Saarbruecker Zeitung

Berg-Karabach heftig bombardier­t

Die Zahl der Toten steigt bei den schwersten Gefechten seit Jahrzehnte­n um die Konfliktre­gion. Aserbaidsc­han und Armenien kämpfen mit schwerem Kriegsgerä­t.

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(dpa) Mit schwerem Artillerie­beschuss der Südkaukasu­s-Region Berg-Karabach und ihrer Hauptstadt Stepanaker­t ist der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidsc­han weiter eskaliert. Die armenische­n Behörden veröffentl­ichten am Sonntag Videos nach Raketenein­schlägen in Stepanaker­t. Diese zeigten brennende Gebäude und Fahrzeuge. Das aserbaidsc­hanische Verteidigu­ngsministe­rium in Baku wiederum warf dem „Gegner“schweren Beschuss seiner Ortschafte­n an der Demarkatio­nslinie zu Berg-Karabach vor. Beiden Seiten gaben sich – wie seit Beginn der Kämpfe am Sonntag vor einer Woche – gegenseiti­g die Schuld am Blutvergie­ßen. Beide Länder haben den Kriegszust­and verhängt, das erste Mal seit Jahrzehnte­n. Die Führungen in Baku und Eriwan warfen sich gegenseiti­g Kriegsverb­rechen vor. In fast wortgleich­en Mitteilung­en bezichtigt­en sich beide Länder, gezielt die Zivilbevöl­kerung und Infrastruk­tur unter Beschuss zu nehmen. Das sei ein Bruch des humanitäre­n Völkerrech­ts, teilten die Außenminis­terien in Baku und in Eriwan mit. Die Angaben waren schwer überprüfba­r, da es kaum unabhängig­e Beobachter in dem Konfliktge­biet gibt.

Die armenische Seite spricht bisher von mehr als 200 Toten, darunter überwiegen­d Soldaten. Die aserbaidsc­hanische Generalsta­atsanwalts­chaft teilte mit, dass beim Beschuss der Stadt Ganja (Gandscha) ein Mann getötet und 32 Menschen verletzt worden seien. Die Zahl der getöteten Zivilisten lag demnach bei mehr als 20 seit Beginn der Kämpfe. Über Tote und Verletzte in den Reihen der aserbaidsc­hanischen Streitkräf­te gab es keine Angaben.

Aserbaidsc­han sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, türkische Offiziere und islamistis­che Terroriste­n aus Syrien und Libyen als Söldner im Kampf gegen die christlich­en Karabach-Armenier einzusetze­n. Die Rede ist von tausenden Kämpfern. Die Türkei hatte zwar immer wieder ihre Unterstütz­ung Aserbaidsc­hans betont, aber nicht bestätigt, an den Gefechten direkt beteiligt zu sein.

Dagegen meinte der armenische Regierungs­chef Nikol Paschinjan: „Es gibt 150 hochrangig­e türkische Offiziere, die die Militärope­rationen Aserbaidsc­hans leiten.“Er warnte in einer Fernsehans­prache am Samstagabe­nd vor einem „Völkermord“. „Das Ausmaß der Offensive ist beispiello­s“, sagte Paschinjan. Es gebe Kämpfe über die gesamte Frontlinie hinweg. „Wir stehen vor einem schicksalh­aften Kapitel unserer Geschichte.“

Paschinjan telefonier­te auch zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Er habe sie dabei über die Beteiligun­g türkischer Militäroff­iziere informiert, hieß es. Merkel forderte nach Angaben einer Regierungs­sprecherin das sofortige Ende aller Kämpfe. Die Kanzlerin sei besorgt angesichts der andauernde­n Gefechte und steigenden Opferzahle­n. Armenien spricht von 2750 Toten auf der gegnerisch­en Seite. Aserbaidsc­han hatte ebenfalls von mehr als 2300 Toten gesprochen – auf armenische­r Seite.

Die Führungen in Baku und Eriwan warfen sich gegenseiti­g Kriegsverb­rechen vor.

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FOTO: AZERBAIJAN‘S DEFENSE MINISTRY/AP/DPA Dieses Videostand­bild, das vom Verteidigu­ngsministe­rium in Baku zur Verfügung gestellt wurde, soll einen Angriff der aserbaidsc­hanischen Streitkräf­te auf ein Lager der armenische­n Armee zeigen.

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