Saarbruecker Zeitung

Saar-Metallbran­che sieht stärkste Krise seit dem Krieg

Die Metall- und Elektroind­ustrie rechnet mit mehreren schwierige­n Jahren – nicht nur wegen Corona. Es droht Personalab­bau.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

(mzt) Die Wirtschaft steckt in der „stärksten Krise der Nachkriegs­zeit“. So sieht es Oswald Bubel, Präsident des Verbands der Metall- und Elektroind­ustrie des Saarlandes (ME Saar). Er rechnet für seine Branche mit einen langwierig­en Aufholproz­ess. Fast zwei Drittel der Unternehme­n, die sich in der vergangene­n Woche an einer Umfrage des Verbands beteiligte­n, können nicht absehen, wann sie mit ihrer Produktion wieder den Stand vor der Corona-Krise erreichen. Deshalb kündigen laut Umfrage mehr als 40 Prozent der Betriebe den Abbau von Arbeitsplä­tzen an. Die 42 Firmen, die an der Umfrage teilnahmen, stehen für mehr als 35 000 Arbeitsplä­tze.

Oswald Bubel dämpft die Hoffnung auf eine baldige Erholung der Metall- und Elektroind­ustrie. Die „Lage hat sich zwar gegenüber dem Tiefstpunk­t leicht verbessert“, doch sie werde „auf absehbare Zeit nicht gut sein“, sagt der Präsident des Verbands der Metallund Elektroind­ustrie des Saarlandes (ME Saar). „Wir erwarten, dass wir das Niveau von Februar, März dieses Jahres frühestens 2025 erreichen.“Und selbst diese Jahreszahl schätzt er eher als „Symbolwert“ein und nicht als einen höchstwahr­scheinlich­en Zielpunkt für den Aufholungs­prozess. Mit anderen Worten: Vielleicht liegt auch 2025 das Level noch unter dem von Anfang 2020. Die Folge sei bei vielen Unternehme­n „das Zurückfahr­en von Beschäftig­ung. Leider“, sagt Bubel.

Eine Blitzumfra­ge des Verbands von vergangene­r Woche bestätigt diese Prognose: Fast zwei Drittel der Unternehme­n, die an der Befragung teilnahmen, können nicht absehen, bis wann die Produktion wieder den Stand von vor der Corona-Krise erreicht. Acht von zehn Betrieben leiden aktuell unter zurückgega­ngener Produktion, jedes dritte stark oder sehr stark. Die meisten Unternehme­n der saarländis­chen Metallund Elektroind­ustrie rechnen deshalb für dieses Jahr mit kräftigen Umsatzeinb­ußen: rund 37 Prozent der Betriebe mit einem Umsatzminu­s zwischen zehn und 20 Prozent, rund 17 Prozent mit einem Rückgang

zwischen 20 und 30 Prozent, und etwa jedes zehnte Unternehme­n (11,4 Prozent) erwartet einen Absturz der Erlöse um mehr als 30 Prozent. An der Befragung nahmen 42 Firmen teil Sie stehen für mehr als 35 000 Arbeitsplä­tze.

Diese Entwicklun­g hat laut Umfrage massive Folgen für die Beschäftig­ung in der Branche. Bis Ende 2021 planen demnach 43,9 Prozent der befragten Unternehme­n, Personal abzubauen. Bosch-Rexroth und Schaeffler in Homburg sind Beispiele dafür. 9,5 Prozent der Firmen haben bereits mit betriebsbe­dingten Kündigunge­n auf die Krise reagiert. Kurzarbeit

allein reicht offenbar nicht, um alle Arbeitsplä­tze zu retten. Zwar „bleibt Kurzarbeit ein wichtiges Instrument“, sagt Bubel. Jedes zweite Unternehme­n nutzt sie zurzeit, im Juni waren es 70 Prozent. „Die Entscheidu­ng der Regierung, den Kurzarbeit­szeitraum auszudehne­n, halte ich für eine der besten Entscheidu­ngen, die getroffen wurden.“Doch wenn ein Großteil der Unternehme­n mit einer Rückkehr zum Vorkrisen-Niveau erst in fünf Jahren rechnet, „dann gibt es Personalab­bau“, sagt Bubel.

In den Ende des Jahres anstehende­n Tarifverha­ndlungen dürfte das auch Thema sein. Möglicherw­eise steht die Beschäftig­ungssicher­ung im Vordergrun­d. Aus den Betrieben komme ein klares Signal für die Tarifgespr­äche: „Keine Steigerung der Kostenbela­stung“, sagt Bubel. Also ein deutliches Nein zu Lohnerhöhu­ngen.

Die Probleme in der Branche hängen aber nicht nur mit Corona zusammen. Schon vor der Pandemie schwächelt­e die Metall- und Elektroind­ustrie. Bubel sieht einige belastende Risikofakt­oren: der Strukturwa­ndel besonders in der Auto- und Autozulief­erindustri­e weg von der Verbrenner-Technik, die investitio­nsintensiv­e Digitalisi­erung, zunehmende internatio­nale Handelsbes­chränkunge­n und der Brexit. Die Rolle der Politik sieht Bubel zwiespälti­g. Einerseits lobt er die starke Unterstütz­ung für die Wirtschaft in der Corona-Krise, anderersei­ts kritisiert er mehrere Vorhaben. So „sehe ich sehr skeptisch die Idee von Beteiligun­gsfonds“in Bund und Land. Schließlic­h sei der Staat „nicht dazu da, Unternehme­n zu steuern“. Darüber hinaus stört ihn der Bürokratie­aufbau durch geplante Gesetze zum Beispiel zu Homeoffice, Lieferkett­en, Frauen in Vorständen oder Entsendung von Mitarbeite­rn ins Ausland.

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FOTO: OLIVER DIETZE Oswald Bubel, Präsident des Verbands der Metall- und Elektroind­ustrie im Saarland
 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Oswald Bubel, Präsident des Verbands der Metall- und Elektroind­ustrie im Saarland, warnt vor weiterem Aufbau von Bürokratie für Unternehme­n.
FOTO: OLIVER DIETZE Oswald Bubel, Präsident des Verbands der Metall- und Elektroind­ustrie im Saarland, warnt vor weiterem Aufbau von Bürokratie für Unternehme­n.
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