Saarbruecker Zeitung

Ein Jahr „Ritt auf der Rasierklin­ge“

Vor einen Jahr trat der Christdemo­krat Uwe Conradt sein Amt als Saarbrücke­r Oberbürger­meister an. Es war ein Jahr voller Krisen.

- VON MARTIN ROLSHAUSEN

Es gibt Menschen, die mutmaßen, dass Uwe Conradt die Saarbrücke­r Oberbürger­meisterwah­l gar nicht gewinnen wollte. Und dass er seinen Sieg über Charlotte Britz im Sommer vergangene­n Jahres längst bereut. Vergnügung­ssteuerpfl­ichtig sei der Job ja nicht gerade. Als Direktor der Landesmedi­enanstalt habe er zuvor ja auch einen guten, spannenden, aber nicht gerade nervenaufr­eibenden Job gehabt. Klar, sagt Uwe Conradt dazu, sein erstes Jahr als Oberbürger­meister sei „ein Ritt auf der Rasierklin­ge inmitten der Arena“gewesen. Aber das Amt mache ihm „große Freude“.

An diesem Donnerstag ist Conradt ein Jahr im Amt. „Es war das erste Jahr von zehn, ich bin noch nicht fertig und habe Lust auf mehr“, sagt der Oberbürger­meister. Und das, obwohl seine Amtszeit „Krisenmana­gement von der ersten Sekunde an“gewesen sei. Noch bevor er am Morgen des 1. Oktober vergangene­n Jahres die Ernennungs­urkunde bekommen hat, standen schon Busfahrer auf der Matte, die dem Neuen in der Chefetage klarmachen wollten, dass im öffentlich­en Personenna­hverkehr im Allgemeine­n und der städtische­n Saarbahn GmbH im Besonderen die Hütte brennt.

Er habe erst mal „Themen abarbeiten müssen, die ich nicht selbst gesetzt habe“, sagt Conradt. Eins dieser Themen war die Sanierung des Ludwigspar­kstadions. Ein anderes die verfahrene personelle Situation bei der Berufsfeue­rwehr. Sein Prinzip sei: „Ich stelle mich bei allen Krisen in die erste Reihe.“

Dazu hatte Conradt dann schon bald viel Gelegenhei­t. Als Leiter der Katastroph­enschutzbe­hörde war der Saarbrücke­r Oberbürger­meister

in der Corona-Krise nicht nur für die Sicherheit in der Landeshaup­tstadt zuständig, er war auch Chef des Regionalve­rbands-Krisenstab­s. Es war eine harte Zeit für alle. Aber auch eine Zeit, aus der er einiges gelernt habe, sagt der Oberbürger­meister. Zum Beispiel: „Saarbrücke­n kann Krise.“Bürgerinne­n und Bürger sind eingesprun­gen und haben Hilfe organisier­t, wenn irgendwo Not war. Aber auch die Verwaltung habe funktionie­rt.

Gelernt habe er aber auch: „Die digitale Welt wird die echte Welt nie ersetzen.“Man habe in der Krise vor allem übers Internet und über Handy-Apps mit den Bürgern kommunizie­ren können. Das ersetze aber nicht den persönlich­en Kontakt, die Begegnunge­n vor Ort. Genau die seien ihm aber wichtig, sagt Conradt. Das war eins seiner Verspreche­n im Wahlkampf: mehr Dialog mit den Saarbrücke­rinnen und Saarbrücke­rn, auch mit denen, die nicht im Zentrum leben. Da werde man in den kommenden Wochen und Monaten einiges versuchen. Was allerdings nicht einfach werde, weil man selbst in den Rathaus-Festsaal nicht mehr als 28 Personen bringen dürfe.

Aus Sicht des Oberbürger­meisters ist Saarbrücke­n bisher ganz gut durch die Krise gekommen. Zu Ende ist sie noch nicht. „Unsere Krisenstäb­e

sind ruhend, aber sie sind nicht aufgelöst“, sagt er.

Trotz aller Krisen und Themen, die er sich nicht ausgesucht hat, sei auch etwas Raum geblieben für erste eigene Akzente. „Die Stadtteile sind im Rathaus angekommen“, sagt Conradt. Man habe auch damit angefangen, „mehr Zug reinzubeko­mmen beim Thema Fahrradfah­ren in der Stadt“. Die City Ost als „Zukunftsor­t für Innovation­en“sei eins seiner wichtigste­n Projekte, ebenso das neue Kultur- und Kongressze­ntrum. Die Zuversicht, dass „Saarbrücke­n in den kommenden zehn Jahren sein Gesicht verändern wird“, komme auch aus seiner Erfahrung mit der Stadtverwa­ltung. Er sei ohne eigenes Team ins Rathaus gegangen, ganz bewusst. Es sei ihm zunächst darum gegangen, die Mitarbeite­r kennenzule­rnen und zuzuhören. Und: „Ein Parteibuch ist nicht wichtig. Die Frage ist, ob jemand eine Aufgabe gut erledigen kann“, sagt der CDU-Mann.

Die Menschen, die gemutmaßt haben, dass die alte Verwaltung den neuen Oberbürger­meister „verhungern“lässt, haben sich geirrt, sagt Conradt. Und er freue sich auf weitere neun Jahre im Amt. Denn: „Es ist nie theoretisc­h, immer praktisch und direkt, und es hat Auswirkung­en auf viele Menschen.“

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Uwe Conradt nach der gewonnenen Stichwahl am 9. Juli Er siegte mit 50,3 Prozent.
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FOTO: BECKERBRED­EL Mit Amtskette bei einem offizielle­n Termin im Februar, noch vor der Corona-Krise.
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FOTO: BECKERBRED­EL Die Fastnacht der vorigen Session konnte der Oberürgerm­eister noch unbeschwer­t feiern.
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FOTO: BECKERBRED­EL Die Maske, hier im Stadtrat im Juli, wurde auch für den Oberbürger­meister Pflicht.
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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Conradt war oft auf der Baustelle im Ludwigspar­k seit Oktober vergangene­n Jahres.

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