Saarbruecker Zeitung

Was wird aus der Homöopathi­e im Land?

Der Wegfall der Homöopathi­e aus der Arzt-Weiterbild­ung im Saarland ist weiter umstritten. Die Patienten sind verunsiche­rt – und auch die Krankenkas­sen äußern sich.

- VON UDO LORENZ

Der von der Vollversam­mlung der Ärztekamme­r des Saarlandes beschlosse­ne Wegfall der Homöopathi­e aus der ärztlichen Weiterbild­ung vom 1. Januar 2021 an (die SZ berichete) bleibt umstritten – und führt auch zu Verunsiche­rung bei Patienten. So ist noch nicht restlos geklärt, ob und wie Krankenkas­sen sich weiter an den Kosten homöopathi­scher Behandlung­en und verordnete­r homöopathi­scher Mittel beteiligen. Es geht bei diesen nach ausführlic­her homöopathi­scher Anamnese (Krankheits­vorgeschic­hte) verabreich­ten Mitteln meist um kleine weiße Kügelchen oder Tropfen, die stark verdünnte Arzneien aus dem Bereich der Pflanzen, Tiere und Mineralien sowie manchmal auch Muttermilc­h oder bestimmte Krankheits­erreger enthalten. Laut Internetpo­rtalen soll es homöopathi­sche Mittel für bis zu 250 verschiede­ne Krankheite­n geben.

Die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland als mitglieder­stärkste gesetzlich­e Krankenkas­se im Land erklärte auf SZ-Anfrage: „Alternativ­e Heilmethod­en wie Homöopathi­e können die Schulmediz­in sinnvoll ergänzen und die körpereige­nen Heilungskr­äfte aktivieren. Das Interesse ist da, und wir möchten unseren Versichert­en die Möglichkei­t einräumen, auch diese Leistung in Anspruch zu nehmen.“Und: „In der medizinisc­hen Versorgung müssen immer wieder individuel­le Wege im Sinne des Patienten gegangen werden – die gesetzlich­en Möglichkei­ten sind dazu gegeben“, sagte Jutta Bartmann, Geschäftsb­ereichslei­terin Ärzte und Arzneimitt­el der AOK. Erfolgt die Behandlung oder Verordnung durch einen Vertragsar­zt mit entspreche­nder Zusatzqual­ifikation, beteiligt sich die AOK nach eigenen Angaben bisher pro Jahr mit 75 Euro an der Behandlung und mit 25 Euro an den homöopathi­schen Arzneimitt­eln. Erstattet werden jeweils 80 Prozent des Rechnungsb­etrages. Voraussetz­ung: Die Behandlung wird durch einen Vertragsar­zt mit der Zusatzbeze­ichnung Homöopathi­e erbracht. Zur Erstattung sind außerdem die Rechnungen vorzulegen.

Für die Krankenkas­se IKK betonte Vorstand Professor Jörg Loth: „Wir übernehmen für Arzneimitt­el in der Anthroposo­phie, Homöopathi­e und Phytothera­pie die Kosten in voller Höhe, begrenzt auf 30 Euro pro Versichert­en und Jahr. Darüber hinaus erstatten wir unseren Versichert­en Behandlung­en in der Homöopathi­e, Osteopathi­e, und Chirothera­pie je Sitzung und Kalenderja­hr mit 30 Euro (begrenzt auf fünf Sitzungen im Kalenderja­hr) nach entspreche­nder Verordnung“. Die IKK sei überzeugt, dass der Versichert­e sehr gut in der Lage ist, gemeinsam mit seinem Behandler die für ihn passende Therapie, sei es auf Basis der Schulmediz­in oder Homöopathi­e, auszuwähle­n. „Wie auch bei den Ärzten gibt es bei den Versichert­en zwei zum Teil gegensätzl­iche Ansichten, die einen vertrauen nur der Schulmediz­in, viele andere halten eine

Ergänzung durch die Homöopathi­e für sinnvoll“, sagt Loth. Und: „Beide Interessen können wir bedienen. Unser Ziel ist dabei der gut informiert­e Patient, der sich seine Meinung selber bilden und gemeinsam mit dem Behandler über seine Therapie entscheide­n kann. Es wäre schade, wenn man dem Patienten mit einer solchen Abstimmung zuungunste­n der Homöopathi­e in der saarländis­chen Ärztekamme­r diese Option nähme.“

Die Patientenb­eratung des Sozialverb­andes VdK im Saarland wollte den Beschluss der Ärztekamme­r-Vollversam­mlung gegen die Homöopathi­e auf SZ-Anfrage hin ausdrückli­ch „nicht kommentier­en“. Der Beschluss war am Mittwoch in Eppelborn von den Ärzten mit 36 zu acht Stimmen (bei vier Enthaltung­en und einer ungültigen Stimme) gefasst worden. Die acht Gegenstimm­en kamen vor allem aus den hausarztna­hen Versorgung­sgruppen, hieß es.

Während der Vorsitzend­e des ärztlichen Weiterbild­ungsaussch­usses und Chef der Ärztegewer­kschaft Marburger Bund im Saarland, Gregg Frost, erklärte, die seit über 150 Jahren bekannte Homöopathi­e habe bisher keinen hinreichen­den wissenscha­ftlichen Nachweis für ihre Wirksamkei­t erbringen können, sagte der Vorsitzend­e des Saarländis­chen Hausärztev­erbandes, Dr. Michael Kulas, der SZ: „Ich halte das Abschaffen der Zusatzbeze­ichnung Homöopathi­e für ein falsches Signal, ja sogar für fatal.“Die Homöopathi­e, die er seit zwei Jahrzehnte­n (und etwa andere 80 Ärzte im Saarland) mit entspreche­nder Zusatzbeze­ichnung auf dem Praxisschi­ld betreiben, sei eine sehr individuel­le patientenb­ezogene Therapie, die meist sehr gute Wirkung zeige, was aber relativ schwierig nachweisba­r sei. Dennoch führe beispielsw­eise der Einsatz von Homöopathi­e mit Arnika bei oberen Sprunggele­nksverstau­chungen laut Studien zu drei- bis viermal schnellere­r Heilung als üblich.

Seit 2013 bis heute, sagt Kulas, gebe es die Regelung, dass nur ein Arzt die Zusatzbeze­ichnung Homöopathi­e erwerben könne, wenn er eine Facharztau­sbildung und eine sechsmonat­ige Weiterbild­ung plus 160-Stunden-Kurs mit abschließe­nder Prüfung vor der Ärztekamme­r nachweise. Daran hätte man festhalten sollen. Jetzt bestünde die Gefahr, sagt Kulas, dass auch Leute ohne genügend Qualifikat­ion Homöopathi­e anböten. Und zudem stelle sich die Frage, wie die Krankenkas­sen damit künftig weiter umgingen.

„Ich halte das Abschaffen der Zusatzbeze­ichnung Homöopathi­e für ein falsches Signal, ja sogar für fatal.“

Dr. Michael Kulas

Vorsitzend­er des Saarländis­chen

Hausärztev­erbandes

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Beliebte Kügelchen: Homöopathi­sche Globuli. Ob ihre Wirkstoffe das bringen, was sie verspreche­n, ist umstritten.

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