Gesundheits-Apps in Zukunft auf Rezept
Die ersten digitalen Gesundheits-Anwendungen können von Ärzten verschrieben und der Krankenkasse bezahlt werden.
Digitale Gesundheitsangebote boomen nicht erst seit Corona, haben seitdem aber einen zusätzlichen Schub erfahren. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nun die ersten „Apps auf Rezept“in das neue Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) aufgenommen. Im DiGA-Verzeichnis werden digitale Gesundheitsanwendungen gelistet, also Apps oder browserbasierte Anwendungen, die als Medizinprodukt zertifiziert sind.
Als erste Anwendungen hat das BfArM die App kalmeda und die Webanwendung velibra zugelassen. Die App kalmeda des Herstellers mynoise bietet Patienten mit chronischer Tinnitusbelastung eine verhaltenstherapeutische Behandlung. Außerdem stellt sie verschiedene Tondateien mit Naturgeräuschen zur Verfügung, die bei der Entspannung helfen sollen.
Die Webanwendung velibra des Herstellers GAIA AG dient der Unterstützung von Patienten mit Symptomen von bestimmten Angststörungen. Die Hauptfunktion besteht in einem Dialog. Velibra fragt nach dem Gefühlszustand des Nutzers und gibt verschiedene Hilfestellungen, wie er in der jeweiligen Situation darauf reagieren kann. Patienten werden zudem dazu motiviert, Hausaufgaben zu bearbeiten, um von einer möglichen Angststörung abzulenken. Die App kalmeda kostet 39 Euro monatlich, die Anwendung valebra ist in der Basisanwendung kostenlos. Für jeweils drei Euro können verschiedene Zusatzfunktionen gekauft werden. Noch in diesem Jahr sollen beide Anwendungen vom Hausarzt per Rezept verschrieben werden können.
Das regelt das „Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation“(Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG), welches am 19. Dezember 2019 in Kraft getreten ist.
In Zukunft sollen zugelassene Apps Nutzer beispielsweise darin unterstützen, sich an Arzneimittelpläne zu erinnern oder die Blutzuckerwerte zu dokumentieren. Damit eine Anwendung zugelassen wird, wird sie zunächst vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz geprüft. Ist sie zugelassen, wird sie laut Bundesgesundheitsministerium zunächst vorläufig für ein Jahr von der Krankenkasse erstattet. In dieser Zeit müsse der Hersteller beim BfArM nachweisen, dass die App die Versorgung der Patienten verbessert.
Ob die Apps ihren Vorschusslorbeeren gerecht werden könnten, könne derzeit noch niemand wissen, sagt der Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl gegenüber unserer Zeitung. „Noch kann niemand sagen, welche Rolle Apps in der Patientenversorgung wirklich spielen werden. Sie müssen einen Mehrwert für den Patienten mit sich bringen und auch verständlich sein. Außerdem müssen sie sicher sein – sowohl in der Funktionalität als auch im Datenschutz.“Die Frage sei ja auch, ob die Patienten durchhielten und die Apps konsequent nutzten. Auf vielen Smartphones fänden sich sehr viele Apps. Aber nur wenige würden wirklich genutzt, sagt Stahl. Wichtig sei es zudem, dass die App-Anbieter nützliche Informationen für Ärzte böten. Denn kein Arzt werde etwas verschreiben, was er nicht kenne.
Aktuell befinden sich laut BfArM 21 Anwendungen in der Prüfung. Für weitere rund 75 Anwendungen habe das Innovationsbüro des Instituts bereits Beratungsgespräche mit den Herstellern geführt, sodass schon bald weitere Anwendungen in die Prüfung und ins Verzeichnis kommen könnten.
Welche Anforderungen digitale Gesundheitsanwendungen erfüllen müssen, hat das Bundesgesundheitsministerium in der Verordnung über Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAV) geregelt. Hier werde klargestellt, welche Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Datenschutz die Apps zu leisten hätten, wann eine App einen Mehrwert für die Gesundheitsversorgung darstelle und ob sie nutzerfreundlich und leicht verständlich sei.
Besonderes Augenmerk liegt dem Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) zufolge auf dem Datenschutz, der bei den meisten Apps zu kurz kommt. „Grundsätzlich sind viele Apps bezüglich des Datenschutzes sehr kritisch zu bewerten. In vielen Gesundheitsapps werden sensible Daten erhoben, gespeichert und verarbeitet.“Nutzer wüssten bei vielen Apps nicht, wem die persönlichen Daten anvertraut würden. Darin bestehe ein großes Datenschutzproblem. Denn schon der Download einer App hinterlasse Spuren. Deshalb werde auch diskutiert, ob für Apps, die von Ärzten verordnet und von Krankenkassen bezahlt werden, der Download in den Stores von Apple und Google überhaupt der richtige Weg sei.
Es empfehle sich auf jeden Fall, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer App zu lesen und zu prüfen, welche Daten die App abrufe und ob sie diese eventuell an Dritte weiterleite.
Dem VZBV zufolge werden Gesundheitsapps in den Stores von Apple und Google angeboten, die in den Bereichen Fitness, Gesundheit und medizinische Versorgung die Verbraucher informieren, Präventionsmaßnahmen anbieten oder bei der Ernährung unterstützen. Sie messen, speichern und werten medizinische Daten aus.
Dabei ließen sich drei Kategorien unterscheiden. Sogenannte Lifestyle-Apps könnten dabei helfen, gesundheitsbewusstes Verhalten zu unterstützen. Dazu zählten unter anderem Fitness-Apps sowie Ernährungs- und Bewegungsapps.
Eine zweite Kategorie stellten serviceorientierte Apps dar. Sie erinnerten beispielsweise daran, Medikamente zu nehmen, überwachten den Impfstatus oder würden bei der Organisation von Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung helfen. Außerdem böten sie die Möglichkeit, Arzttermine zu vereinbaren und dienten als Tagebuch, um im Krankheitsfall Symptome zu dokumentieren: „Viele Krankenkassen bieten mittlerweile ihren Mitgliedern Krankenkassen-Apps an, die die Kommunikation erleichtern. Außerdem sollen sie bei der Suche nach Ärzten oder der Verwaltung von Gesundheitsdaten helfen“, sagen die Verbraucherschützer.
In die dritte Kategorie fielen medizinische Apps, die der Diagnose oder Therapie einer Erkrankung dienten. Sie könnten beispielsweise Blutzuckerdaten auswerten. Diese Apps sollten als Medizinprodukt zugelassen sein.
Sie könnten bei der Behandlung von Rückenschmerzen zum Einsatz kommen, beim Umgang mit Tinnitus unterstützen oder dabei helfen, Depressionen zu behandeln. Apps als Tagebücher für Diabetiker, für Migräne und Schwangerschaften ergänzten das Angebot.
Dem Digitalverband Bitkom zufolge verwenden schon 65 Prozent der Smartphone-Besitzer Gesundheits-Apps. Am beliebtesten seien Anwendungen, die über Gesundheits-, Fitness-, Gewichts- oder Ernährungsthemen informieren. Sie würden bereits von 26 Prozent der Deutschen aktiv genutzt. 24 Prozent setzten Apps ein, die Körper- und Fitnessdaten wie Herzfrequenz, Blutdruck oder gegangene Schritte aufzeichnen. 17 Prozent hätten Workout-Apps mit Anleitungen für Übungen zu Hause oder unterwegs und 15 Prozent ließen sich durch Apps auf Grundlage von aufgezeichneten Vitaldaten Ratschläge geben.