Ein Loser, sein Hund und die anderen Helden
Vor 70 Jahren erobern die „Peanuts“die Welt. In den Comics um Charly Brown, Snoopy &. Co. steckt eine lustige Kinderwelt – und noch viel mehr.
(dpa/kna) Selbst der eigene Hund tanzt ihm auf der Nase herum. Charles M. Schulz wusste, was er tat, als er den sympathischen Verlierer Charlie Brown und seine Freunde erschuf: „Gewinnen ist großartig, aber nicht lustig“, sagte der US-Comiczeichner einmal. Kaum jemand lacht über einen, den alle mögen, dem alles gelingt. Denn gerade im Kampf mit den kleinen wie großen Widrigkeiten des Lebens liegt bittersüße Komik.
Die „Peanuts“haben einen oft philosophischen, manchmal melancholischen und doch stets lebensbejahenden Blick auf unser Dasein. Allen voran der ewige Loser Charlie Brown – eine, so Schulz, „Karikatur der Durchschnittsperson“. Mit ihm beginnt das „Peanuts“-Universum, als am 2. Oktober 1950 – vor genau 70 Jahren – der erste Comicstrip in sieben US-Zeitungen erscheint. Und gleich wird er von einem unbekannten Jungen angegangen: „Der gute alte Charlie Brown“, ruft der dem Vorbeigehenden vermeintlich wohlwollend zu – um im letzten Bild zu rufen: „Wie ich ihn hasse!“
Millionen Herzen haben sie im Sturm erobert. Die Strips der „Erdnüsse“oder auch „Kleinzeugs“, wie die „Peanuts“übersetzt heißen, erzählen die Erlebnisse und Lebenserfahrungen US-amerikanischer Vorstadtkinder. Autobiografisch waren sie obendrein. Denn wie seine Hauptfigur Charlie Brown, der
Junge mit dem großen runden Kopf, hatte auch ihr Zeichner Charles M. Schulz (1922-2000) eine eher unglückliche und nachdenkliche Kindheit im Mittleren Westen gehabt. Und wie Charlie Brown hatte er einen Mischlingshund als besten Freund.
Es war die Biografie eines nicht untypischen US-Amerikaners im frühen 20. Jahrhundert. Sein Vater
Carl war Friseur aus Stendal in Sachsen-Anhalt. Als Panzergrenadier war Charles Monroe Schulz im Zweiten Weltkrieg an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt. Später schuf er dann mit den „Peanuts“einen der amerikanischsten Comics überhaupt.
Kinder hatten in Schulz‘ Comics schon vor der Geburtsstunde der „Peanuts“eine Rolle gespielt. Sein Lehrer und Mentor riet ihm, noch mehr davon zu zeichnen. Schulz befolgte den Rat, und die Welt um Charlie Brown wuchs nach und nach an: eine Kinderwelt, deren Figuren jedoch auch alles aufgreifen, womit sich Erwachsene so herumschlagen. Nicht umsonst bietet die herrische Lucy psychologische Hilfe an. Charlie Brown nimmt sie auch in Anspruch, wenn er einmal mehr am Leben verzweifelt.
Aber auch die anderen Figuren befassen sich stets mit den ganz großen Fragen. Denn Helden gibt es viele in den Bildgeschichten der „Peanuts“; eigentlich alle. Nachbar Linus – der mit der Kuscheldecke, Lucys Bruder. Schröder, der Beethoven-Liebhaber mit seinem tragbaren Kinderflügel, der erfolglos von Lucy angeschwärmt wird.
Und natürlich Snoopy. Anfangs noch auf vier Beinen und ohne die Fähigkeit zu sprechen unterwegs, entwickelt sich Charlie Browns Beagle im Laufe der Zeit zu einer den Kindern gleichwertigen Figur – was seinem Zeichner zu neuen erzählerischen Möglichkeiten verhilft. Sie tragen nicht nur Tausende Comicstrips, sondern auch TV-Sendungen und Kinofilme. Was den Zuschauern der Verfilmungen noch im Ohr ist: Wenn Erwachsene – meist Lehrer – sprechen, ist es nie zu verstehen. Es erklingt nur ein gedehnter Posaunenton, etwa „Wah-woah-wah“.
Es ist häufig der Hund, der, auf dem Dach seiner Hütte liegend, durchschaut, wie die Welt (der Menschen) funktioniert und dies eloquent zum Ausdruck bringt. Apropos Beredsamkeit: Snoopy träumt davon, als Schriftsteller groß rauszukommen. Wieder und wieder sieht man ihn mit einer Schreibmaschine auf seiner Hütte an Sätzen feilen und Papier zusammenknüllen. Doch kommt er häufig nicht über den ersten Satz hinaus: „Es war eine dunkle und stürmische Nacht“.
Aber sein Scheitern betrübt Snoopy nicht auf Dauer. Ganz im Gegenteil: Er ist die fröhlichste Figur, schlüpft in verschiedene Rollen und bewegt sich oft tanzend durch die Welt der „Peanuts“, die nun ihren Geburtstag feiern. Womit er manch anderem ziemlich auf den Keks geht. So tritt er regelmäßig gegen Charlies Haustür, wenn er Futter haben will und meint, sein Herrchen sei spät dran.
Diese wiederkehrenden Motive mit stets neuen Pointen – mal zum Lächeln, mal zum Lachen – sind nur ein Grund, warum die „Peanuts“so vielen ans Herz gewachsen sind. Ein anderer sind die Figuren selbst, die ihren Eigenheiten stets treu bleiben und dennoch pointiert weiterentwickelt werden. Bis zum letzten der knapp 18 000 Comicstrips, der an einem Sonntag im Februar 2000 erschien – nachdem ihr Erfinder in der Nacht zuvor gestorben war.