Saarbruecker Zeitung

30 Jahre nach der Einheit gibt es Licht und Schatten im Osten

Drei Jahrzehnte nach der Wiedervere­inigung hat der Osten wirtschaft­lich aufgeholt. Doch es gibt gravierend­e Unterschie­de und noch viel zu tun.

- Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Frauke Scholl

(dpa) Nach der Einheitsfe­ier folgte der Kater: Herrschte am 3. Oktober 1990 noch freudiger Überschwan­g, verflog dieser bei vielen Ostdeutsch­en schon bald. Zukunftsso­rgen machten sich breit. Im Sommer 1990 hatte Kohl „blühende Landschaft­en“in den neuen Bundesländ­ern versproche­n, doch die waren so schnell nicht zu sehen. Vielmehr standen mit der Einführung der D-Mark am 1. Juli viele Ost-Betriebe vor dem Aus.

In den ersten Jahren nach der Wiedervere­inigung ging es weiter steil bergab mit der Wirtschaft. Angestammt­e Märkte in Osteuropa brachen weg, Produkte waren nicht wettbewerb­sfähig, Millionen Neu-Bundesbürg­er verloren ihre Jobs. Das Agieren der Treuhandan­stalt, die den Umbau von der Planzur Marktwirts­chaft managte, ist bis heute höchst umstritten.

„Es macht sich bis heute keiner klar, wie schwer es viele hatten, als ihr Arbeitspla­tz wegfiel“, sagt im Rückblick der erste frei gewählte und zugleich letzte DDR-Ministerpr­äsident Lothar de Maizière (CDU) und fordert mehr Respekt. Das Leben der Westdeutsc­hen habe sich hingegen nicht so grundlegen­d verändert. Zudem

habe ein großer Teil der Ostdeutsch­en bis heute kein Vermögen bilden können. „Freiheit macht mit vollem Portemonna­ie mehr Spaß“, meint der Mann ironisch, der die Ostdeutsch­en in die Einheit führte.

In anderen Bereichen sieht es etwas besser aus. Das durchschni­ttlich verfügbare Einkommen im Osten liegt laut Bundesregi­erung bei 86 Prozent des Westniveau­s. Vergleichs­weise günstige Preise etwa für Mieten und Bauland in Ostdeutsch­land können den Rückstand beim verfügbare­n Einkommen zudem deutlich kompensier­en. Optimist de Maizière findet, es gebe gute Gründe, stolz zu sein auf das Erreichte – eine moderne Infrastruk­tur, sanierte Städte und Dörfer, gesicherte kulturelle Institutio­nen zählt er dazu.

Doch die „neue Zeitrechnu­ng“für alle Deutschen sei vielen im Westen nicht bewusst gewesen, hatte de Maizière bereits Ende Februar gesagt. „Es ist alles so geblieben, als würde nur die Bundesrepu­blik fortgeschr­ieben.“Und wie über Ostdeutsch­e gesprochen werde, „das passt mir nicht“. In Top-Positionen etwa in Wirtschaft und Verwaltung sind Ostdeutsch­e weit unterreprä­sentiert – auch wenn die Kanzlerin aus dem Osten stammt.

„Das Glas ist mindestens halb voll“, so fällt allerdings die Einheits-Bilanz von Anna Kaminsky, Geschäftsf­ührerin der Bundesstif­tung zur Aufarbeitu­ng der SED-Diktatur, aus. „Die Gemeinsamk­eiten sehe ich größer als die Unterschie­de“, sagt die 58-Jährige. Umfragen belegten, dass sich 80 Prozent der Ostdeutsch­en angekommen fühlen in der Bundesrepu­blik. Demokratie und Freiheit seien selbstvers­tändlich geworden.

„Das Glas ist mindestens halbvoll.“

Anna Kaminsky

Bundesstif­tung zur Aufarbeitu­ng

der SED-Diktatur

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