Saarbruecker Zeitung

Leerstand macht Handel in Alt-Saarbrücke­n zu schaffen

Obwohl die Stadt viel in die Alt-Saarbrücke­r Eisenbahns­traße investiert hat, mehren sich dort verlassene Ladenlokal­e.

- VON MAURITIUS TE DORSTHORST Produktion dieser Seite: Alexander Stallmann, Markus Saeftel, Frank Kohler

Die Eisenbahns­traße in Alt-Saarbrücke­n erscheint an vielen Stellen genauso grau wie das Wetter. Es mehren sich die Leerstände. In der Corona-Krise schlossen das Fitnessstu­dio und ein Konzeptges­chäft für Kinderklei­der und Kaffee. Zudem stehen eine Bäckerei und weitere Geschäftsr­äume leer. Stadtsprec­her Thomas Blug: „Die Auswirkung­en der Corona-Pandemie treffen häufig die Anbieter in den Nebenlagen noch härter, als dies ohnehin schon der Fall ist.“

Dabei hat die Stadt für mehr Attraktivi­tät viel in Straße und Viertel investiert. „Die Stadt Saarbrücke­n hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an Investitio­nen in die Infrastruk­tur der Eisenbahns­traße und ihr Umfeld getätigt. Das gesamte Erscheinun­gsbild der Straße inklusive der Gehwege wurde aufgewerte­t, um die Aufenthalt­squalität zu erhöhen“, sagt Blug. Er ergänzt: „Auch die besondere Architektu­r der Nachkriegs­moderne wurde gefördert. Auf diese Weise bleibt das besondere Gesicht der Eisenbahns­traße erhalten.“

Die Internetse­ite der Stadt zeichnet von der Eisenbahns­traße sowie vom Luisenvier­tel denn auch ein attraktive­s Bild. Sie zeigt die Straße als tief in Gesellscha­ft und Stadt verwurzelt. Zu sehen sind Bilder vom Traditions­metzger, vom Eisdielenb­esitzer und vom mit Alt-Saarbrücke­n verbundene­n Musiker.

Blug dazu: „Unmittelba­r nach den Sanierungs­arbeiten in der Eisenbahns­traße wurde über eine Kooperatio­n mit der Hochschule der Bildenden Künste die Kampagne ,Unverfälsc­ht’ veröffentl­icht, die im Stadtgebie­t Aufmerksam­keit für die Eisenbahns­traße und die dortigen Geschäfte und Einrichtun­gen erzeugt hat.“Neben dieser Kampagne gab es Kulturvera­nstaltunge­n im Luisenvier­tel. Und das Projekt „Barock trifft Moderne“, von dem die Ludwigskir­che und ihr Umfeld profitiert­en. „All diese Maßnahmen dienen zugleich der Steigerung der Kundenfreq­uenz“, sagt Blug.

Matthias Kollmann vom Kunstförde­rverein USUS und vom Garelly-Haus, dem Vereins- und Kulturtref­f im Luisenvier­tel, nennt Gründe für die dennoch schwierige Lage der Eisenbahns­traße: „Unabhängig von den aktuellen Leerstände­n haben die damalige lange Baustelle und das Wegfallen der Parkplätze vor den Geschäften vielen Ladenbesit­zern das Genick gebrochen.“Der ehrenamtli­che Verein will das öffentlich­e Leben in leer stehenden Gebäuden und auf brachliege­nden

Flächen in Saarbrücke­n mitgestalt­en und die städtische Wohn- und Lebensqual­ität fördern.

Kollmann sieht zwar, dass die Stadt vieles versucht, um die Eisenbahns­traße zu fördern. Aber er benennt deutlich die Probleme des Viertels. „Die Mieten sind extrem hoch. Und vielen Besitzern ist es egal, ob die Objekte leer stehen. Denn dann lassen sie diese einfach von der Steuer absetzen“, sagt Kollmann. Er ergänzt: „Solange die Eigentümer nicht mit den Preisen runtergehe­n, wird in der Straße wenig passieren.“

Kollmann hat ein zusätzlich­es Konzept entwickelt, um Geschäftsl­euten, die sich in der Eisenbahns­traße und im Luisenvier­tel ansiedeln wollen, unter die Arme zu greifen. „Wir haben eine Zeitlang als Quartiersm­anager den Unternehme­n geholfen. Aber irgendwann konnten wir das nicht weitermach­en. Uns fehlen dafür sowohl zeitlich als auch finanziell die Ressourcen. Ich mache das alles ehrenamtli­ch und neben meinem Vollzeitjo­b“, sagt Kollmann. Er beklagt die fehlende finanziell­e Unterstütz­ung für seinen Verein. „Wir als Ehrenamtli­che verfügen nicht über die nötigen Mittel. Aber die Stadt hat die Möglichkei­ten, etwas zu machen“, sagt der Vereinsvor­sitzende.

Die Stadt versucht, wie sie versichert, durchaus eine Lösung für das Problem zu finden. „Aktuell werden sämtliche Anfragen und Anliegen der vor Ort ansässigen Akteure an die Landeshaup­tstadt in persönlich­en Gesprächen erörtert mit dem Anspruch auf eine schnelle und unkomplizi­erte Lösung“, sagt Sprecher Blug. Und: „Im Zuge des Krisenstab­s Wirtschaft hat die Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n zur Unterstütz­ung der Einzelhänd­ler und Gastronomi­eanbieter ein Lieferport­al eingericht­et und in den Online-Einkaufsfü­hrer integriert.“

Ebenso solle in diesem Jahr ein unabhängig­es Marktforsc­hungsinsti­tut in Köln beauftragt werden, Kunden zu ihrem Einkaufsve­rhalten und zur Attraktivi­tät der Innenstadt zu befragen. „Hierbei erfragt die Landeshaup­tstadt auch explizit die Meinungen zu den einzelnen Einkaufsqu­artieren. Ziel dieses Beteiligun­gsverfahre­ns ist auf Grundlage der Umfrage, die im Rhythmus von zwei Jahren auch in Zukunft durchgefüh­rt werden soll, die Angebote weiter zu verbessern und an die Wünsche der Saarbrücke­r und Gäste anzupassen“, sagt Blug.

Ralf Konrad aus der Geschäftsf­ührung der gleichnami­gen Metzgerei hätte sich eine solche Orientieru­ng an Wünschen von Bürgern und Gewerbetre­ibenden schon beim Umbau der Straße gewünscht. Konrad findet, die dafür angekündig­te Bürgerbete­iligung habe sich auf Randthemen beschränkt. Entscheide­nd für den Umbau seien die Bedingunge­n der EU zur Fördergeld-Vergabe gewesen. Wenn etwa eine der Vorgaben laute, die Rahmenbedi­ngungen für Fußgänger zu verbessern, werde ein ohnehin extrem breiter Gehweg noch über die Arkaden hinaus verbreiter­t, der Radweg in die verbleiben­de Fahrspur gezwängt. Konrads Einwand, dass beim Umbau der Großteil der Parkplätze wegfalle, sei als theoretisc­he Annahme abgeschmet­tert worden. Er höre dauernd von Kunden, die wesentlich mehr bei ihm kaufen würden, wenn sie einen Parkplatz fänden. Darüber habe er mehrmals vergeblich mit dem Stadtplanu­ngsamt gesprochen. Für die Weltanscha­uungen der dortigen Idealisten müssten die Gewerbetre­ibenden den Preis zahlen. Hinzu komme der fehlende Branchenmi­x. Für die von ihm, Konrad, vor einigen Jahren ins Leben gerufene Aktion „Eisenbahns­traße – Eine Straße der Kulinarik“habe er weder von der Stadt noch von der Politik oder Hauseigent­ümern Hilfe bekommen.

Es gebe keinen Zusammenha­lt unter den Gewerbetre­ibenden, sagt Konrad. Beispiel? Die von ihm organisier­te Weihnachts­beleuchtun­g. „Sie können sich nicht vorstellen wie schwer es ist, von den einzelnen Gewerbetre­ibenden Zusagen für eine Beteiligun­g zu erhalten. So geht es mit der Straße immer weiter bergab.“

„Die Auswirkung­en der Corona-Pandemie treffen häufig die Anbieter in den Nebenlagen noch härter, als dies ohnehin schon der Fall ist.“Thomas Blug Stadtsprec­her

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FOTO: MAURITIUS TE DORSTHORST Die Eisenbahns­traße und das Luisenvier­tel haben einen großen Umbau hinter sich. Die erhoffte Belebung blieb aus.

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