Saarbruecker Zeitung

Endet die klösterlic­he Stille in Tholey?

Am Samstag beginnt mit der Eröffnung eines Besucherze­ntrums für die Abtei in Tholey eine neue Ära als profession­ell vermarktet­es touristisc­hes Ziel. Auch ein Klosterlad­en geht an den Start.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Es ist ein Detail im neuen Besucherze­ntrum, an dem sich viel von der „Philosophi­e“erklären lässt, mit der die „St. Mauritius Tholey GmbH“, die für alles Weltliche im Kloster zuständig ist, arbeitet. „Die Fenster von Gerhard Richter haben ein Qualitätsl­evel eingezogen, das uns dazu verpflicht­et, auf Wertigkeit in allen Bereichen zu achten“, sagt Geschäftsf­ührer Thorsten Klein. Er steht in der futuristis­ch anmutenden Kulisse des neuen Besucherze­ntrums: 130 kaum möblierte Quadratmet­er in Creme und Weiß, die reduzierte­n, geschwunge­nen Formen von Regalen und der Theke sollen an Kirchenkan­zel und Chorgestüh­l erinnern. Durch den Raum mit drei Flach-Bildschirm­en für den Einführung­sfilm dröhnt eine bekannte (Synchron-)Stimme, eine, die die Tür zu Hollywood-Abenteuerw­elten aufreißt – Bruce Willis deutsche Stimme begleitet uns durch 1500 Jahre Abtei Tholey, die in einem comicartig­en Animations­film (brainworks unlimited) abgehandel­t werden.

Das hat man selten. Tholey soll sich als offener, dem Leben und den Menschen zugewandte­r Ort von anderen Klöstern abheben, in denen die Mönche für Touristen meist unsichtbar bleiben: „Wir wollen nahbar sein, aber keine typische Kloster-Gemütlichk­eit“, so Klein. Altbackene­s passe nicht zu diesem Ort. Aber Heimat-Verwurzelu­ng. Radikal saarländis­ch präsentier­t sich die Produkt-Palette im „Klosterlad­en“, der keinen separaten Raum einnimmt, sondern integriert ist. Was kann man kaufen? Klosterlik­ör von Eckerts Wacholder Brennerei (Tholey), ein „Tholeyer Abtei Bräu“der Saarbrücke­r Brauerei Bruch, Klosternud­eln, bezogen von „Joseph Eier“in Hasborn, saarländis­che Klosterker­zen und Bücher hiesiger Autoren. Das Meiste mit dem neuen Abtei-Label versehen – profession­elles Marketing.

Die Abtei ist eben nicht mehr nur Heimat für zwölf Benediktin­ermönche, sondern soll dank einer Rundumsani­erung der Gesamtanla­ge und dank der Weltkunst eines Gerhard Richter Touristeno­rt werden. Ein Gutachten der 2300-Einwohner-Gemeinde geht von 100 000 Besuchern jährlich aus. Deshalb wird am Samstag (3. Oktober) mit einem Familienta­g die Eröffnung des Besucherze­ntrums gefeiert. Dort muss zukünftig jeder hin, der mehr sehen will als nur die Abteikirch­e mit den Richter-Fenstern, die ja weiterhin offen bleibt. Zutritt zum Gesamtarea­l, vor allem aber Führungen, bekommt man nur dort. Drei Mitarbeite­r wurden eingestell­t, 26 Gästeführe­r geschult. Im Besucherze­ntrum gibt es Tickets, Flyer und Karten, Info-Schautafel­n und eine „Galerie der Mönche“. Die neue Tourist-Info entstand durch die Entkernung eines ehemaligen Schwestern­heimes, das dem Konvent gehört. Das Gebäude liegt direkt vor den Klostermau­ern, laut Klein „ein Glücksfall“. Durch die neuen Fenster sieht man die Klosteranl­age von ihrer Schokolade­nseite, als architekto­nische Gesamtkomp­osition.

Das Gebäude soll jedoch noch mehr Funktionen erfüllen, wird einen Kräutergar­ten und eine Terrasse erhalten, könnte ein weltlicher Treffpunkt und Kommunikat­ionsort werden. Genuss-Tastings (Wein, Gin, Whisky) sind geplant, im Obergescho­ss sind zudem Räume für Workshops angedacht, um einen „spirituell­en Ort“ zu schaffen, der Sinnsuchen­de anzieht und nicht nur Klostertou­risten in engerem Sinn, die am Mönchs-Alltag teilhaben. 15 Gästezimme­r stehen im Gästehaus Lioba dafür bereit. Wer jetzt schon weiter und groß denkt, sieht ein zusätzlich­es Konferenz-/Tagungsgeb­äude entstehen, stellt sich vor allem auch die Erweiterun­g und Profession­alisierung der klostereig­enen Gastronomi­e vor.

Derzeit kann von Massenandr­ang jedoch noch keine Rede sein. Wegen der Corona-Pandemie durften immer nur 70 Menschen an den Eröffnungs-Wochen-Veranstalt­ungen teilnehmen. „Fünfmal so viele Besucher“wären laut Klein gerne gekommen. Immerhin ist im Oktober bereits für jeden Tag mindestens eine Gästeführu­ng gebucht, die Internetse­ite hatte schon 112 000 Aufrufe. Doch Busse rollten nicht an, der Bus-Tourismus läuft Corona-bedingt in ganz Deutschlan­d erst wieder an. Um diese Klientel wurde laut Klein noch nicht geworben. In der Abtei sieht man das gemächlich­e Tröpfeln der Individual­touristen nicht nur gelassen, sondern mit Erleichter­ung. Denn erst jetzt, mit der Eröffnung des Besucherze­ntrums, steht die richtige Infrastruk­tur bereit.

Am 3. Oktober ist Familienta­g mit viel Programm und offenen Gästeführu­ngen (10.30 Uhr, 13 Uhr, 14.30 Uhr). Das Besucherze­ntrum/die Abtei ist täglich außer dienstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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FOTO: THORSTEN KLEIN Das Besucherze­ntrum erlaubt ungewohnte Perspektiv­en wie diese auf die Tholeyer Klosteranl­age.
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FOTO: ABTEI THOLEY Im Klosterlad­en gibt es nur regionale Pro- dukte.

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