„Ganz nah ran“– die große Gefahr für den Flugverkehr
Drohnen können Maschinen zum Absturz bringen. Deutsche Firmen haben Abwehrsysteme entwickelt, doch nach der perfekten Lösung wird noch gesucht.
(dpa) Alle paar Tage sichten Piloten oder Towerlotsen Drohnen in gefährlicher Nähe, 125 Fälle waren es insgesamt im vergangenen Jahr. An technischen Einrichtungen, um Drohnen zu entdecken oder gar abzuwehren, fehlt es deutschen Flughäfen jedoch immer noch. Im August hat die bundeseigene Deutsche Flugsicherung (DFS) begonnen, in Frankfurt und München verschiedene Detektionssysteme zu testen. Bis November soll das dauern. Die Firma Aaronia in der Eifel hat den größten Flughafen Europas, London Heathrow, mit einem System zur Erkennung und Verfolgung von Drohnen ausgerüstet. Ebenso die Flughäfen im Oman und in Singapur. Zwölf weitere Airports in Arabien und Asien
folgten dieses Jahr, sagt Firmengründer und -chef Thorsten Chmielus. Das System in Heathrow habe gerade mal sechs Millionen Euro gekostet. Warum an den deutschen Flughäfen noch nichts installiert sei, „das weiß ich auch nicht“, sagt er. Der Elektronikspezialist ESG in Fürstenfeldbruck rüstet zusammen mit der Ulmer Firma Hensoldt und anderen Partnern gerade die Bundeswehr mit einer Drohnenabwehr für ihre Feldlager bei Auslandseinsätzen aus. Das System Guardion schützte schon 2015 den G7-Gipfel mit US-Präsident Barack Obama im bayerischen Elmau vor Drohnen, ebenso den G20-Gipfel in Hamburg 2017 und die Internationale Luftfahrtausstellung ILA 2018 in Berlin.
Der „Drone-Tracker“des Herstellers Dedrone mit Sitz in Kassel und San Francisco ist nach Firmenangaben an 15 Zivil- und Militärflughäfen im Einsatz. Jetzt sei Dedrone bei den Vorführungen in München und Frankfurt dabei, sagt Sprecherin Friederike Nielsen.
Die Corona-Krise mache es insofern „einfacher, als nicht so viele Flugzeuge fliegen“. Denn vor jedem Drohnen-Start müssten die Tester die Freigabe vom Tower einholen, um keinem Flugzeug in die Quere zu kommen. Die meisten Hobbypiloten von Drohnen seien am Wochenende unterwegs. Manche versuchten, spektakuläre Aufnahmen von startenden und landenden Flugzeugen zu machen – „ganz nah ran“, um sie auf Youtube zu zeigen, sagt Nielsen. Eine große Gefahr seien auch außer Kontrolle geratene Drohnen, die durch die Luft sausen, bis die Batterie leer ist. „Eine Drohne ist schlimmer als Vogelschlag. Wenn sie in ein Triebwerk kommt, kann das zum Absturz führen“, sagt ADV-Sprecherin Polders. Bei Drohnengefahr in der Sicherheitszone „wird der Betrieb sofort eingestellt“. Der Flughafen London Gatwick stand deshalb vor Weihnachten 2018 zwei Tage lang still, Flüge wurden storniert oder umgeleitet, 140 000 Passagiere waren betroffen. 2019 erwischte es London Heathrow und Frankfurt. Im Herbst 2019 nahm die Polizei Klimaschützer fest, die Drohnen-Aktionen in Heathrow planten.
Die Drohnen zu entdecken, ist eine Sache – sie unschädlich zu machen, eine andere. Eine Möglichkeit ist es, die Funkverbindung zum Piloten zu kapern und die Drohne zu Boden zu bringen – „wenn das erlaubt ist, mit Genehmigung der Bundesnetzagentur“, sagt Nielsen. Eine andere Möglichkeit ist, die Drohne mit Jagddrohnen mit einem Netz einzufangen.
„Ein Problem in Deutschland ist die Frage der Zuständigkeit“, sagt Nielsen. Bei der Finanzierung verweisen die Flughäfen auf die Flugsicherung, die für die Erkennung der Drohnen zuständig ist. Für die Abwehr ist auf dem Flughafen die Bundespolizei, im Umfeld die Landespolizei zuständig. Störsender muss die Bundesnetzagentur genehmigen.