Die Sehnsucht nach der Million Gäste
Ein neues Strategie-Papier soll Saarbrücken und den Regionalverband auf die Tickets der Touristen bringen.
Mit einem halben Jahr Verspätung, gegen die niemand etwas sagen kann, haben der Regionalverband (RV) und die Landeshauptstadt Saarbrücken am Mittwochabend eine neue Tourismusstrategie in der Saarlandhalle vorgestellt, mit der sie Schritt für Schritt mehr Gäste in die Region locken wollen. Die politischen Gremien hatten diese Strategie bereits im Januar mit großer Mehrheit verabschiedet, um sie, so der Plan, im März der Öffentlichkeit vorzustellen. Doch dann kam Corona. haben eine Vielzahl an Beteiligten, wie Kommunen, Verbände, Vereine und etliche mehr, zusammen mit den externen Branchen-Unternehmen Project M und Saint Elmo’s an etwas gearbeitet, das eher einen Denkprozess mit dem roten Faden beschreibt: Wo wollen wir hin, und wie wollen wir das erreichen?
Das Papier sammelt Stärken wie Historisches, Natur und Weltkulturerbe, aber auch Schwächen der Region, wie Defizite bei Bus, Bahn und Anschluss an den Flughafen und noch ausbaufähiges überregionales Marketing und setzt auf die Kernbotschaft „Kreativ-Region und Hauptstadt des guten Geschmacks“, was das Lebensgefühl, Kunst und Kultur, die Natur und Saarbrücken als Tagungsstandort zusammenfassen soll. Und es äußert Anliegen, damit, und da sind wir schon im Kern der Strategie, die Übernachtungszahl nach oben geht.
Stadt und RV streben an, die aktuellen knapp 670 000 Übernachtungen pro Jahr auf über eine Million anzuheben, wobei man damit aber noch vorsichtig umgeht und diese magische Schwelle außerhalb der fünf Jahre lässt, auf die das Papier angelegt ist. Bescheiden muss aber niemand sein: Die Lust aufs Wandern und auf den Urlaub nebenan haben dafür gesorgt, dass Saarbrücken als Ziel immer beliebter wird. Luft nach oben gibt es trotzdem. Aachen, eine Stadt, etwas größer, die ebenfalls dicht an Grenzen liegt und in Großregionen denkt, hat die Million auch ohne Umland schon sicher; knapp mehr, um genau zu sein: 2019 war ein sehr erfolgreiches Jahr, wie der Aachen Tourist Service auf SZ-Anfrage mitteilt. Dort hatte aber zugegebenermaßen auch Kaiser Karl der Große seinen Thron, den man heute noch im Dom bestaunen kann, außerdem ist Nordrhein-Westfalen wesentlich dichter besiedelt als das Saarland.
Und Saarbrücken? Max Ophüls ist nicht Kaiser Karl, dafür findet das Ophüls-Filmfestival in den ARD-Tagesthemen seinen Platz. Mit solchen überregional wirksamen Veranstaltungen und „Erlebniskompositionen aus Region und Stadt“, mit Premiumwanderwegen und einer Verbesserung der Konferenzund Tagungskultur, drei Beispiele, wollen RV und Stadt punkten. 350 Ansätze für die Aufwertung des Tourismus haben die Beteiligten gesammelt, 55 davon näher in Augenschein genommen und davon wiederum elf impulsgebende Schlüsselprojekte auserkoren, deren Formulierung für den Laien noch recht weitgreifend daherkommen. Zusammengefasst geht es darum zu bündeln, Akteure zusammenzubringen, Projektgruppen wie die Onlinekampagne #visitSaarbrücken zu beleben, gemeinsame Ansprechpartner und Gruppen zu schaffen, Routen zwischen den Plätzen
mit besonderer Angebotsdichte zu entwickeln und diese Plätze selbst zu gestalten und kleinere Budgets zusammenzulegen. Einen runden Tisch der Hoteliers soll es regelmäßig wieder geben.
Richtig kronkret wird es nur selten, die Schlüsselprojekte lassen viel Gedanken-Spielraum. Aber das sei Absicht und wichtig so, sagt Alexa Weiß, zuständig für Regionalentwicklung und Planung im Team Tourismus des RV. Denn würde man sich schon auf konkrete Maßnahmen festlegen, könnte man von der Entwicklung überholt werden wie gerade durch Corona, das bereits Einfluss auf die Schwerpunkte der Strategie nehme. Mit dieser offenen Ausarbeitung habe man aber ein Werkzeug in der Hand, mit dem RV und Stadt Fördermittel beantragen können. Das sei wichtig für den Strukturwandel nach der Zeit der Montanindustrie im Saarland, bei dem der Tourismus eine enorme Rolle spiele. „Es verhungert niemand, wenn wir das nicht so machen“, sagt Weiß, „aber langfristig gesehen verhungert die Region.“