„Wir haben die Zeit, die uns blieb, gut genutzt“
Im März ist die international gefeierte Gitarristin Susan Weinert aus Neunkirchen gestorben. Am Montag tritt ihr Mann Martin Weinert zum ersten Mal wieder auf, beim „Resonanzen“Festival. Wie schwer wird das für ihn, nach über 3000 gemeinsamen Konzerten un
Angst? Nein, sagt Martin Weinert, Angst spüre er vor seinem Konzert am Montag nicht. Auch wenn die nur zu nachfühlbar wäre – es ist der erste Auftritt seit dem Tod seiner Frau Susan Weinert. Im März ist die international hoch geachtete Gitarristin gestorben, mit 54, zwei Monate vor dem 35. Hochzeitstag des Paares. Seit 1982 standen die beiden gemeinsam auf der Bühne, bei mehr als 3000 Konzerten in aller Welt. Ein Liebespaar, ein Künstlerpaar, Seelenverwandte. Und jetzt ohne sie auf die Bühne? „Wenn ich auf den Platz schaue, an welchem sie immer gestanden hat, werden natürlich viele Bilder und Erinnerungen hochkommen“, sagt Martin Weinert, „das ist mir klar. Aber mir hilft die Musik viel mehr als dass sie mich Kraft kostet. Ich freue mich auf die Konzerte.“Denn er wird die Musik seiner Frau spielen. „Für mich lebt ihr Geist weiter. In der Musik ist sie für mich besonders greifbar und lebendig – aber nicht nur da.“
Vor zehn Jahren erhielt Susan Weinert die Diagnose Krebs. „Damit hat sich schlagartig alles geändert“, sagt ihr Mann, „der Tod, der uns ja immer begleitet, wacht da plötzlich im Bewusstsein auf.“Manche Menschen verdrängten das, Susan Weinert nicht. „Sie hat sich dem Thema gestellt. Wir haben uns über diese ganzen Jahre auf diesen letzten
Moment vorbereitet, von dem wir ja nicht wussten, wann er kommt.“Viel zum Thema gelesen haben die beiden, schier endlos miteinander gesprochen.
Öffentlich gemacht hat Susan Weinert ihre Krankheit nicht, verheimlicht aber auch nicht – Freundinnen und Freunde wussten um sie, das große Publikum nicht. „Sie wollte als der Mensch wahrgenommen werden, der sie ist – und nicht mitleidig als Krebskranke. Damit hätte sie nicht umgehen können.“Bis zuletzt standen die Weinerts in ganz engem Miteinander, geredet wurde über alles, auch den Tod, „das hat in der letzten Zeit ihres irdischen Lebens sehr geholfen“.
Einen Tag vor ihrem Tod gab Susan Weinert, „immer mutiger und zupackender als ich“, wie Martin Weinert sagt, Ratschläge – so praktisch gedacht wie berührend. „Wir hatten ein eigens für uns angefertigtes Ehebett, gebaut nach ihren Entwürfen. Sie sagte: ‚Wenn ich sterbe, ist das Bett viel zu groß für Dich. Lass es Dir zum Einzelbett umgestalten, dann hast Du Platz für einen Sessel am Fenster, und von dort aus kannst Du das Beet mit den Frühlingsblumen sehen.‘“Weinert hat den Rat beherzigt.
Am 2. März starb Susan Weinert. Kann man vorbereitet sein, nach jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Tod? „Man ist nie ganz vorbereitet. Wir können den Tod nicht zu Ende denken – das Ungewisse, was diesen Tritt über die Schwelle angeht, bleibt.“Weinert ist heute zutiefst dankbar – das Wort „Dankbarkeit“fällt sehr oft im Gespräch – für die vielen und besonders die letzten Gespräche mit seiner Frau. „Die waren wunderbar und sehr hilfreich als Vorbereitung auf den nahenden Tod. Es ist ein ganz anderer Abschied, als wenn urplötzlich ein Polizist an der Tür klingelt und einem mitteilt, dass die eigene Frau bei einem Unfall gestorben ist. Wir haben die Zeit, die uns blieb, gut genutzt. Jeder hat dem anderen geholfen, sich auf seinen Teil vorzubereiten.“ Für Weinert ist der Kontakt zu seiner Frau nicht abgerissen. „Ich bekomme von ihr Gedanken, von denen ich genau weiß, dass sie sich nicht von mir gedacht, sondern durch mich hindurch offenbaren“, sagt der Musiker, der sich selbst „weniger religiös im traditionellen Sinne denn spirituell“einschätzt. „Ich sehe das Reich Gottes nicht irgendwo in den Wolken, sondern viel mehr mitten unter uns und vor allem in uns selbst.“Wenige Tage nach ihrem Tod ist seine Frau ihm als Regenbogen erschienen, sagt er. An einem verregneten Tag kam Weinert aus dem Neunkircher Wald und ging am Krebsberg hinunter, als die dunklen Wolken Platz machten für einen Regenbogen. „Das war für mich eine Botschaft von ihr: ‚Es geht mir gut, mach Dir keine Sorgen.‘ Das hat mein Herz erfreut.“Auf dem Weg nach Hause seien ihm dann Bekannte und Nachbarn begegnet, die ihm erzählten, dass sie angesichts des Regenbogens sofort an seine Frau gedacht hätten.
40 Jahre lang waren die Weinerts zusammen, früh lernten sie sich kennen, lebten und arbeiteten immer zusammen, mehr als zwei Drittel der gemeinsamen Lebenszeit. Ein äußerst intensives Zusammenleben, innig, künstlerisch produktiv, 14 Alben entstanden. „Wir hatten ein erfülltes gemeinsames Leben, meine Frau sprudelte stets vor Energie und Inspiration. Wir mussten oft aufpassen, nicht in ein Hamsterrad der Arbeit zu geraten.“Manchmal hätten sie sich da gegenseitig sozusagen an den Haaren herausziehen müssen – „zumindest, als ich noch welche hatte“. Weinert denkt gerne an eine Sprechstunde zurück, in welcher der Arzt dem Duo sagte: „Ihr beide kennt Euch auch nicht erst seit diesem Leben.“Weinert schätzt die Sicht der Anthroposophie. „Es gibt eine geistige Welt, aus der wir kommen und in die wir mit dem Moment des Todes wieder zurückgehen.“Auch Susan Weinert habe das so gesehen und ihrem Mann gesagt: „Martin, wir sehen uns wieder.“Für ihn besteht daran kein Zweifel.
Nun tritt Weinert wieder auf, mit der Formation Rainbow Trio, einst besetzt mit Susan Weinert, dem Pianisten Sebastian Voltz und Martin Weinert am Bass. Dass der für die kommenden Konzerte keine Gitarristin, keinen Gitarristen gesucht hat, ist für ihn nur logisch. „Meine Frau hat eine ganz eigene Klangwelt erschaffen – ich will keinen Musiker, keine Musikerin in die Situation bringen, die einfach nachspielen zu müssen.“So bleiben Weinert/Voltz das Grundgerüst und suchen sich Kollegen für einzelne Auftritte: für die „Resonanzen“den Sänger Michael Schiefel und den Künstler Kris Kaiser, der die Musik aus dem letzten Susan-Weinert-Album „Der Baum vor meinem Fenster“mit Sand-Gemälden illustrieren wird.
Im März war in Neunkirchen eine Trauerfeier für Susan Weinert geplant – sie fiel dem Lockdown zum Opfer. Schon die Idee war ein Trost für Weinert, die Feier soll nachgeholt werden, irgendwann im nächsten Jahr – für Weinert ist es nicht eilig. Man könne Menschen immer gedenken. „Das Vermissen in jedem Augenblick ist riesengroß“, sagt er. „Aber wenn ich an sie denke und an das unglaublich viele Schöne, das wir zusammen erlebt haben, an diese lichtvolle gemeinsame Zeit, zaubert mir das auch in traurigen Momenten immer noch ein Lächeln auf mein Gesicht.“
„Man ist nie ganz vorbereitet. Wir können den Tod nicht zu Ende
denken.“
Martin Weinert
Martin Weinert Rainbow Trio: Montag, 19.30 Uhr, Pingusson-Bau (Sb). Karten: resonanzenfestival.de
Weinert tritt Oktober/November auch in St. Wendel, Neunkirchen und Rüsselsheim auf. Infos: site.susanweinert.com