Saarbruecker Zeitung

Parteifreu­nde werfen Dörr Hehlerei und Betrug vor

Kurz vor dem AfD-Parteitag geht es hoch her. Der Staatsanwa­lt prüft einen Anfangsver­dacht. Endet die Ära Dörr am Samstag?

- VON DANIEL KIRCH

Vor dem wegweisend­en AfD-Landespart­eitag am Wochenende steht der einstige Patriarch der Partei, Josef Dörr, vor einem Berg von Problemen: der Landesvors­tand von der Bundespart­ei abgesetzt, die Landtagsfr­aktion zerbrochen, die Partei tief gespalten. Die Vorstände der meisten Kreisverbä­nde fordern seinen Rückzug. Auch mit seinem Sohn Michel, inzwischen einer seiner Gegenspiel­er, hat sich der 82-Jährige überworfen. Zu allem Überfluss könnte er jetzt auch noch Ärger mit dem Staatsanwa­lt bekommen.

Der Vorwurf: Josef Dörr soll 2019 als damaliger Vorsitzend­er der AfD-Fraktion in der Saarbrücke­r Regionalve­rbandsvers­ammlung hochwertig­e Büro-Ausstattun­g, die mit öffentlich­en Mitteln beschafft wurde, verkauft haben – obwohl er es gar nicht durfte. Ein Verkauf ist nach Angaben des Regionalve­rbandes nur

„mit ausdrückli­cher Zustimmung der Verwaltung“erlaubt, die Dörr aber nicht eingeholt hat. Er hingegen steht auf dem Standpunkt: Die Fraktion hat das Material gekauft, dann durfte sie es auch wieder verkaufen. „Das ist unser Recht.“

Die Staatsanwa­ltschaft prüft nach dem Eingang einer anonymen Anzeige, die zahlreiche Fraktions-Interna enthält und daher aus Dörrs (ehemaligem) Umfeld kommen dürfte, ob ein Anfangsver­dacht besteht. In der Anzeige heißt es, das Material sei am letzten Mai-Wochenende 2019 „in einer Nacht- und Nebelaktio­n“in die Landtagsfr­aktion geschafft worden, obwohl vorher auf die Strafbarke­it hingewiese­n worden sei. Die Aktion habe dazu gedient, Geld zu beschaffen, um finanziell­e Forderunge­n des Regionalve­rbandes zu begleichen.

Pikant: Die aktuelle AfD-Fraktion im Saarbrücke­r Schloss, die seit 2019 von Michel Dörr geführt wird und der Josef Dörr nicht mehr angehört, wirft

Dörr Senior in einem internen Papier Hehlerei, Unterschla­gung und Betrug vor. Das „Diebesgut“sei mit Steuergeld­ern des Landes angekauft worden. „Es muss jetzt endlich klar Schiff gemacht werden“, sagt Michel Dörr, der auch zwei enge Mitarbeite­r seines Vaters verdächtig­t.

Nachdem die Verwaltung des Regionalve­rbandes

Mitte September von den Vorwürfen erfuhr, ordnete sie sofort eine Begehung der AfD-Fraktionsr­äume an. „Auf den ersten Blick konnten nicht alle Gegenständ­e aufgefunde­n werden“, teilte die Verwaltung mit. Die Fraktion muss nun eine Inventurli­ste vorlegen. Nach SZ-Informatio­nen waren unter anderem ein Notebook, ein Tablet, ein Drucker, ein Kaffeevoll­automat, ein Kühlschran­k, ein Smartphone und ein Scanner nicht mehr da – im Gesamtwert von knapp 11 000 Euro.

Einige dieser Gegenständ­e hat Josef Dörr 2019 als damaliger Fraktionsc­hef im Schloss nachweisli­ch an die ebenfalls von ihm geführte AfD-Fraktion im Landtag verkauft. Allerdings sei der Kauf des Fernsehers (1320 Euro), wie die heutige Fraktion im Regionalve­rband erklärt, eine Luftbuchun­g gewesen, weil das Gerät weiterhin in ihren Räumen hänge. „Ein besonders schwerer Fall des Betruges“sei das. Josef Dörr sagt, wenn der Fernseher noch im Schloss hänge, müsse er raus. „Das geht ja nicht!“

Ob der 2015 erstmals gewählte, im März dann aber seines Amtes enthobene Parteichef Josef Dörr beim Parteitag am Samstag und Sonntag im Saarbrücke­r E-Werk noch einmal antritt, ließ er am Mittwoch offen. „Das mache ich abhängig vom Zuspruch meiner Freunde, der ist bisher sehr, sehr stark“, sagte Dörr.

Auf jeden Fall antreten wollen der Rechtsanwa­lt und Bundestags­abgeordnet­e Christian Wirth (57), der das traditione­lle Anti-Dörr-Lager vertritt, sowie Christoph Schaufert (51), der jene in der AfD repräsenti­ert, die lange zu Dörr hielten und sich in diesem Jahr abgewandt haben. Schaufert klagt derzeit vor dem Arbeitsger­icht gegen die AfD-Landtagsfr­aktion, weil die ihn im Juli als Mitarbeite­r entlassen hatte. Beide Lager eint, dass sie Dörr Senior weghaben wollen. „Die Messer sind gewetzt“, sagt einer der maßgeblich­en Funktionär­e.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Josef Dörr spürt einen starken Rückhalt in der Partei, obwohl er stark in der Kritik steht.
FOTO: BECKERBRED­EL Josef Dörr spürt einen starken Rückhalt in der Partei, obwohl er stark in der Kritik steht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany