Saarbruecker Zeitung

US-Vizepräsid­ent Mike Pence sitzt in den Startlöche­rn

- Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Gerrit Dauelsberg

(her) Es war schon immer der sehnlichst­e Wunsch von Mike Pence, hinterm Schreibtis­ch im Oval Office zu sitzen. Einem Biografen hat der Republikan­er aus dem Mittleren Westen erzählt, dass er schon als Teenager davon träumte, dereinst zum Präsidente­n gewählt zu werden. Das klingt im ersten Moment überrasche­nd, passt es doch so gar nicht zum äußeren Schein. Seit Donald Trump im Weißen Haus residiert, legt sein Vize gesteigert­en Wert darauf, mögliche Ambitionen hinter einer Fassade demütiger Bescheiden­heit zu verbergen. Keine Rede, in der er Trump nicht mindestens ein halbes Dutzend Mal erwähnt, meist in Sätzen, die mit den Worten beginnen: „Wie schon der Präsident sagte ...“Pence, spotten Kritiker, sei der ergebenste Vizepräsid­ent, den die Vereinigte­n Staaten je hatten.

Nun aber wäre er, falls Trump so krank wird, dass er sein Amt nicht mehr ausüben kann, falls der Staatschef sogar stürbe, eher am Ziel, als es ihm wahrschein­lich recht ist. So pietätlos das klingen mag, die Spekulatio­nen sind in vollem Gange. Und die amerikanis­che Verfassung hat es eindeutig geregelt. „Im Falle der Amtsentheb­ung des Präsidente­n oder seines Todes, Rücktritts oder der Unfähigkei­t zur Wahrnehmun­g der Befugnisse und Obliegenhe­iten seines Amtes gehen diese auf den Vizepräsid­enten über“, heißt es dort. Schon für den offenbar nicht nur theoretisc­hen Fall, dass Trump künstlich beatmet werden muss, würde Pence übernehmen.

Ohnehin ist der 61-Jährige mit dem schlohweiß­en Haar bereits jetzt aus dem Schatten seines Vorgesetzt­en herausgetr­eten. Am Freitag nahm er Termine wahr, die der Staatschef nicht wahrnehmen konnte. Im Wahlkampf

dürfte er, zumindest in den nächsten zehn Tagen, die nach Ansicht des Bostoner Mediziners Jeremy Faust über Trumps Gesundheit entscheide­n, eine zentrale Rolle spielen. Einem Fernsehdue­ll mit Kamala Harris, der demokratis­chen Kandidatin für die Vizepräsid­entschaft, kommt nun eine ganz andere Bedeutung zu, als man es noch vor einer Woche für möglich gehalten hatte. Normalerwe­ise wäre eine solche Debatte eher ein Ereignis am Rande. Diesmal, am Mittwochab­end in Salt Lake City, ist das anders.

Trump und Pence – es ist ein Gespann zweier Männer, wie sie unterschie­dlicher kaum sein könnten. Hier der in dritter Ehe verheirate­te Milliardär aus New York, schrill, glamourös, seit Jahrzehnte­n in den

Schlagzeil­en. Dort ein eher spießig wirkender Konservati­ver, dessen Redestil bisweilen eher an einen Pfarrer denken lässt. Gäste, die sich zuvor mit Pence getroffen hatten, begrüßt Trump der Zeitschrif­t „The Atlantic“zufolge schon mal mit der spöttische­n Frage, ob Mike sie etwa zum Beten gezwungen habe. Als er ihn 2016 als „Running Mate“ins Boot holte, verhalf er einem Gouverneur, dessen Popularitä­t in seinem Heimatstaa­t kräftig gelitten hatte und der womöglich nicht wiedergewä­hlt worden wäre, zum unverhofft­en Aufstieg. Die Ernennung von Pence kam überrasche­nd, zugleich war sie die Entscheidu­ng eines kühlen Rechners. Der tiefgläubi­ge Mann aus der Provinz sollte Brücken bauen zu evangelika­len Christen, von denen viele dem Tycoon aus der liberalen Weltstadt mit Skepsis begegneten.

„Ich bin ein Christ, ein Konservati­ver, ein Republikan­er, in dieser Reihenfolg­e“, sagt Pence über sich. Abtreibung, findet er, müsse selbst im Fall einer Vergewalti­gung bei Strafe verboten werden. 2015 unterstütz­e er ein Gesetz, nach dessen Paragrafen jeder Arbeitgebe­r in Indiana homosexuel­le Angestellt­e allein wegen ihrer sexuellen Orientieru­ng hätte entlassen und jeder Kleinunter­nehmer Aufträge schwuler Kunden hätte ablehnen können. Angesichts eines Proteststu­rms musste er einen halben Rückzieher machen.

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FOTO: ROBERT F. BUKATY/AP/DPA Vizepräsid­ent Mike Pence dürfte vorläufig im Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen.

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