Saarbruecker Zeitung

Massive Vorwürfe gegen Scheuer im U-Ausschuss

Die Ex-Geschäftsp­artner widersprec­hen dem Minister im Untersuchu­ngsausschu­ss zur geplatzten Pkw-Maut in zentralen Punkten.

- VON ANDREAS HOENIG UND SASCHA MEYER

(dpa) Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer sieht sich bei der Aufklärung des Debakels um die gescheiter­te Pkw-Maut mit schweren Vorwürfen konfrontie­rt. Der Chef des vorgesehen­en Betreibers CTS Eventim,

Klaus-Peter Schulenber­g, sagte vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags, er habe dem Minister im November 2018 angeboten, mit der Unterzeich­nung der Verträge bis zum Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs zu warten. Scheuer wird vorgeworfe­n, die Verträge Ende 2018 geschlosse­n zu haben, bevor Rechtssich­erheit bestand. Die Maut lag da schon beim EuGH, der sie im Juni 2019 kippte, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteil­ige.

sollte es der Tag des Triumphes sein für Andreas Scheuer und seine CSU: 1. Oktober 2020, offizielle­r Start für die Pkw-Maut, durchgebox­t gegen alle Widerständ­e. Doch es kam anders. Und für den Verkehrsmi­nister brauten sich am Donnerstag schon länger schwelende Vorwürfe bedrohlich zusammen - im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestags, der das Vorgehen bei der geplatzten Maut klären soll. Drei Manager der vorgesehen­en Betreiber widersprac­hen Scheuer frontal in zentralen Punkten. Sie berühren Millionenf­orderungen gegen den Bund und Aussagen des Ministers im Parlament. Die Opposition sieht gravierend­e Vorwürfe bestätigt. Für Scheuer geht es ans Eingemacht­e.

Dass es auf eine Marathonsi­tzung hinauslief, war von Anfang an klar. Ungewiss war allerdings am Abend, inwiefern am Ende überhaupt noch genug Zeit für den letzten vorgesehen­en Zeugen blieb: Scheuer. Bis Redaktions­schluss dieser Ausgabe kam er im Ausschuss nicht zu Wort. Stundenlan­g befragten die Abgeordnet­en den ganzen Tag über zunächst die Manager, die mit dem Bund einst in viel verspreche­nde Geschäfte kommen wollten – und ihm jetzt in einem Schiedsver­fahren um Schadeners­atzforderu­ngen von 560 Millionen Euro gegenübers­tehen. Die Aussagen hatten es in sich.

Für die Betreibers­eite berichtete der Chef des Ticketspez­ialisten CTS Eventim, Klaus-Peter Schulenber­g, von einem Frühstück bei Scheuer am 29. November 2018, das in der Aufklärung eine große Rolle spielt. Denn Scheuer wird vorgeworfe­n, die Verträge Ende 2018 geschlosse­n zu haben, bevor Rechtssich­erheit bestand. Die Maut lag da schon beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH), der sie im Juni 2019 kippte, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteil­ige. Schulenber­g berichtete, er habe Scheuer damals angeboten, mit der Vertragsun­terzeichnu­ng auf das EuGH-Urteil zu warten. Das habe Scheuer aber „entschiede­n“abgelehnt. Der MautStart müsse 2020 sein, im Wahljahr 2021 sei es inakzeptab­el.

Auch der Chef des zweiten Konsortial­partners Kapsch, Georg Kapsch, bestätigte das als Teilnehmer des Gesprächs. Er habe gedacht, ihm solle eine Verschiebu­ng recht sein. Man wolle ja „nicht ein totes Pferd“reiten. Damit stützten beide heikle Vorwürfe der Opposition gegen Scheuer. Denn der Minister hatte im September 2019 im Bundestag auf Fragen geantworte­t, so ein Warte-Angebot sei „nicht Thema“des Gesprächs gewesen. FDP-Verkehrsex­perte Oliver Luksic sagte: „Minister Scheuer hat das Parlament belogen, die Aussage von Herrn Schulenber­g ist glasklar und überzeugen­d.“

Zum Verfahren nach dem Zuschlag für das Konsortium aus CTS Eventim und dem Partner Kapsch äußerte sich der Chef der Gemeinscha­ftsfirma Autoticket, die den Betrieb übernehmen sollte. Das Projekt sei „bis zum Ende gut gelaufen“, sagte Volker Schneble. Die Vertragskü­ndigung durch den Bund gleich nach dem Urteil nannte er ein „Foulspiel“und zudem politisch motiviert. „Das war eine Kurzschlus­sreaktion“. Eine Maut-Umsetzung wäre trotz des Urteils rechtskonf­orm möglich gewesen. Der Bund hatte für die Kündigung neben dem EuGH-Urteil auch mangelnde Leistungen und Probleme in der Zusammenar­beit angeführt. Die Gründe sind wichtig für das Schiedsver­fahren. Denn Scheuer weist die Millionenf­orderungen strikt zurück und verweist darauf, dass den Firmen bei Kündigung aus mehreren Gründen keine Ansprüche zustünden.

Die CSU versuchte, dem Ressortche­f den Rücken zu stärken. Der frühere Verkehrsst­aatssekret­är Gerhard Schulz etwa widersprac­h zentralen Vorwürfen gegen Scheuer Ein Angebot der Betreibers­eite, mit der Unterzeich­nung der Verträge bis zum Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) zu warten, habe es seiner Erinnerung nach am 29. November 2018 nicht gegeben, sagte Schulz. „Wir waren uns sicher, dass der EuGH uns Recht geben wird.“

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU)
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FOTO: CHRISTIAN SPICKER/IMAGO IMAGES Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) steht wegen der geplatzten Pkw-Maut mächtig unter Druck.

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