13 starke Frauen tauchen wieder auf
Die Ausstellung „Partikel“im Saarbrücker KuBa zeigt regionale Kunst der 50er und 60er Jahre – ausschließlich von Frauen. Blick in einen kaum je gehobenen Schatz.
Mitunter wird Kunst unsichtbar, obwohl sie öffentlich präsent ist. Das gilt beispielsweise für Kunstwerke, die auf den Fluren saarländischer Gerichte oder in den Foyers hiesiger Ministerien hängen. Sie stammen von saarländischen Künstlern und gehören zur Landeskunstsammlung, die 5000 Werke besitzt und sie verleiht. 80 Prozent der Bestände werden dadurch öffentlich – doch bekannt? Die Sammlung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut, um die regionale Kunstszene zu fördern, die immer viel bunter und größer ist als das, was Museen durch ihre Ankäufe abbilden und nobilitieren. So versteht denn der Saarbrücker Kunsthochschul-Dozent und Leiter der Galerie im Kulturzentrum am Eurobahnhof (Kuba), Andreas Bayer, die Landeskunstsammlung als „ein kulturhistorisches Zeugnis des bildnerischen Schaffens in unserer Region“. Bayer liebt diesen durch Ausstellungen kaum je gehobenen Schatz. Deshalb rief er vor fünf Jahren eine Kuba-Reihe ins Leben, die Künstlernamen ins Gedächtnis zurück holt, die einst die saarländische Kunst-Szene prägten und heute kaum mehr bekannt sind. Bisher präsentierte Bayer einzelne Künstler, ausschließlich männliche, etwa Otto Lackenmacher oder Fritz Berberich. Gute, alte, geschätzte Bekannte, wenn auch nicht mehr en vogue. Doch in diesem Jahr sind unter dem Titel „Partikel“die Frauen dran, gleich 13 Künstlerinnen finden im Kuba zusammen, ihre Werke entstanden in den 50er, 60er Jahren. Frauenkunst, das passt zum
Kultur-Mainstream, der momentan Gender-Konzepte präferiert. Kultusministerin und Schirmherrin Christine Streichert-Clivot (SPD) ist damit mehr als zufrieden. Denn, so ihr Grußwort, die im Kuba gezeigten Künstlerinnen
seien emanzipierte Pionierinnen in einer immer noch männlich dominierten Kunstwelt.
Doch war das wirklich so? Wie muss man sich den Ausbildungs-, Berufsund Lebensweg der 13 Künstlerinnen im Saarland vorstellen, dessen Kulturleben bis 1955 durch Frankreich diktiert wurde? Und warum kennt man heute nur noch etwa die Hälfte der Namen? Darauf gibt diese Ausstellung keine Antwort, kann sie auch gar nicht. Denn Daten, Fakten, kunsthistorische Einordnungen – all dies hätte sich für den ehrenamtlichen Kurator Bayer zu einem veritablen Forschungs-Unternehmen ausgewachsen. Letzteres hätte einem Museum gut zu Gesicht gestanden. Das Kuba sollte und muss zumindest eine Besucherinformation im Flyer nachliefern.
Dann wird der Rundgang zu einem aufschlussreichen Retro-Ausflug in die 50er Jahre. Restaurativ-konservativer Zeitgeist pur: Viele deutsche, nicht nur hiesige Künstler, orientierten sich lieber an der in der NS-Zeit verfemten Kunst der 20er Jahre als an zeitgenössischen Revoluzzern wie Andy Warhol oder Yves Klein (Werke von Klein sind bis zum 1. Februar im Centre Pompidou in Metz zu sehen). Sprich, man muss sich auf eine eher brave Formensprache und Themenwahl einstellen. Und darauf, dass diese Kunst entstand, bevor der Sturm beeindruckender Großformate begann. Marga Lauers Flötenspieler in „Bagnaia. Traum von einem Garten“(1959) schrammt aus heutiger Sicht den Kitsch, Katja-Lackenmacher-Sorgs Landschaften und Pariser Stadtansichten scheinen kubistisch inspiriert, Nora Hildebrands „Komposition“
(1964) ruft Picasso-Figuren auf. Doch nicht nur die figürlich-gegenständliche Richtung wirkt zaghaft-zeitverhaftet, auch die abstrakten Werke suchen vorrangig nach Harmonie, begehren nicht auf. Typisch Frauenkunst? „Ich kann keine genuin weibliche Formensprache erkennen, es bewegt sich alles im charakteristischen gängigen Kompositionsmodus der 50er, 60er Jahre“, sagt Kurator Bayer. Seine Auswahl aus dem Riesenfundus der Landeskunstausstellung traf er nach zwei Kriterien: Zum einen wollte er Künstlerinnen aus der zweiten Reihe nach vorne holen, was ihm beispielsweise bei Eva Neuner-Kayser (1914-1979) und Barbara Bredow-Bechtloff (geb. 1937), einer Boris-Kleint-Schülerin, gelungen ist. Von diesen beiden hätte man gern mehr gesehen. Zum anderen achtete Bayer darauf, vernachlässigte Facetten bekannter Künstlerinnen vorzustellen. Die in den 80er Jahren durch naive Darstellungen und Saarland-Wimmelbilder populär gewordene Helga Koen (1937-2002) fällt hier mit cool temperierten Landschafts-Skizzen aus ihrer Klischee-Rolle. Und Margarete Palz (geb. 1937), die man auf bizarre Kostüm-Tanz-Skulpturen festgelegt glaubte, verblüfft mit einer außerordentlich aparten, beinahe informellen Arbeit (Ohne Titel, 1962). Für Bayer ist just dies „das Tolle an der Landeskunstsammlung, dass nicht nur Repräsentatives gekauft wird“.
„Partikel“bis 1. November; di, mi und fr zehn bis 16 Uhr, do und so 14 bis 18 Uhr; Eintritt frei. Infos unter Tel. (06 81) 99 59 12 00 oder 12 02.