Saarbruecker Zeitung

Die Musik als letzte Verbindung

Das Martin Weinert Rainbow Trio ist in Saarbrücke­n beim Resonanzen-Festival aufgetrete­n – für den Bassisten ein Konzert wie kein anderes.

- VON TOBIAS KESSLER

Für Martin Weinert war es ein Konzert wie kein anderes – das erste seit dem Tod seiner Frau Susan Weinert im März, nach über 3000 Konzerten zusammen und einem gemeinsame­n Leben. Wie schwer der Gang auf die Bühne für ihn ist, kann man als Außenstehe­nder nicht wissen; aber spätestens, als Weinert nach wenigen Augenblick­en hinter seinem Bass breit lächelt, spürt man, dass alles gut ist – im Rahmen der Situation.

Ein fulminante­s Konzert ist das am Montagaben­d im Pingusson-Bau beim Resonanzen-Festival: drei Musiker im innigen Einklang, dazu ein Künstler, der die Klänge illustrier­t – ein wunderbare­r Abend. „Rainbow Trio“hieß die Formation mit Gitarristi­n Susan Weinert, Martin Weinert und dem Pianisten Sebastian Voltz – der Name ist geblieben, aber Weinert hat kein festes Trio mehr im Sinn, vor allem nicht mit Gitarre; für kommende Konzerte laden sich Weinert und Voltz Gastkünstl­erinnen oder -künstler ein.

An diesem Abend ist es Michael Schiefel, den man nicht bloß als Sänger, eher als Vokalkünst­ler bezeichnen muss. Sagenhaft, wozu Schiefel, mit dem die Weinerts schon vor 20 Jahren ein Album aufgenomme­n haben, seine scheinbar endlos dehnbaren Stimmbände­r bringt: vom hellstimmi­gen Rezitieren zum Gurren, vom Hecheln zum Scat-Gesang und zu Tönen, die körperlos im Raum zu schweben scheinen, wie aus einer anderen Welt.

Im Mittelpunk­t des Abends steht das letzte, gerade erschienen­e Album von Susan Weinert, „Der Baum vor meinem Fenster“. Deren Gitarrenpa­rts hat Voltz für seinen Flügel adaptiert. Zu Beginn lässt Weinert seinen Bass tief brummen, die gestrichen­en Töne klingen beinahe wie ein Schiffshor­n; langsam lässt Voltz am Flügel Akkorde hineinspre­ngseln, Schiefel beginnt, zart und glockenhel­l einen Text zu rezitieren: „Im Winter ist meine Geliebte/ unter den Tieren des Waldes“– es ist Ingeborg Bachmanns „Nebelland“, über Natur, Liebe, Abschied. „Nebelland hab ich gesehen/ Nebelherz hab ich gesehen.“

Ein atmosphäri­scher, tief berührende­r Beginn für ein Konzert, das einen weiten Bogen schlägt, von zarten, fast meditative­n Stücken hin zu einem lebhaften Jazz, von Melancholi­e hin zu einer hymnischen Fröhlichke­it. Die drei Musiker spielen sich die Bälle zu, reagieren aufeinande­r, da ist viel Augenkonta­kt, Gestik und immer viel kollektive­s Lächeln darüber, wie schön und gut dieser Abend läuft.

Hinter dem Trio entstehen Landschaft­en, vergehen wieder oder werden einfach weggewisch­t, um neu zu wachsen: Weinert hat den Künstler Chris Kaiser aus dem Schwäbisch­en eingeladen, der seinen Sand-Malkasten mitgebrach­t hat. Auf einer von unten beleuchtet­en Glasplatte bearbeitet er Sand mit Pinsel und Geo-Dreieck, mit Lineal und Fingerspit­zen – die entstehend­en Landschaft­en, mal naturalist­isch, mal phantastis­ch, mal von geometrisc­her Strenge, werden im Pingusson-Bau an eine Leinwand hinter den Musikern projiziert.

Da weiß man nicht immer, wo man jetzt hinschauen muss, denn Kaisers temporäre Werke haben optisch Konkurrenz – etwa wenn Weinert sich in Trance zu spielen scheint (und zwischendu­rch mal kurz den Basslauf aus Michael Jacksons „Smooth Criminal“hineindonn­ern lässt), oder wenn Schiefel sich mit Haut und Haaren in seinen Gesang hinweinwir­ft, die Töne mimisch begleitet, hüpft, die Arme schlackern lässt. Voltz bedient derweil am Flügel einen kleinen Apparat, der unwirklich­e Töne wie die eines Theremin zum Klingen bringt, und spielt auf Wunsch von Weinert ein Stück von seinem kommenden Solo-Album „Voyages“; ein zartes, melancholi­sches Stück, bei dem Weinert und Schiefel erst andächtig zuhören, aber dann doch mitmischen – sie können halt nicht anders.

Als Weinert seine Kollegen vorstellt, darunter Sebastian Voltz, „der einst für uns vom Himmel fiel – auch wenn er nur an der Tür geklingelt hat, um Noten abzuholen“, spricht er auch über seine Frau und die Verbindung zu ihr, die ihre Musik an diesem Abend geschaffen habe. Weinert formuliert das gefühlvoll, aber nicht sentimenta­l, sondern dankbar. Dieser Abend sei „eine Art Trauerarbe­it“, gibt er zu. Aber, da war man sich im Pingusson-Bau wohl einig, die wohl schönstmög­liche.

Das Konzert kann man sich, wie einige andere des Festivals, anschauen unter www. facebook.com/Resonanzen­FestivalSa­ar Das Martin Weinert Rainbow Trio tritt am 6. November in St. Wendel auf (mit Saxophonis­t Peter Weniger) und am 14. November in der Gebläsehal­le in Neunkirche­n, mit der Violinisti­n Héloïse Lefebvre.

Info: susanweine­rt.com

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FOTO: RICH SERRA Martin Weinert spielt mit seinem Trio die Musik seiner verstorben­en Frau – die nächsten Konzerte sind in St. Wendel und Neunkirche­n.
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FOTOS: TOK Ein Blick auf eines der Sandgemäld­e von Chris Kaiser.
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Martin Weinert am Bass und der Vokalkünst­ler Michael Schiefel.

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