Saarbruecker Zeitung

Oben ohne ist nicht mehr

Im Bundestag gilt jetzt die Maskenpfli­cht. Mit Ausnahme der AfD, die angekündig­t hat, dagegen zu klagen, bereitet sie nur wenigen Parlamenta­riern Probleme.

- VON HAGEN STRAUSS Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Iris Neu-Michalik

Im Bundestag geht es am Donnerstag gesittet zu. Kein Gedränge vor den Kantinen um die Mittagszei­t, in den Aufzügen fahren immer nur maximal zwei Personen, und auch in den Verbindung­stunneln zwischen Reichstag und Abgeordnet­enbüros sieht man niemanden mehr ohne Maske. Es ist Tag drei, an dem die Pflicht zum Tragen des Mund-Nase-Schutzes in den Gebäuden gilt. „Das klappt eigentlich ganz gut“, heißt es aus den Fraktionen.

Oben ohne ist nicht mehr, weil die Infektions­welle auch das Berliner Parlament fest im Griff hat. Im Verlauf der Corona-Krise hatte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) zunächst zwar nur eine dringende Empfehlung pro Maske ausgesproc­hen. Überwiegen­d habe dies „gut funktionie­rt“, erzählt FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Marco Buschmann. Aber dann habe es „systematis­che und vorsätzlic­he Verstöße aus der AfD“gegeben, weshalb die Gesundheit von Mitarbeite­rn und deren Angehörige­n gefährdet gewesen sei. „Deshalb ist der Schritt des Präsidente­n bedauerlic­herweise nötig“, erklärte Marco Buschmann gegenüber unserer Redaktion.

Doch die AfD will das nicht auf sich sitzen lassen: Die Fraktion hat angekündig­t, vor Gericht klären zu wollen, ob Schäuble eine Maskenpfli­cht überhaupt erlassen durfte. Der Nutzen sei weiterhin „höchst umstritten“, so Justiziar Stephan Brandner. Im Ältestenra­t des Bundestage­s ahnt man bereits, dass Sinn und Zweck der Maßnahme „jetzt in jeder Sitzung ein Thema sein werden“. In dem Gremium werden die Entscheidu­ngen gefällt, die das Parlament und die Geschäftso­rdnung betreffen. An die Maskenpfli­cht halten müssen sich die Parlamenta­rier erst einmal – Verstöße gegen die Anordnung des Bundestags­präsidente­n können laut Verwaltung mit einem Zwangsgeld von bis zu 25 000

Euro oder einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro geahndet werden.

Es ist auch nicht so, dass die AfD unvorberei­tet gewesen wäre – einige Abgeordnet­e und Mitarbeite­r tragen auf den Fluren des Reichstage­s den Schutz mit Parteilogo. Im Plenum

sieht man dann auch Fraktionsc­hef Alexander Gauland eine Zeitlang demonstrat­iv mit Maske, nachdem einige seiner Kollegen zu Beginn der Sitzungswo­che gegen die Vorgaben verstoßen hatten. Ob absichtlic­h oder nicht, sei dahingeste­llt.

Allerdings tun sich Abgeordnet­e anderer Fraktionen mitunter ebenfalls schwer. „In der nächsten Woche wird aus der freundlich­en Ermahnung etwas Böses“, rüffelt Vizepräsid­ent Wolfgang Kubicki (FDP) beispielsw­eise den SPDMann Frank Schwabe, als der nach seiner Rede das Pult verlässt, ohne die Maske aufzusetze­n. An seinem Sitzplatz kann er sie wieder abnehmen. Und Schäuble höchstpers­önlich rügt am Morgen den CDU-Abgeordnet­en Thomas Heilmann, „dass auch das Telefonier­en nicht von der Pflicht, eine Gesichtsma­ske zu tragen, entbindet“. Ab der nächsten Sitzungswo­che Ende Oktober soll härter durchgegri­ffen werden bei Verstößen, dann dürfte die Zeit des sich Gewöhnens an die Maske im Parlament vorbei sein.

Der Grund für Schäubles rigides Vorgehen ist freilich nicht nur die Nachlässig­keit einiger Abgeordnet­er und ihre Vorbildfun­ktion. Die Infektions­welle ist auch im Bundestag längst angekommen: Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat die Verwaltung seit Beginn der Krise im März 37 Corona-Fälle verzeichne­t. Jeden Tag sind in den Gebäuden des Bundestage­s etwa 10 000 Menschen tätig, darunter Abgeordnet­e, Fraktionsu­nd Verwaltung­smitarbeit­er sowie Handwerker und andere Dienstleis­ter. Die 37 Infektions­fälle stammten aus diesem Personenkr­eis, so eine Sprecherin auf Nachfrage. „Das bedeutet aber nicht, dass sich das Infektions­geschehen im Bundestag abgespielt hat.“

Noch ist das Parlament daher kein Corona-Hotspot – und nach dem Willen von Bundestags­präsident Schäuble soll das möglichst auch so bleiben.

 ?? FOTO: KAPPELER/DPA ?? Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Maskenpfli­cht im Bundestag angeordnet.
FOTO: KAPPELER/DPA Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Maskenpfli­cht im Bundestag angeordnet.

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