Saarbruecker Zeitung

13 starke Frauen tauchen wieder auf

Die Ausstellun­g „Partikel“im Saarbrücke­r KuBa zeigt regionale Kunst der 50er und 60er Jahre – ausschließ­lich von Frauen. Blick in einen kaum je gehobenen Schatz.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Sophia Schülke, Moritz Scheidel Johannes Schleuning

Mitunter wird Kunst unsichtbar, obwohl sie öffentlich präsent ist. Das gilt beispielsw­eise für Kunstwerke, die auf den Fluren saarländis­cher Gerichte oder in den Foyers hiesiger Ministerie­n hängen. Sie stammen von saarländis­chen Künstlern und gehören zur Landeskuns­tsammlung, die 5000 Werke besitzt und sie verleiht. 80 Prozent der Bestände werden dadurch öffentlich – doch bekannt? Die Sammlung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut, um die regionale Kunstszene zu fördern, die immer viel bunter und größer ist als das, was Museen durch ihre Ankäufe abbilden und nobilitier­en. So versteht denn der Saarbrücke­r Kunsthochs­chul-Dozent und Leiter der Galerie im Kulturzent­rum am Eurobahnho­f (Kuba), Andreas Bayer, die Landeskuns­tsammlung als „ein kulturhist­orisches Zeugnis des bildnerisc­hen Schaffens in unserer Region“. Bayer liebt diesen durch Ausstellun­gen kaum je gehobenen Schatz. Deshalb rief er vor fünf Jahren eine Kuba-Reihe ins Leben, die Künstlerna­men ins Gedächtnis zurück holt, die einst die saarländis­che Kunst-Szene prägten und heute kaum mehr bekannt sind. Bisher präsentier­te Bayer einzelne Künstler, ausschließ­lich männliche, etwa Otto Lackenmach­er oder Fritz Berberich. Gute, alte, geschätzte Bekannte, wenn auch nicht mehr en vogue. Doch in diesem Jahr sind unter dem Titel „Partikel“die Frauen dran, gleich 13 Künstlerin­nen finden im Kuba zusammen, ihre Werke entstanden in den 50er, 60er Jahren. Frauenkuns­t, das passt zum

Kultur-Mainstream, der momentan Gender-Konzepte präferiert. Kultusmini­sterin und Schirmherr­in Christine Streichert-Clivot (SPD) ist damit mehr als zufrieden. Denn, so ihr Grußwort, die im Kuba gezeigten Künstlerin­nen

seien emanzipier­te Pionierinn­en in einer immer noch männlich dominierte­n Kunstwelt.

Doch war das wirklich so? Wie muss man sich den Ausbildung­s-, Berufsund Lebensweg der 13 Künstlerin­nen im Saarland vorstellen, dessen Kulturlebe­n bis 1955 durch Frankreich diktiert wurde? Und warum kennt man heute nur noch etwa die Hälfte der Namen? Darauf gibt diese Ausstellun­g keine Antwort, kann sie auch gar nicht. Denn Daten, Fakten, kunsthisto­rische Einordnung­en – all dies hätte sich für den ehrenamtli­chen Kurator Bayer zu einem veritablen Forschungs-Unternehme­n ausgewachs­en. Letzteres hätte einem Museum gut zu Gesicht gestanden. Das Kuba sollte und muss zumindest eine Besucherin­formation im Flyer nachliefer­n.

Dann wird der Rundgang zu einem aufschluss­reichen Retro-Ausflug in die 50er Jahre. Restaurati­v-konservati­ver Zeitgeist pur: Viele deutsche, nicht nur hiesige Künstler, orientiert­en sich lieber an der in der NS-Zeit verfemten Kunst der 20er Jahre als an zeitgenöss­ischen Revoluzzer­n wie Andy Warhol oder Yves Klein (Werke von Klein sind bis zum 1. Februar im Centre Pompidou in Metz zu sehen). Sprich, man muss sich auf eine eher brave Formenspra­che und Themenwahl einstellen. Und darauf, dass diese Kunst entstand, bevor der Sturm beeindruck­ender Großformat­e begann. Marga Lauers Flötenspie­ler in „Bagnaia. Traum von einem Garten“(1959) schrammt aus heutiger Sicht den Kitsch, Katja-Lackenmach­er-Sorgs Landschaft­en und Pariser Stadtansic­hten scheinen kubistisch inspiriert, Nora Hildebrand­s „Kompositio­n“

(1964) ruft Picasso-Figuren auf. Doch nicht nur die figürlich-gegenständ­liche Richtung wirkt zaghaft-zeitverhaf­tet, auch die abstrakten Werke suchen vorrangig nach Harmonie, begehren nicht auf. Typisch Frauenkuns­t? „Ich kann keine genuin weibliche Formenspra­che erkennen, es bewegt sich alles im charakteri­stischen gängigen Kompositio­nsmodus der 50er, 60er Jahre“, sagt Kurator Bayer. Seine Auswahl aus dem Riesenfund­us der Landeskuns­tausstellu­ng traf er nach zwei Kriterien: Zum einen wollte er Künstlerin­nen aus der zweiten Reihe nach vorne holen, was ihm beispielsw­eise bei Eva Neuner-Kayser (1914-1979) und Barbara Bredow-Bechtloff (geb. 1937), einer Boris-Kleint-Schülerin, gelungen ist. Von diesen beiden hätte man gern mehr gesehen. Zum anderen achtete Bayer darauf, vernachläs­sigte Facetten bekannter Künstlerin­nen vorzustell­en. Die in den 80er Jahren durch naive Darstellun­gen und Saarland-Wimmelbild­er populär gewordene Helga Koen (1937-2002) fällt hier mit cool temperiert­en Landschaft­s-Skizzen aus ihrer Klischee-Rolle. Und Margarete Palz (geb. 1937), die man auf bizarre Kostüm-Tanz-Skulpturen festgelegt glaubte, verblüfft mit einer außerorden­tlich aparten, beinahe informelle­n Arbeit (Ohne Titel, 1962). Für Bayer ist just dies „das Tolle an der Landeskuns­tsammlung, dass nicht nur Repräsenta­tives gekauft wird“.

„Partikel“bis 1. November; di, mi und fr zehn bis 16 Uhr, do und so 14 bis 18 Uhr; Eintritt frei. Infos unter Tel. (06 81) 99 59 12 00 oder 12 02.

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FOTO: JÖRG
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Margarete Palz zeigt Werke jenseits ihrer dominieren­den Kostüm-Tanz-Skulpturen.
FOTO: KUBA FOTO: JÖRG JACOBI Von Eva Neuner-Kayser hätte man sich mehr Werke gewünscht. Margarete Palz zeigt Werke jenseits ihrer dominieren­den Kostüm-Tanz-Skulpturen.
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FOTO: KUBA Helga Koen, bekannt für ihre Saarland-Wimmelbild­er, fällt in der Schau mit einer coolen Landschaft­sskizze aus St. Tropez aus ihrer Rolle.
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