Parteifreunde werfen Dörr Hehlerei und Betrug vor
Kurz vor dem AfD-Parteitag geht es hoch her. Der Staatsanwalt prüft einen Anfangsverdacht. Endet die Ära Dörr am Samstag?
Vor dem wegweisenden AfD-Landesparteitag am Wochenende steht der einstige Patriarch der Partei, Josef Dörr, vor einem Berg von Problemen: der Landesvorstand von der Bundespartei abgesetzt, die Landtagsfraktion zerbrochen, die Partei tief gespalten. Die Vorstände der meisten Kreisverbände fordern seinen Rückzug. Auch mit seinem Sohn Michel, inzwischen einer seiner Gegenspieler, hat sich der 82-Jährige überworfen. Zu allem Überfluss könnte er jetzt auch noch Ärger mit dem Staatsanwalt bekommen.
Der Vorwurf: Josef Dörr soll 2019 als damaliger Vorsitzender der AfD-Fraktion in der Saarbrücker Regionalverbandsversammlung hochwertige Büro-Ausstattung, die mit öffentlichen Mitteln beschafft wurde, verkauft haben – obwohl er es gar nicht durfte. Ein Verkauf ist nach Angaben des Regionalverbandes nur
„mit ausdrücklicher Zustimmung der Verwaltung“erlaubt, die Dörr aber nicht eingeholt hat. Er hingegen steht auf dem Standpunkt: Die Fraktion hat das Material gekauft, dann durfte sie es auch wieder verkaufen. „Das ist unser Recht.“
Die Staatsanwaltschaft prüft nach dem Eingang einer anonymen Anzeige, die zahlreiche Fraktions-Interna enthält und daher aus Dörrs (ehemaligem) Umfeld kommen dürfte, ob ein Anfangsverdacht besteht. In der Anzeige heißt es, das Material sei am letzten Mai-Wochenende 2019 „in einer Nacht- und Nebelaktion“in die Landtagsfraktion geschafft worden, obwohl vorher auf die Strafbarkeit hingewiesen worden sei. Die Aktion habe dazu gedient, Geld zu beschaffen, um finanzielle Forderungen des Regionalverbandes zu begleichen.
Pikant: Die aktuelle AfD-Fraktion im Saarbrücker Schloss, die seit 2019 von Michel Dörr geführt wird und der Josef Dörr nicht mehr angehört, wirft
Dörr Senior in einem internen Papier Hehlerei, Unterschlagung und Betrug vor. Das „Diebesgut“sei mit Steuergeldern des Landes angekauft worden. „Es muss jetzt endlich klar Schiff gemacht werden“, sagt Michel Dörr, der auch zwei enge Mitarbeiter seines Vaters verdächtigt.
Nachdem die Verwaltung des Regionalverbandes
Mitte September von den Vorwürfen erfuhr, ordnete sie sofort eine Begehung der AfD-Fraktionsräume an. „Auf den ersten Blick konnten nicht alle Gegenstände aufgefunden werden“, teilte die Verwaltung mit. Die Fraktion muss nun eine Inventurliste vorlegen. Nach SZ-Informationen waren unter anderem ein Notebook, ein Tablet, ein Drucker, ein Kaffeevollautomat, ein Kühlschrank, ein Smartphone und ein Scanner nicht mehr da – im Gesamtwert von knapp 11 000 Euro.
Einige dieser Gegenstände hat Josef Dörr 2019 als damaliger Fraktionschef im Schloss nachweislich an die ebenfalls von ihm geführte AfD-Fraktion im Landtag verkauft. Allerdings sei der Kauf des Fernsehers (1320 Euro), wie die heutige Fraktion im Regionalverband erklärt, eine Luftbuchung gewesen, weil das Gerät weiterhin in ihren Räumen hänge. „Ein besonders schwerer Fall des Betruges“sei das. Josef Dörr sagt, wenn der Fernseher noch im Schloss hänge, müsse er raus. „Das geht ja nicht!“
Ob der 2015 erstmals gewählte, im März dann aber seines Amtes enthobene Parteichef Josef Dörr beim Parteitag am Samstag und Sonntag im Saarbrücker E-Werk noch einmal antritt, ließ er am Mittwoch offen. „Das mache ich abhängig vom Zuspruch meiner Freunde, der ist bisher sehr, sehr stark“, sagte Dörr.
Auf jeden Fall antreten wollen der Rechtsanwalt und Bundestagsabgeordnete Christian Wirth (57), der das traditionelle Anti-Dörr-Lager vertritt, sowie Christoph Schaufert (51), der jene in der AfD repräsentiert, die lange zu Dörr hielten und sich in diesem Jahr abgewandt haben. Schaufert klagt derzeit vor dem Arbeitsgericht gegen die AfD-Landtagsfraktion, weil die ihn im Juli als Mitarbeiter entlassen hatte. Beide Lager eint, dass sie Dörr Senior weghaben wollen. „Die Messer sind gewetzt“, sagt einer der maßgeblichen Funktionäre.