Zukunftskonzepte für die Mobilität im Saarland
Im Saartalk diskutierten die Teilnehmer, ob die Corona-Pandemie die Verkehrswende im Saarland beschleunigt und was zur Mobilität der Zukunft gehört.
ist nur eine Vision. Ob sie Realität wird? „Der Bus der Zukunft ist ein Raum des Austausches, wo man Sprachen lernen und heiraten kann, es Wellness-Angebote gibt und auch die Verwaltung sitzt.“Johanna Worbs, Literaturwissenschaftlerin und Konzepterin des Netzwerks Identitätsstiftung mit Sitz in Hannover, verrät, wie sie sich moderne
„Ein Radweg, gequetscht zwischen die fahrenden Autos links
und den parkenden Autos rechts – das ist supergefährlich.“
Susanne Speicher
Fridays for Future Saarland
Mobilität vorstellt. Die Fahrzeit im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV ) kann sinnvoll genutzt werden, das Auto ist aus den Städten verbannt. Dazu aber müsse zuerst das Denken über Mobilität verändert werden, betont Worbs.
Gefühlt war in den vergangenen Wochen und Monaten wegen der Pandemie und verstärktem Homeoffice weniger los auf den Straßen – die Busse zu Beginn des Schuljahres aber proppenvoll, während die Züge meist leer blieben. Wie es um die Fortbewegung in der Zukunft steht, beleuchtete am Donnerstagabend der Saartalk von SR und SZ. Die Sendung mit dem Titel „Beschleunigt Corona die Verkehrswende im Saarland?“, moderiert von SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst und SR-Chefredakteurin Armgard Müller-Adams, umriss damit ein Thema, das schon vor der Pandemie Saar-Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) und Susanne Speicher von Fridays for Future wie auch viele Saarländer umtrieb.
Der ÖPNV sei teuer, die Anbindung im ländlichen Raum zuweilen schlecht, der Zugang nicht immer barrierefrei. Ein – zugegebenermaßen nicht repräsentative – Facebook-Umfrage unter 300 Personen zeichnet ein negatives Bild, wenn es darum geht, ob Saarländer bereit sind, auf ihr Auto zu verzichten.
Eine, die dies bereits seit Jahren tut, ist Susanne Speicher. Die Klimaaktivistin
ist nur noch mit dem Fahrrad unterwegs. „Und das funktioniert, wenn man will und wenn man mutig ist.“Die Menschen müssten endlich „auf dem Schirm haben“, dass es auch andere Fortbewegungsmittel als das Auto gibt, mit denen es sich lohnt, unterwegs zu sein. „Dann merkt man auch ganz schnell, wie schön es ist, Fahrrad zu fahren. Im besten Fall noch vernetzt mit der Bahn.“Ein Appell an Verkehrsministerin Rehlinger? Eindeutig. Denn bei der Infrastruktur im Saarland hapere es noch gewaltig. Ebenso was die Sicherheit angeht. „Ein Radweg, gequetscht zwischen die fahrenden Autos links und den parkenden Autos rechts – das ist supergefährlich.“Speicher fordert den Ausbau von Straßen abgetrennter Radwege und gut ausgebauter Bürgersteige. Fridays for Future hatte vor gut zwei Wochen gefordert, dass die Landeshauptstadt bis 2025 komplett autofrei sein soll. Utopie? Keinwegs, sagte Speicher. Mit einem guten S-BahnNetz, das ländliche Räume umfasst, Sharing-Modellen und E-Scooter sei das möglich.
Für Rehlinger ist die Verkehrswende aber „kein verkrampfter Kulturkampf gegen das Auto“. Es brauche gute Alternativen, die individuell auf die Bedürfnisse der Bürger eingehen. Während man im urbanen Raum auf das Auto gut und gerne verzichten könne, sehe das auf dem Land anders aus, betonte die Ministerin mit Blick auf Azubis, die beispielsweise auf einen abgelegenen Landgasthof zur Arbeit müssten. „Hunderte leere Busse auf dem Land rumfahren lassen, ist dann auch nicht die Lösung.“
Viele Projekte seien in der Mache: Der Verkehrsentwicklungsplan mit der Reaktivierung alter Bahnstrecken, dem Ausbau des S-Bahn-Netzes und der Tarifreform, die kommendes Jahr an den Start gehen soll. Überhaupt verspricht sich die Ministerin von den günstigeren Tickets im ÖPNV einen Impuls für weitere, passgenauere Angebote. Einen kostenlosen ÖPNV wie im Nachbarland Luxemburg hält sie durchaus für realistisch – wohlgemerkt mit genügend Vorlaufzeit. Die Projekte, die das Saarland jetzt angeht, seien Zwischenschritte dahin.
Finanzschwäche im Land und vor allem in den Kommunen, die Verkehrskonzepte entwickeln, dürften nicht zur Ideennot führen, betonte Rehlinger. Kommunen nähmen in der Tat eine Schlüsselrolle bei der Mobilitätswende ein, sagte Konzepterin Worbs. Sie berät Unternehmen, Städte sowie Gemeinden und beschert ihnen einen anderen, mitunter irritierenden Blick auf den Verkehr. So hat sie einen Hochsitz in Hannover mitkonzipiert, so dass Mobilität in unterschiedlichsten Rollen betrachtet werden kann.
Dazu gehören auch alternative Antriebstechnologien. E-Mobilität ist das Stichwort. Dass Elektrofahrzeuge fast doppelt so teuer sind wie Verbrenner und die Anzahl und der Zugang zu Ladestationen noch zu wünschen übrig lassen, nagt an der Attraktivität, erklärte Ann-Christian Koch, Managerin für Mobilitätskonzepte – um den Corona-Abstand zu wahren begrüßte Chefredakteurin Müller-Adams sie an der Bar. Die Lade-Infrastruktur müsse dringend ausgebaut und vereinheitlicht werden, sagte Koch. Dadurch könne auch die „Reichweitenangst“wie sie es nennt – also die Bedenken, dass man plötzlich mit dem E-Auto stehen bleibt und keine Ladestation in der Nähe ist – ausgeräumt werden.
Am Ende der Sendung baten die Chefredakteure ihre Gäste, kreativ zu werden. „Wenn das Auto der Zukunft ein Tier wäre, welches wäre es?“Verkehrsministerin Rehlinger entschied sich für einen Vogel: „Gut integriert in die Umwelt, unabhängig und individuell.“Für Johanna Worbs wäre es ein Reptil, das die Farbe wechseln kann. „Ein hybrides Fahrzeug, das auf dem Wasser, in der Luft, auf der Straße urban wie auf dem Land genutzt werden kann und verschiedenen Ansprüchen gerecht wird.“Und Susanne Speicher? Für sie ist es ein Floh: „Als lästig empfunden und froh, wenn es nicht mehr da ist.“