Nicht jede Versetzung im Beruf ist auch angemessen
Auch wenn der Arbeitsvertrag einen Wechsel des Arbeitsortes grundsätzlich vorsieht, kommt es im Einzelfall immer auf die Umstände an.
(dpa) Ob in eine andere Abteilung, in eine andere Stadt oder gar ins Ausland: Wenn der Arbeitgeber Beschäftigte versetzen will, sind die Betroffenen nicht immer begeistert. Zwar behalten sich Unternehmen oft in Arbeitsverträgen vor, dass ein Beschäftigter jederzeit versetzt werden kann. „In der Praxis heißt das aber nicht automatisch, dass Arbeitgeber nach Lust und Laune Versetzungen aussprechen können“, stellt Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gütersloh, klar. Im Einzelfall gilt es immer, die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und gegen die der Firma abzuwägen.
Einer Versetzung muss grundsätzlich auch der Betriebsrat, sofern in dem Unternehmen vorhanden, zustimmen“, erklärt Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabteilung beim DGB Rechtsschutz. Zustimmungspflichtig ist eine Versetzung dann, wenn sie länger als einen Monat dauert oder eine gravierende Änderung der Arbeitsumstände mit sich bringt. „Ohne Zustimmung
des Betriebsrats kann der Arbeitgeber nur dann einen Beschäftigten versetzen, wenn der Ortswechsel dringend erforderlich ist und der Arbeitgeber die Zustimmung beim Betriebsrat beantragt hat oder versucht, vom Gericht ersetzen zu lassen“, sagt Menssen.
Bei Versetzungen kommt es aber immer auch auf die konkreten Umstände an. Schipp, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, erklärt anhand eines Beispiels: Ein Unternehmen versetzt seine Beschäftigte von Berlin nach Leipzig. Auch wenn dies für den ein oder anderen ein harter Schlag ist, an den Versetzungen sei im konkreten Fall nicht zu rütteln. Die Beschäftigten konnten in Berlin nicht weiterarbeiten, weil der Arbeitgeber den dortigen Standort schließen wolle.
Menssen führt hingegen einen Fall an, den das Hessische Landesarbeitsgericht (Az: 13 SaGa 1934/10) 2011 verhandelt hat. Das Gericht hatte entschieden, dass die Versetzung einer Mutter nach London
trotz einer Versetzungsklausel in ihrem Vertrag unzulässig ist. Die Frau hatte mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, während ihrer Elternzeit 30 Stunden pro Woche zu arbeiten, davon zwei Tage je fünf Stunden im Büro nahe Darmstadt. Dieses Büro löste der Arbeitgeber auf und forderte die Frau auf, die zwei Büro-Tage in London zu arbeiten. „Unzumutbar“befand das
Gericht. Eine solche Versetzung widerspreche der Zielsetzung der Elternzeitvereinbarung.
„Eine Versetzung kann auch dann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber nicht das entsprechende Direktionsrecht hat“, sagt Schipp. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer künftig Tätigkeiten ausüben soll, die vertraglich nicht vereinbart sind oder die unter dem vom Arbeitsvertrag zugrunde gelegten Ausbildungsniveau liegen.
Enthält indes der Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, auf Weisung des Arbeitgebers in anderen Städten zu arbeiten, kommt er oft nicht daran vorbei, dem zu folgen. „Es gibt aber auch Fälle, bei denen eine Versetzung arbeitsrechtlich okay ist, betriebsverfassungsrechtlich aber nicht“, erklärt Schipp.
So sollten Mitarbeiter einer halbstaatlichen Spielbank für einen Tag lang auswärts ein Demonstrationsspiel vorführen. Der Betriebsrat der Spielbank sah in der Veranstaltung eine wesentliche Veränderung des Arbeitsumfelds der Mitarbeiter, der er nicht zustimmte. Damit mussten die Beschäftigten der Weisung ihres Arbeitgebers nicht folgen.
Was aber tun, wenn eine Versetzung statthaft, der Arbeitnehmer aber dagegen ist? „Erst einmal das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen“, rät Menssen. Womöglich hat der Arbeitgeber Umstände, die eine Belastung für den Beschäftigten bedeuten, nicht berücksichtigt. Hat der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats beantragt, kann der Beschäftigte seine Einwände auch dort vortragen.
Kommt es dennoch zur Versetzung, können Betroffene die Rechtmäßigkeit von einem Gericht überprüfen lassen. „Ein Gerichtsverfahren braucht erfahrungsgemäß allerdings mindestens ein halbes Jahr“, sagt Schipp. In dieser Zeit sollten Arbeitnehmer am versetzten Standort tätig werden, um ihren Job nicht zu verlieren.
Bei besonders unzumutbaren Versetzungsentscheidungen können Arbeitnehmer auch eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht gegen die vorgesehene Versetzung beantragen. „Ein solches Eilverfahren hat dann Aussichten auf Erfolg, wenn schwerwiegende Belastungen für den Arbeitnehmer drohen und sich die Versetzung deshalb als unzumutbar erweist“, erklärt Menssen. Arbeitnehmer sollten sich vor einem solchen Schritt von Fachleuten umfassend beraten lassen.