Heil will Anspruch auf Heimarbeit
Der Bundesarbeitsminister plant ein Recht auf 24 Tage Homeoffice. Arbeitnehmervertretern und Grünen geht das nicht weit genug.
(dpa) Einen Rechtsanspruch auf 24 Tage Homeoffice im Jahr sollen Arbeitnehmer nach dem Willen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) künftig haben – sofern keine nachvollziehbaren Gründe dagegen sprechen. Das angekündigte „Mobile Arbeit Gesetz“sieht vor, dass ein Arbeitgeber den Wunsch nach mobiler Arbeit nur dann ablehnen darf, wenn es dafür organisatorische oder betriebliche Gründe gibt, wie die Bild am Sonntag (Bams) berichtete.
„Dort, wo es möglich ist, sollen alle Angestellten einen gesetzlichen Anspruch von mindestens 24 Tagen pro Jahr für mobile Arbeit bekommen“, sagte Heil der Zeitung. „Wenn beide Eltern einen Beruf haben, in dem mobiles Arbeiten machbar ist, kann nach meinem Vorschlag jede Woche abwechselnd ein Elternteil einen Tag von zu Hause arbeiten. Das erleichtert das Familienleben enorm.“Er begründete seinen Vorstoß auch mit den Erfahrungen der Corona-Zeit. „Das Virus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist, als wir dachten.“Mobiles Arbeiten gehöre fest zur modernen Arbeitswelt – deshalb „braucht es dafür auch ein Gesetz“.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält die Pläne für unzureichend. „Der geplante Rechtsanspruch von lediglich bis zu 24 Tagen ist eindeutig zu wenig. Das bedeutet gerade einmal einen Anspruch von einem Tag mobiler Arbeit alle zwei Wochen“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Dem Bedürfnis vieler Beschäftigter werde das kaum gerecht. Ähnlich reagierten die Grünen. „Die Beschäftigten wollen verlässliche Regelungen“, sagte Arbeitsmarktpolitik-Expertin Beate Müller-Gemmeke. „Es muss klar sein, dass sie ein oder zwei Tage in der Woche von zu Hause arbeiten können, und zwar regelmäßig, damit sich alle verbindlich darauf einstellen können.“
Kritik kam auch aus der Wirtschaft. Wo es möglich ist, böten die Arbeitgeber schon heute die Möglichkeit an, von zu Hause zu arbeiten, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. „24 Tage Homeoffice – rechtlich verbrieft – gehen an dieser Realität vorbei und sind völlig aus der Luft gegriffen. Weder orientiert sich das an den Möglichkeiten der Unternehmen noch an den Bedürfnissen der Beschäftigten.“
Mittelstandspräsident Mario Ohoven sagte, Homeoffice habe sich in der Krise zwar bewährt. „Aber in der Zeit danach darf die Erholung der Wirtschaft nicht durch steigende Arbeitskosten und zusätzliche Bürokratie gefährdet werden. Deshalb sagen wir Nein zu einem generellen Recht auf Homeoffice.“Nötig sei vielmehr eine freiwillige Übereinkunft.
FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel kritisierte, dass Heil das Arbeitszeitgesetz offensichtlich überhaupt nicht anfassen wolle. „Gerade dieses Gesetz ist aber völlig aus der Zeit gefallen. Wir bräuchten jetzt dringend mehr Freiheit, wo und wann man arbeitet“, sagte Vogel.
Auch der Koalitionspartner äußerte Bedenken. „In vielen Berufen ist ein Arbeiten von zu Hause aber schon rein faktisch nicht möglich“, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß (CDU). „Deshalb kann es einen echten allgemeinen Rechtsanspruch auf Homeoffice nicht geben, weil sonst die Arbeitnehmerschaft in zwei Klassen aufgeteilt würde.“Bereits im Mai hatte sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dagegen gewandt, einen Rechtsanspruch auf Homeoffice festzulegen: „Wir brauchen vor allem weniger Bürokratie, nicht immer neue staatliche Garantien.“
Heil möchte die 24 Tage als Untergrenze verstanden wissen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber könnten sich darüber hinaus individuell in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen auf mehr Heimarbeit verständigen. „Alle Beschäftigten bekommen das Recht, mit ihrem Chef über mobiles Arbeiten zu verhandeln“, sagte Heil. „Natürlich kann ein Bäcker nicht von zu Hause aus Brötchen backen.“
Für Arbeitgeber sei es damit aber nicht mehr möglich, mobiles Arbeiten aus Prinzip abzulehnen. „Chef und Mitarbeiter werden in Zukunft darüber auf Augenhöhe verhandeln“, sagte Heil. Darüber hinaus schreibe das Gesetz vor, dass die Arbeitszeit im Homeoffice digital dokumentiert werden müsse. „Arbeit von zu Hause darf nicht dazu führen, dass einen die Arbeit gar nicht mehr loslässt. Auch im Homeoffice muss irgendwann Feierabend sein.“
Auch die gesetzliche Unfallversicherung soll weiter greifen: „Die gesetzliche Unfallversicherung umfasst den Weg zur Arbeit. Auch beim mobilen Arbeiten soll zum Beispiel der Weg zur Kita oder Schule und von dort zurück ins Homeoffice versichert sein“, sagte Heil.
Laut einer Studie, die der Bams zufolge das Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegeben hat, haben im Juli und August 36 Prozent der abhängig Beschäftigten im Homeoffice gearbeitet – das entspricht einer Gesamtzahl von rund 14,6 Millionen Arbeitnehmern. Im Vorjahreszeitraum lag der Anteil bei 24 Prozent. Die Zunahme bei der Homeoffice-Nutzung hat nach Einschätzung der AOK mit dazu beigetragen, dass sich während der Pandemie deutlich weniger Arbeitnehmer krank gemeldet haben. Dadurch sinke das Ansteckungsrisiko auf dem Arbeitsweg und im Büro. Martin Litsch, Chef des AOK-Bundesverbands, warnte aber, dass Heimarbeit die Tendenz fördere, trotz Erkrankung zu arbeiten.
„Der geplante Rechtsanspruch von lediglich bis zu 24 Tagen ist eindeutig zu wenig.“Reiner Hoffmann DGB-Chef