Debatte um Perspektiven für Saar-Stahlbranche
Schutzzölle, Handelsstreit, weltweite Überproduktion und Klimaziele, die kaum erreichbar sind – die Stahlbranche im Saarland kämpft an vielen Fronten.
Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften kamen am Donnerstag in Dillingen zusammen, um über die Zukunft der saarländischen Stahlindustrie zu diskutieren. Für die Branche sieht es aktuell nicht gut aus.
Wie kann die Zukunft der saarländischen Stahlindustrie aussehen? Diese Frage stand im Zentrum der Konzernbetriebsräte-Vollkonferenz im Dillinger Lokschuppen, zu der Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften geladen waren. Dabei ging es in erster Linie um die Handelspolitik der EU, die „Stahlschwemme“aus dem Ausland und den steinigen Weg hin zu einer klimaneutralen Stahlproduktion.
„Die letzten zwei bis drei Jahre waren für die saarländische Stahlindustrie wirklich hart“, sagte Stahl-Holding-Saar(SHS-)Chef Tim Hartmann. Bereits im vergangenen Jahr habe man „riesige Verluste“eingefahren. „Und das Jahr 2020 sieht nicht besser aus.“Die Situation koste den Konzern „massiv Rücklagen“. Die Situation sei ernst.
Für den Betriebsratsvorsitzenden der Dillinger Hütte, Michael Fischer, sitzen die Verantwortlichen für diese Misere vor allem in Brüssel und Washington. „Wir haben ein 200-Millionen-Euro-Geschäft im Iran durch die Sanktionen von Trump verloren“, sagte Fischer. Gleichzeitig hätten die USA Schutzzölle auf europäischen Stahl erhoben. „Dieser Markt war dann von heute auf morgen verschlossen.“Hinzu kämen „unfaire Einlieferungspraktiken“vor allem für Stahl aus Russland und China. „Die EU gibt ihr Stahlgeschäft auf und verscherbelt ihr Silber an das Ausland“, so Fischer.
„Das vereinte Europa muss sich an dieser Stelle besser präsentieren und vermarkten“, sagte auch Stephan Ahr, Betriebsratsvorsitzender bei Saarstahl. Generell kämen aus der Politik lediglich „Lippenbekenntnisse“. Konkrete Hilfen für die Branche blieben jedoch aus. Ähnliches beobachtet auch die IG Metall. „Wir haben heute eine gute Papierlage“, sagte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Gewerkschaft. So gebe es inzwischen zwar auf bundes- und EU-Ebene zahlreiche vielversprechende Konzepte, „aber jetzt geht es darum, das auch umzusetzen“.
Das gelte besonders für die klimafreundliche Stahlproduktion. „Der grüne Wasserstoff kommt nicht von ungefähr“, sagte Lemb. Hier seien die derzeit im Bundestag diskutierte Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und die Auswirkungen auf den Ausbau von Wind- und Solarenergie von zentraler Bedeutung. „Da geht es ja auch um die Frage, ob die bisherigen Befreiungen fortgesetzt werden“, so
„Die letzten zwei bis drei Jahre waren für die saarländische Stahlindustrie wirklich hart.“
Tim Hartmann
Vorstandschef Stahl-Holding-Saar
Lemb. Ein weiteres großes Thema seien die ambitionierten Klimaziele der EU. Diese seien „richtig für den Klimaschutz, aber nicht ohne Risiken für die wesentlichen Industriezweige“, sagte der Gewerkschafter. „Da müssen wir uns einbringen, wenn die Stahlindustrie in Europa Zukunft haben soll.“
Die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Verschärfung der Klimaziele stößt bei Landeswirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) auf Unverständnis. So sei bereits bei den vorherigen Vorgaben zur Reduktion des EU-weiten CO2-Ausstoßes nie dargelegt worden, „wie man denn dieses Ziel überhaupt erreichen will“, sagte Rehlinger. „Wenn man das dort schon nicht beantworten kann, gleich wieder das nächste Ziel auszurufen, halte ich für unverantwortlich.“
Zwar gebe es durchaus die Bereitschaft, den Weg hin zum grünen Stahl mitzugehen, sagte Rehlinger. Doch bis dahin sei noch viel zu tun. So müssten beispielsweise die Energieversorger einen Anreiz haben, ihre Kohle- zu Gaskraftwerken umzubauen. Es sei unrealistisch, „davon auszugehen, dass im Saarland in fünf Jahren genug Windräder stehen, um damit ausschließlich aus erneuerbaren Energien grünen Wasserstoff herzustellen“, so die Wirtschaftsministerin. „Das werden wir mit den Windrädern im Saarland auch nie schaffen, um das deutlich zu sagen.“
Der Ausbau der erneuerbaren Energien müsse dennoch vorangetrieben werden, stellte Rehlinger klar. Allerdings müssten dafür entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt werden, um den Stahlherstellern die Gewissheit zu geben, dass sie grünen Stahl zumindest auf lange Sicht wirtschaftlich produzieren können. „Eine unternehmerische Entscheidung kann nicht auf den Weg gebracht werden, wenn nicht klar ist, dass man mit den investierten Milliarden auch Geld verdient.“
Das sieht SHS-Vorstandschef Hartmann naturgemäß ähnlich. „Wir brauchen in wenigen Monaten einen durchdachten Plan, damit wir wissen, was wir in den nächsten sieben bis acht Jahren investieren können.“Ohne einen verbindlichen Rahmen müsse der Konzern weiterhin auf seine bestehenden Hochöfen setzen. „Wenn wir hier grünen Stahl in einem Wasserstoff-Ofen produzieren, damit aber kein Geld verdienen können, dann sind wir innerhalb von Monaten bankrott.“Er selbst komme „aus einer Branche, die mal im Vertrauen auf die Politik Milliarden investiert hat“, sagte Hartmann, der vor seiner Zeit bei der SHS in Vorständen verschiedener Energieversorger saß. „Das sind diese ganzen neuen Gas- und Kohlekraftwerke, die alle gerade abgeschaltet werden müssen. Das darf uns beim Stahl nicht passieren.“