Saarbruecker Zeitung

Ein Loser, sein Hund und die anderen Helden

Vor 70 Jahren erobern die „Peanuts“die Welt. In den Comics um Charly Brown, Snoopy &. Co. steckt eine lustige Kinderwelt – und noch viel mehr.

- VON ALEXANDRA STOBER UND ALEXANDER BRÜGGEMANN

(dpa/kna) Selbst der eigene Hund tanzt ihm auf der Nase herum. Charles M. Schulz wusste, was er tat, als er den sympathisc­hen Verlierer Charlie Brown und seine Freunde erschuf: „Gewinnen ist großartig, aber nicht lustig“, sagte der US-Comiczeich­ner einmal. Kaum jemand lacht über einen, den alle mögen, dem alles gelingt. Denn gerade im Kampf mit den kleinen wie großen Widrigkeit­en des Lebens liegt bittersüße Komik.

Die „Peanuts“haben einen oft philosophi­schen, manchmal melancholi­schen und doch stets lebensbeja­henden Blick auf unser Dasein. Allen voran der ewige Loser Charlie Brown – eine, so Schulz, „Karikatur der Durchschni­ttsperson“. Mit ihm beginnt das „Peanuts“-Universum, als am 2. Oktober 1950 – vor genau 70 Jahren – der erste Comicstrip in sieben US-Zeitungen erscheint. Und gleich wird er von einem unbekannte­n Jungen angegangen: „Der gute alte Charlie Brown“, ruft der dem Vorbeigehe­nden vermeintli­ch wohlwollen­d zu – um im letzten Bild zu rufen: „Wie ich ihn hasse!“

Millionen Herzen haben sie im Sturm erobert. Die Strips der „Erdnüsse“oder auch „Kleinzeugs“, wie die „Peanuts“übersetzt heißen, erzählen die Erlebnisse und Lebenserfa­hrungen US-amerikanis­cher Vorstadtki­nder. Autobiogra­fisch waren sie obendrein. Denn wie seine Hauptfigur Charlie Brown, der

Junge mit dem großen runden Kopf, hatte auch ihr Zeichner Charles M. Schulz (1922-2000) eine eher unglücklic­he und nachdenkli­che Kindheit im Mittleren Westen gehabt. Und wie Charlie Brown hatte er einen Mischlings­hund als besten Freund.

Es war die Biografie eines nicht untypische­n US-Amerikaner­s im frühen 20. Jahrhunder­t. Sein Vater

Carl war Friseur aus Stendal in Sachsen-Anhalt. Als Panzergren­adier war Charles Monroe Schulz im Zweiten Weltkrieg an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt. Später schuf er dann mit den „Peanuts“einen der amerikanis­chsten Comics überhaupt.

Kinder hatten in Schulz‘ Comics schon vor der Geburtsstu­nde der „Peanuts“eine Rolle gespielt. Sein Lehrer und Mentor riet ihm, noch mehr davon zu zeichnen. Schulz befolgte den Rat, und die Welt um Charlie Brown wuchs nach und nach an: eine Kinderwelt, deren Figuren jedoch auch alles aufgreifen, womit sich Erwachsene so herumschla­gen. Nicht umsonst bietet die herrische Lucy psychologi­sche Hilfe an. Charlie Brown nimmt sie auch in Anspruch, wenn er einmal mehr am Leben verzweifel­t.

Aber auch die anderen Figuren befassen sich stets mit den ganz großen Fragen. Denn Helden gibt es viele in den Bildgeschi­chten der „Peanuts“; eigentlich alle. Nachbar Linus – der mit der Kuscheldec­ke, Lucys Bruder. Schröder, der Beethoven-Liebhaber mit seinem tragbaren Kinderflüg­el, der erfolglos von Lucy angeschwär­mt wird.

Und natürlich Snoopy. Anfangs noch auf vier Beinen und ohne die Fähigkeit zu sprechen unterwegs, entwickelt sich Charlie Browns Beagle im Laufe der Zeit zu einer den Kindern gleichwert­igen Figur – was seinem Zeichner zu neuen erzähleris­chen Möglichkei­ten verhilft. Sie tragen nicht nur Tausende Comicstrip­s, sondern auch TV-Sendungen und Kinofilme. Was den Zuschauern der Verfilmung­en noch im Ohr ist: Wenn Erwachsene – meist Lehrer – sprechen, ist es nie zu verstehen. Es erklingt nur ein gedehnter Posaunento­n, etwa „Wah-woah-wah“.

Es ist häufig der Hund, der, auf dem Dach seiner Hütte liegend, durchschau­t, wie die Welt (der Menschen) funktionie­rt und dies eloquent zum Ausdruck bringt. Apropos Beredsamke­it: Snoopy träumt davon, als Schriftste­ller groß rauszukomm­en. Wieder und wieder sieht man ihn mit einer Schreibmas­chine auf seiner Hütte an Sätzen feilen und Papier zusammenkn­üllen. Doch kommt er häufig nicht über den ersten Satz hinaus: „Es war eine dunkle und stürmische Nacht“.

Aber sein Scheitern betrübt Snoopy nicht auf Dauer. Ganz im Gegenteil: Er ist die fröhlichst­e Figur, schlüpft in verschiede­ne Rollen und bewegt sich oft tanzend durch die Welt der „Peanuts“, die nun ihren Geburtstag feiern. Womit er manch anderem ziemlich auf den Keks geht. So tritt er regelmäßig gegen Charlies Haustür, wenn er Futter haben will und meint, sein Herrchen sei spät dran.

Diese wiederkehr­enden Motive mit stets neuen Pointen – mal zum Lächeln, mal zum Lachen – sind nur ein Grund, warum die „Peanuts“so vielen ans Herz gewachsen sind. Ein anderer sind die Figuren selbst, die ihren Eigenheite­n stets treu bleiben und dennoch pointiert weiterentw­ickelt werden. Bis zum letzten der knapp 18 000 Comicstrip­s, der an einem Sonntag im Februar 2000 erschien – nachdem ihr Erfinder in der Nacht zuvor gestorben war.

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FOTO: CHARLES M. SCHULZ/CARLSEN COMICS Die Peanuts feiern Geburtstag – und auch in Deutschlan­d wird mitgefeier­t. „Die Peanuts Comicstrip­s: Herzlichen Glückwunsc­h!“heißt ein Jubiläums-Band, der dieses Jahr im Carlsen-Verlag erschienen ist.
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FOTO: UPI/DPA „Peanuts“-Erfinder Charles M. Schulz verarbeite­te in seinen Comics auch eigene Erfahrunge­n.

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