Leerstand macht Handel in Alt-Saarbrücken zu schaffen
Obwohl die Stadt viel in die Alt-Saarbrücker Eisenbahnstraße investiert hat, mehren sich dort verlassene Ladenlokale.
Die Eisenbahnstraße in Alt-Saarbrücken erscheint an vielen Stellen genauso grau wie das Wetter. Es mehren sich die Leerstände. In der Corona-Krise schlossen das Fitnessstudio und ein Konzeptgeschäft für Kinderkleider und Kaffee. Zudem stehen eine Bäckerei und weitere Geschäftsräume leer. Stadtsprecher Thomas Blug: „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen häufig die Anbieter in den Nebenlagen noch härter, als dies ohnehin schon der Fall ist.“
Dabei hat die Stadt für mehr Attraktivität viel in Straße und Viertel investiert. „Die Stadt Saarbrücken hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an Investitionen in die Infrastruktur der Eisenbahnstraße und ihr Umfeld getätigt. Das gesamte Erscheinungsbild der Straße inklusive der Gehwege wurde aufgewertet, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen“, sagt Blug. Er ergänzt: „Auch die besondere Architektur der Nachkriegsmoderne wurde gefördert. Auf diese Weise bleibt das besondere Gesicht der Eisenbahnstraße erhalten.“
Die Internetseite der Stadt zeichnet von der Eisenbahnstraße sowie vom Luisenviertel denn auch ein attraktives Bild. Sie zeigt die Straße als tief in Gesellschaft und Stadt verwurzelt. Zu sehen sind Bilder vom Traditionsmetzger, vom Eisdielenbesitzer und vom mit Alt-Saarbrücken verbundenen Musiker.
Blug dazu: „Unmittelbar nach den Sanierungsarbeiten in der Eisenbahnstraße wurde über eine Kooperation mit der Hochschule der Bildenden Künste die Kampagne ,Unverfälscht’ veröffentlicht, die im Stadtgebiet Aufmerksamkeit für die Eisenbahnstraße und die dortigen Geschäfte und Einrichtungen erzeugt hat.“Neben dieser Kampagne gab es Kulturveranstaltungen im Luisenviertel. Und das Projekt „Barock trifft Moderne“, von dem die Ludwigskirche und ihr Umfeld profitierten. „All diese Maßnahmen dienen zugleich der Steigerung der Kundenfrequenz“, sagt Blug.
Matthias Kollmann vom Kunstförderverein USUS und vom Garelly-Haus, dem Vereins- und Kulturtreff im Luisenviertel, nennt Gründe für die dennoch schwierige Lage der Eisenbahnstraße: „Unabhängig von den aktuellen Leerständen haben die damalige lange Baustelle und das Wegfallen der Parkplätze vor den Geschäften vielen Ladenbesitzern das Genick gebrochen.“Der ehrenamtliche Verein will das öffentliche Leben in leer stehenden Gebäuden und auf brachliegenden
Flächen in Saarbrücken mitgestalten und die städtische Wohn- und Lebensqualität fördern.
Kollmann sieht zwar, dass die Stadt vieles versucht, um die Eisenbahnstraße zu fördern. Aber er benennt deutlich die Probleme des Viertels. „Die Mieten sind extrem hoch. Und vielen Besitzern ist es egal, ob die Objekte leer stehen. Denn dann lassen sie diese einfach von der Steuer absetzen“, sagt Kollmann. Er ergänzt: „Solange die Eigentümer nicht mit den Preisen runtergehen, wird in der Straße wenig passieren.“
Kollmann hat ein zusätzliches Konzept entwickelt, um Geschäftsleuten, die sich in der Eisenbahnstraße und im Luisenviertel ansiedeln wollen, unter die Arme zu greifen. „Wir haben eine Zeitlang als Quartiersmanager den Unternehmen geholfen. Aber irgendwann konnten wir das nicht weitermachen. Uns fehlen dafür sowohl zeitlich als auch finanziell die Ressourcen. Ich mache das alles ehrenamtlich und neben meinem Vollzeitjob“, sagt Kollmann. Er beklagt die fehlende finanzielle Unterstützung für seinen Verein. „Wir als Ehrenamtliche verfügen nicht über die nötigen Mittel. Aber die Stadt hat die Möglichkeiten, etwas zu machen“, sagt der Vereinsvorsitzende.
Die Stadt versucht, wie sie versichert, durchaus eine Lösung für das Problem zu finden. „Aktuell werden sämtliche Anfragen und Anliegen der vor Ort ansässigen Akteure an die Landeshauptstadt in persönlichen Gesprächen erörtert mit dem Anspruch auf eine schnelle und unkomplizierte Lösung“, sagt Sprecher Blug. Und: „Im Zuge des Krisenstabs Wirtschaft hat die Landeshauptstadt Saarbrücken zur Unterstützung der Einzelhändler und Gastronomieanbieter ein Lieferportal eingerichtet und in den Online-Einkaufsführer integriert.“
Ebenso solle in diesem Jahr ein unabhängiges Marktforschungsinstitut in Köln beauftragt werden, Kunden zu ihrem Einkaufsverhalten und zur Attraktivität der Innenstadt zu befragen. „Hierbei erfragt die Landeshauptstadt auch explizit die Meinungen zu den einzelnen Einkaufsquartieren. Ziel dieses Beteiligungsverfahrens ist auf Grundlage der Umfrage, die im Rhythmus von zwei Jahren auch in Zukunft durchgeführt werden soll, die Angebote weiter zu verbessern und an die Wünsche der Saarbrücker und Gäste anzupassen“, sagt Blug.
Ralf Konrad aus der Geschäftsführung der gleichnamigen Metzgerei hätte sich eine solche Orientierung an Wünschen von Bürgern und Gewerbetreibenden schon beim Umbau der Straße gewünscht. Konrad findet, die dafür angekündigte Bürgerbeteiligung habe sich auf Randthemen beschränkt. Entscheidend für den Umbau seien die Bedingungen der EU zur Fördergeld-Vergabe gewesen. Wenn etwa eine der Vorgaben laute, die Rahmenbedingungen für Fußgänger zu verbessern, werde ein ohnehin extrem breiter Gehweg noch über die Arkaden hinaus verbreitert, der Radweg in die verbleibende Fahrspur gezwängt. Konrads Einwand, dass beim Umbau der Großteil der Parkplätze wegfalle, sei als theoretische Annahme abgeschmettert worden. Er höre dauernd von Kunden, die wesentlich mehr bei ihm kaufen würden, wenn sie einen Parkplatz fänden. Darüber habe er mehrmals vergeblich mit dem Stadtplanungsamt gesprochen. Für die Weltanschauungen der dortigen Idealisten müssten die Gewerbetreibenden den Preis zahlen. Hinzu komme der fehlende Branchenmix. Für die von ihm, Konrad, vor einigen Jahren ins Leben gerufene Aktion „Eisenbahnstraße – Eine Straße der Kulinarik“habe er weder von der Stadt noch von der Politik oder Hauseigentümern Hilfe bekommen.
Es gebe keinen Zusammenhalt unter den Gewerbetreibenden, sagt Konrad. Beispiel? Die von ihm organisierte Weihnachtsbeleuchtung. „Sie können sich nicht vorstellen wie schwer es ist, von den einzelnen Gewerbetreibenden Zusagen für eine Beteiligung zu erhalten. So geht es mit der Straße immer weiter bergab.“
„Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen häufig die Anbieter in den Nebenlagen noch härter, als dies ohnehin schon der Fall ist.“Thomas Blug Stadtsprecher