Endet die klösterliche Stille in Tholey?
Am Samstag beginnt mit der Eröffnung eines Besucherzentrums für die Abtei in Tholey eine neue Ära als professionell vermarktetes touristisches Ziel. Auch ein Klosterladen geht an den Start.
Es ist ein Detail im neuen Besucherzentrum, an dem sich viel von der „Philosophie“erklären lässt, mit der die „St. Mauritius Tholey GmbH“, die für alles Weltliche im Kloster zuständig ist, arbeitet. „Die Fenster von Gerhard Richter haben ein Qualitätslevel eingezogen, das uns dazu verpflichtet, auf Wertigkeit in allen Bereichen zu achten“, sagt Geschäftsführer Thorsten Klein. Er steht in der futuristisch anmutenden Kulisse des neuen Besucherzentrums: 130 kaum möblierte Quadratmeter in Creme und Weiß, die reduzierten, geschwungenen Formen von Regalen und der Theke sollen an Kirchenkanzel und Chorgestühl erinnern. Durch den Raum mit drei Flach-Bildschirmen für den Einführungsfilm dröhnt eine bekannte (Synchron-)Stimme, eine, die die Tür zu Hollywood-Abenteuerwelten aufreißt – Bruce Willis deutsche Stimme begleitet uns durch 1500 Jahre Abtei Tholey, die in einem comicartigen Animationsfilm (brainworks unlimited) abgehandelt werden.
Das hat man selten. Tholey soll sich als offener, dem Leben und den Menschen zugewandter Ort von anderen Klöstern abheben, in denen die Mönche für Touristen meist unsichtbar bleiben: „Wir wollen nahbar sein, aber keine typische Kloster-Gemütlichkeit“, so Klein. Altbackenes passe nicht zu diesem Ort. Aber Heimat-Verwurzelung. Radikal saarländisch präsentiert sich die Produkt-Palette im „Klosterladen“, der keinen separaten Raum einnimmt, sondern integriert ist. Was kann man kaufen? Klosterlikör von Eckerts Wacholder Brennerei (Tholey), ein „Tholeyer Abtei Bräu“der Saarbrücker Brauerei Bruch, Klosternudeln, bezogen von „Joseph Eier“in Hasborn, saarländische Klosterkerzen und Bücher hiesiger Autoren. Das Meiste mit dem neuen Abtei-Label versehen – professionelles Marketing.
Die Abtei ist eben nicht mehr nur Heimat für zwölf Benediktinermönche, sondern soll dank einer Rundumsanierung der Gesamtanlage und dank der Weltkunst eines Gerhard Richter Touristenort werden. Ein Gutachten der 2300-Einwohner-Gemeinde geht von 100 000 Besuchern jährlich aus. Deshalb wird am Samstag (3. Oktober) mit einem Familientag die Eröffnung des Besucherzentrums gefeiert. Dort muss zukünftig jeder hin, der mehr sehen will als nur die Abteikirche mit den Richter-Fenstern, die ja weiterhin offen bleibt. Zutritt zum Gesamtareal, vor allem aber Führungen, bekommt man nur dort. Drei Mitarbeiter wurden eingestellt, 26 Gästeführer geschult. Im Besucherzentrum gibt es Tickets, Flyer und Karten, Info-Schautafeln und eine „Galerie der Mönche“. Die neue Tourist-Info entstand durch die Entkernung eines ehemaligen Schwesternheimes, das dem Konvent gehört. Das Gebäude liegt direkt vor den Klostermauern, laut Klein „ein Glücksfall“. Durch die neuen Fenster sieht man die Klosteranlage von ihrer Schokoladenseite, als architektonische Gesamtkomposition.
Das Gebäude soll jedoch noch mehr Funktionen erfüllen, wird einen Kräutergarten und eine Terrasse erhalten, könnte ein weltlicher Treffpunkt und Kommunikationsort werden. Genuss-Tastings (Wein, Gin, Whisky) sind geplant, im Obergeschoss sind zudem Räume für Workshops angedacht, um einen „spirituellen Ort“ zu schaffen, der Sinnsuchende anzieht und nicht nur Klostertouristen in engerem Sinn, die am Mönchs-Alltag teilhaben. 15 Gästezimmer stehen im Gästehaus Lioba dafür bereit. Wer jetzt schon weiter und groß denkt, sieht ein zusätzliches Konferenz-/Tagungsgebäude entstehen, stellt sich vor allem auch die Erweiterung und Professionalisierung der klostereigenen Gastronomie vor.
Derzeit kann von Massenandrang jedoch noch keine Rede sein. Wegen der Corona-Pandemie durften immer nur 70 Menschen an den Eröffnungs-Wochen-Veranstaltungen teilnehmen. „Fünfmal so viele Besucher“wären laut Klein gerne gekommen. Immerhin ist im Oktober bereits für jeden Tag mindestens eine Gästeführung gebucht, die Internetseite hatte schon 112 000 Aufrufe. Doch Busse rollten nicht an, der Bus-Tourismus läuft Corona-bedingt in ganz Deutschland erst wieder an. Um diese Klientel wurde laut Klein noch nicht geworben. In der Abtei sieht man das gemächliche Tröpfeln der Individualtouristen nicht nur gelassen, sondern mit Erleichterung. Denn erst jetzt, mit der Eröffnung des Besucherzentrums, steht die richtige Infrastruktur bereit.
Am 3. Oktober ist Familientag mit viel Programm und offenen Gästeführungen (10.30 Uhr, 13 Uhr, 14.30 Uhr). Das Besucherzentrum/die Abtei ist täglich außer dienstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.