Ein Jahr „Ritt auf der Rasierklinge“
Vor einen Jahr trat der Christdemokrat Uwe Conradt sein Amt als Saarbrücker Oberbürgermeister an. Es war ein Jahr voller Krisen.
Es gibt Menschen, die mutmaßen, dass Uwe Conradt die Saarbrücker Oberbürgermeisterwahl gar nicht gewinnen wollte. Und dass er seinen Sieg über Charlotte Britz im Sommer vergangenen Jahres längst bereut. Vergnügungssteuerpflichtig sei der Job ja nicht gerade. Als Direktor der Landesmedienanstalt habe er zuvor ja auch einen guten, spannenden, aber nicht gerade nervenaufreibenden Job gehabt. Klar, sagt Uwe Conradt dazu, sein erstes Jahr als Oberbürgermeister sei „ein Ritt auf der Rasierklinge inmitten der Arena“gewesen. Aber das Amt mache ihm „große Freude“.
An diesem Donnerstag ist Conradt ein Jahr im Amt. „Es war das erste Jahr von zehn, ich bin noch nicht fertig und habe Lust auf mehr“, sagt der Oberbürgermeister. Und das, obwohl seine Amtszeit „Krisenmanagement von der ersten Sekunde an“gewesen sei. Noch bevor er am Morgen des 1. Oktober vergangenen Jahres die Ernennungsurkunde bekommen hat, standen schon Busfahrer auf der Matte, die dem Neuen in der Chefetage klarmachen wollten, dass im öffentlichen Personennahverkehr im Allgemeinen und der städtischen Saarbahn GmbH im Besonderen die Hütte brennt.
Er habe erst mal „Themen abarbeiten müssen, die ich nicht selbst gesetzt habe“, sagt Conradt. Eins dieser Themen war die Sanierung des Ludwigsparkstadions. Ein anderes die verfahrene personelle Situation bei der Berufsfeuerwehr. Sein Prinzip sei: „Ich stelle mich bei allen Krisen in die erste Reihe.“
Dazu hatte Conradt dann schon bald viel Gelegenheit. Als Leiter der Katastrophenschutzbehörde war der Saarbrücker Oberbürgermeister
in der Corona-Krise nicht nur für die Sicherheit in der Landeshauptstadt zuständig, er war auch Chef des Regionalverbands-Krisenstabs. Es war eine harte Zeit für alle. Aber auch eine Zeit, aus der er einiges gelernt habe, sagt der Oberbürgermeister. Zum Beispiel: „Saarbrücken kann Krise.“Bürgerinnen und Bürger sind eingesprungen und haben Hilfe organisiert, wenn irgendwo Not war. Aber auch die Verwaltung habe funktioniert.
Gelernt habe er aber auch: „Die digitale Welt wird die echte Welt nie ersetzen.“Man habe in der Krise vor allem übers Internet und über Handy-Apps mit den Bürgern kommunizieren können. Das ersetze aber nicht den persönlichen Kontakt, die Begegnungen vor Ort. Genau die seien ihm aber wichtig, sagt Conradt. Das war eins seiner Versprechen im Wahlkampf: mehr Dialog mit den Saarbrückerinnen und Saarbrückern, auch mit denen, die nicht im Zentrum leben. Da werde man in den kommenden Wochen und Monaten einiges versuchen. Was allerdings nicht einfach werde, weil man selbst in den Rathaus-Festsaal nicht mehr als 28 Personen bringen dürfe.
Aus Sicht des Oberbürgermeisters ist Saarbrücken bisher ganz gut durch die Krise gekommen. Zu Ende ist sie noch nicht. „Unsere Krisenstäbe
sind ruhend, aber sie sind nicht aufgelöst“, sagt er.
Trotz aller Krisen und Themen, die er sich nicht ausgesucht hat, sei auch etwas Raum geblieben für erste eigene Akzente. „Die Stadtteile sind im Rathaus angekommen“, sagt Conradt. Man habe auch damit angefangen, „mehr Zug reinzubekommen beim Thema Fahrradfahren in der Stadt“. Die City Ost als „Zukunftsort für Innovationen“sei eins seiner wichtigsten Projekte, ebenso das neue Kultur- und Kongresszentrum. Die Zuversicht, dass „Saarbrücken in den kommenden zehn Jahren sein Gesicht verändern wird“, komme auch aus seiner Erfahrung mit der Stadtverwaltung. Er sei ohne eigenes Team ins Rathaus gegangen, ganz bewusst. Es sei ihm zunächst darum gegangen, die Mitarbeiter kennenzulernen und zuzuhören. Und: „Ein Parteibuch ist nicht wichtig. Die Frage ist, ob jemand eine Aufgabe gut erledigen kann“, sagt der CDU-Mann.
Die Menschen, die gemutmaßt haben, dass die alte Verwaltung den neuen Oberbürgermeister „verhungern“lässt, haben sich geirrt, sagt Conradt. Und er freue sich auf weitere neun Jahre im Amt. Denn: „Es ist nie theoretisch, immer praktisch und direkt, und es hat Auswirkungen auf viele Menschen.“