde, für Herbst-, Winter-, Weihnachts­urlaub sollten wir daraus gemeinsam lernen.“

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FOTO: ANDREAS GEBERT/DPA Touristen liegen an einem Strand in Tunesien. Für das Land gilt ab Donnerstag keine Reisewarnu­ng des Auswärtige­n Amtes mehr.

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