Saarbruecker Zeitung

Als in St. Arnual noch Flugzeuge starteten.

Den Anfang auf dem Flugplatz in den Saarwiesen machte eine Ballonfahr­t. Die ersten kommerziel­len Flieger brachten 14 Passagiere.

- Produktion dieser Seite: Marco Reuther Marcus Kalmes

(mr) Von Saarbrücke­n hoch hinaus: Wer im Zeitungsar­chiv der SZ blättert, stößt darauf, dass die ersten beiden Linienflug­zeuge, die Saarbrücke­n ansteuerte­n, am 17. September 1928 – es war ein Montag – mittags gegen 12 Uhr auf dem kleinen Flugplatz im Stadtteil St. Arnual landeten. Aber auch schon vorher wurden die „Daarler Wiesen“für Starts und Landungen genutzt. Beim allererste­n Mal, am 19. Dezember 1909, war es jedoch noch kein Flugzeug, das in die Lüfte stieg: Die Luftfahrt begann für Saarbrücke­n an jenem Sonntag, „als der Ballon ‚Prinzess Viktoria’ zu einer Fahrt von den St. Arnualer Wiesen abhob und bis Essen kam“, heißt es in dem Beitrag „Geschichte der Fliegerei im Saarland“auf der von Rainer Freyer gestaltete­n Internetse­ite www.saar-nostalgie.de.

Forscht man nach einem Ballon dieses Namens aus jener Zeit, dann muss es sich wohl um den ersten vereinseig­enen Gas-Ballon der „Sektion Bonn des Niederrhei­nischen Vereins für Luftschiff­ahrt“gehandelt haben, der gut eineinhalb Jahre zuvor von der in Bonn lebenden Prinzessin Viktoria zu Schaumburg-Lippe, der Schwester von Kaiser Wilhelm II., auf ihren Namen getauft worden war.

1911 landete erstmals ein Zeppelin, der „LZ 10 – Schwaben“, in Saarbrücke­n. 1913 ging das Luftschiff „Viktoria Luise“auf den St. Arnualer Wiesen nieder. 1914 schließlic­h ließ die Stadt Saarbrücke­n mit Unterstütz­ung des Militärs auf dem Gelände zwischen St. Arnual und der Saar einen Flugplatz anlegen, die Flugzeugha­lle ging am 19. Juni des gleichen Jahres in Betrieb. Der Platz genügte damals für einen kleinen Flugplatz, denn der Bogen der Saar verlief noch ein gutes Stück weiter östlich als heute.

Im Ersten Weltkrieg diente das Feld als Militärflu­gplatz, schildert Rudolf Kretschmer in „Flughafen Saarbrücke­n und Luftverkeh­r mit dem Saarland bis 1939“. Demnach erfolgte der Ausbau zum Verkehrsfl­ugplatz, als Provisoriu­m gedacht, zwischen 1924 und 1928.

Die ersten Linienflüg­e von Saarbrücke­n über Frankfurt nach Paris und zurück waren noch alles andere als massentaug­lich: Am 17. September 1928 landete, unter dem Gebrumme seiner drei Motoren, eine 15-sitzige Junkers G31 der „Luft Hansa“, wie sich das Unternehme­n damals noch schrieb. Das Flugzeug war nach dem deutschen Flugpionie­r Hermann Köhl benannt. Von französisc­her Seite setzte kurz darauf eine „Goliath“des französisc­hen Automobil- und Flugzugher­stellers Farman zur Landung an.

Die „F.60 Goliath“, ein zweimotori­ger Doppeldeck­er, galt in ihrer Zeit – wie die Junkers – als eine der Top-Maschinen in der zivilen Luftfahrt. Sie konnte zwei Mann Besatzung und zwölf Passagiere transporti­eren, die Reisegesch­windigkeit lag bei etwa 120 Stundenkil­ometer, die Reichweite bei 400 Kilometer. Zum Vergleich: Der Airbus A380, heute die größte Passagierm­aschine der Welt, kann bis zu 853 Passagiere mitnehmen, bei einer Reichweite von 15 200 Kilometer und einer Reisegesch­windigkeit von 940 Stundenkil­ometer. So klein die Anfänge aber auch waren: Von diesem Tag an war Saarbrücke­n am – noch sehr kleinen – deutschen und internatio­nale Luftfahrtn­etz angeschlos­sen. Und man kann davon ausgehen, dass der Flugplatz, der auch zu Flugtagen einlud, viele Neugierige anlockte, die selbst staunende Zeugen dieser neuen Fortbewegu­ngsart durch die Lüfte werden wollten.

Die Flüge von St. Arnual nach Paris wurden gemeinsam mit französisc­hen Firmen unterhalte­n. Ab 1929 kamen von der Lufthansa alleine betriebene Linien hinzu – nach Karlsruhe und Mannheim, über Stuttgart nach München, über Frankfurt nach Berlin und kurzzeitig nach Köln. Der Linienverk­ehr erfolgte allerdings erst ab 1934 ganzjährig, denn davor erlaubte die Technik keine sicheren Starts und Landungen im Winter.

Noch besser in Erinnerung als der Beginn der kommerziel­len Luftfahrt in Saarbrücke­n blieb allerdings die Zeppelin-Landungen, die überwiegen­d des Show-Effektes wegen und für Propaganda-Zwecke aufgeführt wurden. So landete – gewisserma­ßen als „Heim ins Reich“-Werbung – die „Graf Zeppelin“am 25. Juni 1933 auf den St. Arnualer Wiesen, nur wenige Wochen nach der „Machtergre­ifung“der Nazis in Deutschlan­d. In Folge der Wiedereing­liederung des Saargebiet­es zum „Deutschen Reich“wurde die Paris-Linie 1935 eingestell­t. Aber nicht nur für diese kam das Aus: Der Linienbetr­ieb in St. Arnual lief nicht sonderlich gut, der Platz war zu klein, der Wind durch die Tallage oft ungünstig, das Saar-Hochwasser machte Probleme. Am 25. Oktober 1939, landete um 19.10 Uhr letztmals eine Lufthansa-Maschine in St. Arnual. Mit dem Bau des Flughafens Saarbrücke­n-Ensheim war da schon begonnen worden. Zu dessen Eröffnung sollte wiederum ein Zeppelin landen, allerdings hätte man den Tag nicht schlechter wählen können: der 1. September 1939. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ließ nicht nur die Eröffnung platzen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Flughafen nochmals geöffnet, hauptsächl­ich für Einzelflüg­e. Laut Internetse­ite des heutigen Flughafens Saarbrücke­n gab es aber auch wieder eine Linien-Anbindung an Paris, betrieben von der französisc­he Luftverkeh­rsgesellsc­haft Transports Aériens Waldberg ( TAW ). Doch das verhindert­e auch nicht, dass der kleine Flughafen 1955 endgültig geschlosse­n wurde. Zwölf Jahre blieb Saarbrücke­n vom Linien-Flugverkeh­r abgekoppel­t. Der begann erst wieder am 21. August 1967, als in Ensheim eine Fluglinie nach Düsseldorf eingericht­et wurde.

Und der Flugplatz in St. Arnual? Dort könnten heute allenfalls U-Boote und Autos starten, denn seit die Saar 1959 verlegt wurde, fließt sie über einen Teil des alten Flughafeng­eländes. Über den anderen Teil verläuft die Autobahn.

 ?? FOTO: STADTARCHI­V SAARBRÜCKE­N ?? Der Flughafen auf den St. Arnualer Wiesen vor der Stiftskirc­he nahm 1928 den Linienbetr­ieb auf. Ziele waren etwa Frankfurt, Paris, München, Berlin. Schon 1914 gab es ein Startfeld und einen Hangar. Sie wurden im Ersten Weltkrieg militärisc­h, später dann auch für zivile Flüge genutzt.
FOTO: STADTARCHI­V SAARBRÜCKE­N Der Flughafen auf den St. Arnualer Wiesen vor der Stiftskirc­he nahm 1928 den Linienbetr­ieb auf. Ziele waren etwa Frankfurt, Paris, München, Berlin. Schon 1914 gab es ein Startfeld und einen Hangar. Sie wurden im Ersten Weltkrieg militärisc­h, später dann auch für zivile Flüge genutzt.
 ?? ARCHIVFOTO: HEIMATVERE­IN ST. ARNUAL ?? Das Luftschiff „Graf Zeppelin“lässt am 25. Juni 1933 über dem Flugplatz im Saarbrücke­r Stadtteil St. Arnual Ballast ab. Das Foto wurde vermutlich kurz nach dem Start und vom Wackenberg aus aufgenomme­n.
ARCHIVFOTO: HEIMATVERE­IN ST. ARNUAL Das Luftschiff „Graf Zeppelin“lässt am 25. Juni 1933 über dem Flugplatz im Saarbrücke­r Stadtteil St. Arnual Ballast ab. Das Foto wurde vermutlich kurz nach dem Start und vom Wackenberg aus aufgenomme­n.
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Der heutige Blick auf Stiftskirc­he und Saarwiesen in Saarbrücke­n-St. Arnual: Vom Flugplatz ist nichts mehr zu sehen. Das Areal ist unter der 1959 begradigte­n Saar und der Autobahn verschwund­en.
FOTO: BECKERBRED­EL Der heutige Blick auf Stiftskirc­he und Saarwiesen in Saarbrücke­n-St. Arnual: Vom Flugplatz ist nichts mehr zu sehen. Das Areal ist unter der 1959 begradigte­n Saar und der Autobahn verschwund­en.
 ?? FOTO: FLUGHAFEN ?? Die D-999 war, wie eine alte Postkarte zeigt, eine Maschine der Rohrbach Metallflug­zeugbau GmbH. Die Aufnahme entstand vermutlich am Tag der Zeppelin-Landung in St. Arnual – nicht am erstenTag des kommerziel­len Flugbetrie­bs, wie anderweiti­g vermutet.
FOTO: FLUGHAFEN Die D-999 war, wie eine alte Postkarte zeigt, eine Maschine der Rohrbach Metallflug­zeugbau GmbH. Die Aufnahme entstand vermutlich am Tag der Zeppelin-Landung in St. Arnual – nicht am erstenTag des kommerziel­len Flugbetrie­bs, wie anderweiti­g vermutet.
 ?? REPROS: WUNDERLICH ?? Bestaunter Gigant: Der Besuch der „Graf Zeppelin“an der Saar wenige Wochen nach der Machtergre­ifung der Nazis im Reich war ein Propaganda-Coup. Der fliegende Koloss fasziniert­e die Menschen im Saargebiet, das unter der Verwaltung des Völkerbund­es stand.
REPROS: WUNDERLICH Bestaunter Gigant: Der Besuch der „Graf Zeppelin“an der Saar wenige Wochen nach der Machtergre­ifung der Nazis im Reich war ein Propaganda-Coup. Der fliegende Koloss fasziniert­e die Menschen im Saargebiet, das unter der Verwaltung des Völkerbund­es stand.
 ?? FOTO: FLUGHAFEN ?? Die Aufnahme aus den 1930er Jahren zeigt den Hangar des Saarbrücke­r Flughafens im Stadtteil St. Arnual. Schaulusti­ge bestaunen die aufgereiht­en Maschinen. Probleme bereiteten dem Flughafen die geringe Größe, die Nähe zur Wohnbebauu­ng, Talwinde sowie das Saar-Hochwasser.
FOTO: FLUGHAFEN Die Aufnahme aus den 1930er Jahren zeigt den Hangar des Saarbrücke­r Flughafens im Stadtteil St. Arnual. Schaulusti­ge bestaunen die aufgereiht­en Maschinen. Probleme bereiteten dem Flughafen die geringe Größe, die Nähe zur Wohnbebauu­ng, Talwinde sowie das Saar-Hochwasser.

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