Der Multiinstrumentalist, der aus Israel kam
David Windmüller wuchs in Tel Aviv auf und kam als Teenager nach Saarbrücken, wo er erst mal „faule Jahre“verbrachte, wie er sagt.
Unter den Saarbrücker Musikern ist David Windmüller unter mehreren Gesichtspunkten eine Besonderheit. Der 31-Jährige spielt mehrere Instrumente auf hohem Niveau, obwohl er nie eine Musikhochschule besucht hat. Anders als sein Vater Yaron Windmüller, der seit Jahren an der Saarbrücker Musikhochschule Gesang lehrt.
David wächst in Israel auf und kommt erst im Alter von 16 Jahren nach Deutschland. Seinen schwarzen Humor beweist er mit dem bösen Scherz: „Ohne Hitler würde es mich nicht geben.“Denn Windmüllers Großeltern lernten sich auf einem Schiff kennen, auf der Flucht aus Nazi-Deutschland.
Er selbst betrachtet sich als Jude, aber nicht als praktizierend religiös. In Israel aufzuwachsen sei schon etwas ganz anderes gewesen. Als er 1988 geboren wird, tobt gerade die Intifada, der gewaltsame Aufstand der Palästinenser. „Wenn das so deine ersten Erinnerungen sind, dass es auch mal heißt, geht am Wochenende nicht raus, meidet Busse und Plätze, das ist dann schon anders als eine Kindheit in Deutschland.“
Die Mentalität sei etwas kühler in Israel, das Misstrauen stark: „Wenn einem jemand auf der Straße entgegenkommt, guckt man schon: Hält er eine Tasche, hat er einen Gürtel an?“Dabei sei es für David in Tel Aviv auch ganz normal gewesen, arabische Freunde zu haben. Die meisten Muslime dort seien auch froh, in Israel zu leben, denn in den Ländern drum rum gebe es keine Demokratie und weniger Rechte. „Das wissen hier viele nicht. Gerade in Deutschland geht’s einem so gut, dass man sich oft Probleme sucht. Dann heißt es Free Palestine oder Free Tibet, und es wird von Themen geschwätzt, von denen man gar keine Ahnung hat.“
Musikalisch geht es für David mit dem Klavier los: „Mit vier habe ich wohl zum ersten Mal ein Klavier gehört und muss wohl meine Eltern so hart genervt haben, dass sie eines gekauft haben.“Aber der klassische Unterricht verleidet ihm zunächst die Lust am Instrument. Mit 13 bekommt David seine erste Gitarre und hört Aerosmith und Eminem, „einfach typisch für das Alter“.
Drei Jahre später lässt er sich seine markanten Dreadlocks wachsen. Das bringt viele auf die falsche Fährte, denn Reggae ist gar nicht seine Musik. „Ich hatte nie ein Bob-Marley-Plakat im Zimmer.“Zu dieser Zeit mag er Dream Theater oder die längst vergessene Progrock-Band UK.
Heute steht Windmüller auf das perfektionistische Fusion-Kollektiv Snarky Puppy oder den britischen Multiinstrumentalisten Jacob Collier. Doch zurück in die Jugendjahre: Mit 16 gibt es den schon erwähnten Einschnitt, Deutschland statt Israel. Das kommt so: „Ich habe alles schleifen lassen, nur noch Computerspiele gezockt.“
Da macht ihm sein Vater ein Angebot:
„Er rief mich an und meinte, er hätte die Idee, dass ich zu ihm komme.“David bekommt 24 Stunden Bedenkzeit, dann sagt er zu. Zwei Monate später fliegt er nach Deutschland, obwohl er zu dem Zeitpunkt kein Deutsch spricht. Auf dem Otto-Hahn-Gymnasium wiederholt er eine Klasse, auch um die Sprache zu lernen. Aber mit dem Schulsystem kann er sich auch hier nicht anfreunden. Zumal seine Hauptbeschäftigung weiterhin die Computerspiele bleiben.
Dann kommt der Tag, wo die Zockerei ein Ende hat: „Es war mir schockartig klargeworden, wie viel Zeit, Energie und Ressourcen das verbraucht. Das ging mir kalt den Rücken runter – dass ich jahrelang zehn Stunden am Tag mit nichts verbracht hatte!“Er löscht sämtliche Spiele von seinem Rechner und lässt ab da die Finger davon.
Dennoch beginnen bei David, wie er sagt, seine „Faultier-Jahre“: „Um 15 Uhr aufstehen und nix machen.“Musik spielt erstmal nur eine Nebenrolle: Seine erste Band mit Michael Schaefer sowie Dominic Steffen heißt Multiple Choice, Inèz Schaefer singt dort manchmal, die just die Co-Chefin des neuen Resonanzen-Festivals ist.
Windmüller wohnt in einer Wohngemeinschaft, wo auch David Kassung lebt. Die beiden gründen die Band Professor Aldente, zu der später Finn Tödte und Max Popp dazustoßen. Mit 20 Jahren kommt ein weiterer Umschwung. Windmüllers erster Job als Aufbauhelfer bei Konzerten und Tagungen am Schloss erlaubt es ihm, die Miete der ersten eigenen Wohnung zu bezahlen.
Mit seiner Herzensband Professor Aldente geht es aufwärts. Der Witz: Er, Tödte und Popp sind alle drei Multiinstrumentalisten, wechseln sich an Schlagzeug, Bass, Gitarre und Keyboard ab. Windmüller eignet sich derweil Kenntnisse in Studioproduktion an, dabei helfen ihm Francesco Cottone, David Scheidt und Bernie Götz.
Durch Zufall kommt er zur Zweiten Chance, heute sein Arbeitsplatz. Der Verein kümmert sich sozial benachteiligte Jugendliche – ein Tonstudio, wo sie sich kreativ ausleben können, fördert deren Entwicklung. „Mein Chef Saeid Teimouri kannte mich als Musiker und fragte, ob ich nicht einen 400
Euro-Job haben möchte.“
Heute arbeitet Windmüller 30 Stunden als musikalischer Leiter in der Einrichtung im Nauwieser Viertel. Neben Professor Aldente spielt er Klavier bei der Swing-Band Metropuls oder wird als Sessionmusiker gebucht. In jüngster Zeit ist er als Audio-Ingenieur im Künstler Netzwerk Resarevoir Audiovisuäl tätig, das unter anderem die beeindruckend hochwertigen Livestreams Quasi.live produziert. Windmüller ist dort angekommen, wo er letztlich hin wollte: Sein Leben der Musik zu widmen – „in allen Facetten“.
Am Samstag, 10. Oktober, spielt David Windmüller mit Professor Aldente im Rahmen des Festivals Resonanzen im Studio 30. Infos hierzu und zum Festival, das noch bis Sonntag läuft auf der Internetseite www.resonanzenfestival.de
„Das ging mir kalt den Rücken runter – dass ich jahrelang zehn Stunden am Tag mit nichts verbracht hatte!“David Windmüller über den Moment, als er die Spiele von seinem Computer löschte