Grippe-Impfung jetzt in Apotheken möglich
In Nunkirchen startete am Dienstag ein bislang einmaliges Pilotprojekt in Deutschland. Der Hausärzteverband übt heftige Kritik.
Die AOK bietet Versicherten seit Dienstag Grippeschutzimpfungen in Saar-Apotheken an. Der Auftakt fand in Wadern statt, wo deutschlandweit erstmals eine Pharmazeutin eine solche Impfung durchführte. Der Hausärzteverband kritisiert das.
Sie hat es gut überstanden. Alrun Guth. Vor wenigen Minuten hat sie sich als erste Patientin von einer Apothekerin gegen Grippe impfen lassen. Deutschlandweit. Hier in der Sebastianus-Apotheke in Nunkirchen. Ein Novum. „Es war sehr angenehm. Ich habe gar nichts gespürt“, resümiert die glückliche Patientin, die „gestern gefragt wurde, ob ich das machen möchte“. Ihre Antwort ist bekannt.
Ein paar Meter weiter steht Kerstin Esch, die heute vielleicht noch mehr im Mittelpunkt steht als Guth. Denn sie war es ja, die vor wenigen Minuten als erste Apothekerin die so genannte Grippeschutzimpfung vorgenommen hat. Dass es ihr gelang, sieht man auch ihr an. Ja, beide Protagonisten sind glücklich. Und erleichtert.
Seit Dienstag können sich AOK-Versicherte ab 18 Jahre im Saarland gegen Grippe impfen lassen. Egal, aus welchem Bundesland der oder die Versicherte kommt. Grundlage ist das seit März in Kraft getretene Masernschutzgesetz, das unter anderen auch die Grippeimpfungen in Apotheken deutschlandweit erlaubt – die bis dato aber nur im Saarland für AOK-Versicherte möglich ist. Ein Umstand, den Jutta Bartmann, Geschäftsführerin der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, stolz mache, wie sie sagt. „Das Pilotprojekt ist für drei Jahre geplant“, sagt Bartmann mit einem Lächeln. Bis zum 30. September 2023 also.
Insgesamt werden etwa 40 Apotheken im Saarland teilnehmen. Darunter die Pluspunkt-Apotheke in Saarbrücken. Und die Schloss-Apotheke in Homburg. „Wir wollen dazu beitragen, dass mehr Menschen in Deutschland gegen Grippe geimpft werden,“sagt Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins (SAV). Koch verweist auch auf die fachliche Kompetenz der Apotheker, die sie sich in einem neunstündigen Seminar angeeignet hätten oder noch aneignen würden. Verteilt auf drei Stunden Theorie und sechs Stunden Praxis. „Außerdem wird auf alle Qualitätsstandards geachtet – vom separaten Raum bis zum Aufklärungsgespräch“, sagt sie. Des Weiteren, so Koch, „bringen die Apotheker ja bereits mit dem Pharamziestudium eine heilberufliche Ausbildung mit.“Vor diesem Hintergrund sei ein vorausgehender Besuch beim Hausarzt oder ein Rezept nicht erforderlich.
Eine Ansicht, die der Saarländische Hausärzteverband nicht vertritt. Im Gegenteil. „Impfen ist eine komplexe ärztliche Leistung“, argumentiert der Verband. So könnten nur Ärzte feststellen, ob eine „Impfnotwendigkeit“bestehe. Außerdem müsse das Impfen „vorschriftsmäßig“vorgenommen werden – was nur ein Arzt gewährleisten könne. Dasselbe gelte für Komplikationen oder Schäden, die in Folge der Impfung auftreten könnten und ärztlich behandeln werden müssten. Deshalb lehnt der Saar-Hausärzteverband
eine Grippeschutzimpfung durch Pharmazeuten ab. Daran ändere auch eine Fortbildung nichts, die sowieso deutlich zu kurz sei.
Koch vom SAV stellt klar, dass jedoch nicht alle Patienten zum Hausarzt gehen wollten. Etwa deshalb, weil man „nicht in einem überfüllten Wartezimmer sitzen möchte“. Patienten, die sich in der Apotheke impfen ließen, müssten mit keiner Wartezeit rechnen. „Ziel ist es, auch Menschen zu erreichen, die nicht zum Arzt gehen wollen oder können“, erklärt Koch. Bartmann von der AOK verweist außerdem auf die Länder, in denen Pharmazeuten bereits impfen dürften. Darunter etwa Frankreich und die Schweiz. „Dort sind ja durchaus gute Erfahrungen gemacht worden“, resümiert sie.
Das sieht auch Elsch so. Die erste Apothekerin, die eine Grippeschutzimpfung in Deutschland durchführte. „Das Angebot ist sinnvoll – auch wegen Corona“, sagt sie. In diese Kerbe schlägt auch Alrun Guth. Die erste Patientin. Ja, sie habe „sich so sicher gefühlt wie bei ihrem Hausarzt“.