Zverev siegt auch gegen die Langeweile
Der deutsche Tennis-Profi steht bei den French Open in Paris in der dritten Runde – muss sich aber sportlich deutlich steigern.
(sid) Manchmal sehnt sich Alexander Zverev an diesen ungemütlichen Pariser Herbsttagen nach New York zurück. Die bittere Finalniederlage würde er natürlich am liebsten vergessen – doch die Freizeitgestaltung in der Blase bei den US Open, die hat dem Hamburger deutlich besser gefallen. Noch immer schwärmt Zverev vom Golfsimulator, den Basketballkörben, dem Entertainment-Bereich und den Food-Trucks – und in Paris? „Hier hat sich nichts verändert“, sagte der 23-Jährige, „außer dass weniger Zuschauer hier sind“.
Trotz des langweiligen Rahmenprogramms will die deutsche Nummer eins bei den French Open ein bisschen länger zwischen der Anlage am Bois de Boulogne und dem Hotel mit Blick auf den Eiffelturm pendeln. „Das ist eine Geschäftsreise für uns, wir sind hier nicht für Unterhaltung und Spaß“, sagte Zverev, sowieso gilt: „Wenn du gewinnst, hast du automatisch Spaß.“
Zwei Siege hat der Weltranglistensiebte schon in der Tasche, auch wenn der enge Fünfsatz-Erfolg in der zweiten Runde gegen den schlitzohrigen Franzosen Pierre-Hugues Herbert mühsam war. „Alex ist einfach ein Kampfschwein“, lobte Boris Becker den US-Open-Finalisten bei Eurosport, doch gleichzeitig mahnte die Tennis-Ikone: „Das kostet eine Menge Kraft, das ist so meine Sorge. Das ging in die Knochen.“
Zverev selbst macht sich darüber aber weniger Gedanken. „Ich bin ganz fit, um ehrlich zu sein“, sagte er – schließlich sind es genau solche Partien, für die er während der Corona-Pause hart geschuftet hat. „Du legst nicht 170 Kilo im Kreuzheben oder 150 Kilo bei Squats auf, um Dreisatz-Matches zu bestehen“, erzählte Zverev: „Du machst das für Fünfsatz-Matches, genau für Momente wie diesen.“
Und doch weiß der Hamburger auch, dass er sich spielerisch noch gehörig steigern muss. In der dritten Runde wartet am Freitagnachmittag Marco Cecchinato, ein ausgewiesener Sandplatz-Spezialist, der vor zwei Jahren schon im Halbfinale von Roland Garros stand. „Ich erwarte ein sehr schwieriges Match“, sagte Zverev: „Er war hier schon mal im Halbfinale und hat hier schon mal gegen Novak Djokovic gewonnen. Deswegen
weiß er, wie man hier spielt.“
Auch der Italiener Cecchinato wird sich Zverevs Krimi gegen Herbert angesehen haben – und schnell gemerkt haben, wie der Deutsche zu knacken ist. Mit vielen Netzangriffen und Stoppbällen hatte der Franzose Herbert „alles getan, um mich aus dem Rhythmus zu bringen“, sagte Zverev. Auch für Cecchinato wird dies der Schlüssel zum Erfolg sein, denn in Grundlinien-Duellen ist der Italiener Zverev klar unterlegen.
Immerhin zeigte der Sieg gegen Herbert aber auch, dass sich Zverev in engen Momenten auf seine neue Coolness verlassen kann. All seine sechs Matches über fünf Sätze in Paris gewann er, was auch Becker beeindruckte. „Das ist natürlich
eine unglaubliche Bilanz“, sagte der 52-Jährige: „Das weiß Zverev, aber das wissen auch seine Gegner, wenn sie gegen ihn in einen fünften Satz gehen.“Natürlich hätte Zverev aber auch nichts gegen einen kürzeren Arbeitstag gegen Cecchinato einzuwenden. Zumal er ja länger bleiben will – um vielleicht sogar um den Titel mitmischen zu können.