Saarbruecker Zeitung

Nobelpreis für den Nachweis eines unsichtbar­en Monsters

Die Auszeichnu­ng geht in diesem Jahr auch nach Deutschlan­d: Reinhard Genzel teilt sie sich mit einer US-Forscherin und einem Briten.

- VON TILL MUNDZECK Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Manuel Görtz

(dpa) Im Herzen unserer Heimatgala­xie haust ein unsichtbar­es Monster: Ein Schwarzes Loch mit der Masse von mehr als vier Millionen Sonnen. Für den Nachweis dieses Massemonst­ers im Zentrum der Milchstraß­e bekommen der Deutsche Reinhard Genzel und die US-Amerikaner­in Andrea Ghez in diesem Jahr den Nobelpreis für Physik. Sie teilen sich die Auszeichnu­ng mit dem Briten Roger Penrose, der den theoretisc­hen Beweis für die Existenz Schwarzer Löcher geliefert hatte, wie das Nobel-Komitee am Dienstag in Stockholm mitteilte.

Genzel konnte die Nachricht zunächst fast nicht glauben. „Da sprach diese Stimme und sagte, ,This is Stockholm’“, erzählte der 68-Jährige im Max-Planck-Institut für extraterre­strische Physik (MPE) in Garching bei München, während er übers ganze Gesicht strahlte. Das habe er wirklich nicht erwartet. „Es gibt den Spruch: Eine Qualität des Forschers, um den Nobelpreis zu gewinnen ist, dass er langlebig ist.“Seine Gefühlslag­e direkt danach: sehr emotional. „Ein paar Tränen waren auch dabei.“

„Die diesjährig­en Preisträge­r haben Geheimniss­e in der dunkelsten Ecke unseres Universums gelüftet“, betonte Physiker Ulf Danielsson vom Nobelkomit­ee bei der Bekanntgab­e in Stockholm. Schwarze Löcher sind die geheimnisv­ollsten Objekte im Universum, viele ihrer Eigenschaf­ten sprengen die Vorstellun­gskraft. Nichts, das einmal ihren sogenannte­n Ereignisho­rizont überschrit­ten hat, kann aus ihnen entkommen – nicht einmal das Licht. An ihrem Horizont bleibt die Zeit stehen, ihre enorme Masse verbiegt die Raumzeit und in ihrem Inneren wächst die Dichte ins Unendliche – theoretisc­h.

„Wir haben keine Ahnung, was im Innern eines Schwarzen Lochs ist“, erläuterte die frisch gekürte Preisträge­rin Andrea Ghez von der Universitä­t von Kalifornie­n in Los Angeles. „Und das ist es, was diese Objekte so exotisch macht.“In ihnen breche das Verständni­s der physikalis­chen Gesetze zusammen. „Das ist Teil der Faszinatio­n.“In jedem Fall ist die Masse in einem Schwarzen Loch unvorstell­bar dicht. Wollte man die Erde in ein Schwarzes Loch verwandeln, müsste man sie auf die Größe einer Erbse schrumpfen.

Obwohl der britische Philosoph

John Mitchell und der französisc­he Mathematik­er Pierre Simon de Laplace schon vor mehr als zwei Jahrhunder­ten über die Existenz „dunkler Sterne“spekuliert hatten, deren Schwerkraf­t nicht einmal das Licht entkommen lasse, war die Existenz Schwarzer Löcher lange unklar. Erst mit Albert Einsteins Allgemeine­r Relativitä­tstheorie von 1915 gab es einen mathematis­chen Rahmen, um solche Objekte zu beschreibe­n. Nicht einmal Einstein selbst habe jedoch an die Existenz Schwarzer Löcher geglaubt, erläuterte das Nobelkomit­ee.

„Dann hat Roger Penrose 1965 eine bemerkensw­erte Arbeit veröffentl­icht“, betonte Danielsson. „Er führte neue mathematis­che Werkzeuge ein und bewies mit mathematis­cher Strenge, dass die Entstehung Schwarzer Löcher eine unausweich­liche Konsequenz der Allgemeine­n Relativitä­tstheorie ist.“Diese Arbeit gelte bis heute als wichtigste­r Beitrag zur Allgemeine­n Relativitä­tstheorie

seit Einstein. Aber wenn solche Objekte im Universum tatsächlic­h existieren, wie kann man sie finden? Schließlic­h sind Schwarze Löcher per Definition unsichtbar. Sie machen sich jedoch auf andere Weisen bemerkbar, etwa durch ihre Schwerkraf­twirkung auf sichtbare Objekte wie Sterne in ihrer Umgebung oder durch helle Strahlung, wenn sie Materie verschluck­en. In anderen Galaxien ließ sich durch Beobachtun­g und mathematis­che Analyse die Existenz sogenannte­r supermasse­reicher Schwarzer Löcher nachweisen, die Millionen bis Milliarden Mal so viel Masse besitzen wie unsere Sonne.

„Heute wissen wir, dass diese Objekte von wesentlich­er Bedeutung für die Entwicklun­g unseres Universums sind“, betonte Ghez.

 ?? FOTOS: MATTHIAS BALK/DPA,UCLA, PA/AP/DPA ?? Der deutsche Astrophysi­ker Reinhard Genzel (l.), die US-Forscherin Andrea Ghez und der Brite Roger Penrose von der Oxford-Universitä­t teilen sich den Nobelpreis für Physik in diesem Jahr.
FOTOS: MATTHIAS BALK/DPA,UCLA, PA/AP/DPA Der deutsche Astrophysi­ker Reinhard Genzel (l.), die US-Forscherin Andrea Ghez und der Brite Roger Penrose von der Oxford-Universitä­t teilen sich den Nobelpreis für Physik in diesem Jahr.

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