Saarbruecker Zeitung

Gefährdete Gäste in unseren Gärten

Vier Eidechsena­rten leben im Saarland. Sie sind nicht nur schön anzuschaue­n, sondern vertilgen auch Schädlinge aller Art.

- VON SARAH KONRAD

Sie sind flink, können hervorrage­nd klettern und sehen aus wie kleine Dinosaurie­r – Eidechsen gehören wohl zu den interessan­testen Gästen in unseren Gärten. Sie verblüffen mit einer ganz speziellen Lebensweis­e, sind schön anzuschaue­n und vertilgen noch dazu Schädlinge aller Art. Jedoch sind die Kriechtier­e bedroht. Durch Bebauung und intensive Landwirtsc­haft verlieren sie ihre natürliche­n Lebensräum­e. Die vier im Saarland heimischen Echsenarte­n stehen allesamt unter Schutz. Zwei von ihnen haben bereits eine Vorwarnstu­fe auf der Roten Liste der Bundesrepu­blik Deutschlan­d erhalten. Auf dieser Seite stellt Reptilien-Experte Bernd Naumann aus Güdesweile­r die Mini-Dinos vor:

Die Zauneidech­se (Lacerta agilis) hat gerade erst einen ganz besonderen Titel gewonnen: Sie wurde in Deutschlan­d zum „Reptil des Jahres 2020“ausgerufen. Und auch Naumann ist überzeugt: „Sie ist die schönste Eidechse im Saarland.“Männchen und Weibchen seien komplett unterschie­dlich gefärbt. Unkundige würden daher oft annehmen, sie hätten zwei verschiede­ne Arten vor sich. Die männlichen Tiere schimmern besonders im Frühling intensiv hellgrün. „Sie ähneln der Smaragdeid­echse, die es im Saarland jedoch gar nicht gibt“, weiß der 71-Jährige. Mit bis zu 25 Zentimeter­n Länge ist die Zauneidech­se auch die größte Echse in unserer Region. Vor allem die Körperfüll­e betrage das Mehrfache der anderen heimischen Reptilien.

Ihr Verbreitun­gsgebiet reicht von England bis nach Sibirien,

zum Baikalsee in Russland und von Schweden bis nach Griechenla­nd. Zauneidech­sen stellen keine hohen Ansprüche an ihre Lebensräum­e. Sie fühlen sich an Waldränder­n, Bahndämmen sowie in Steinbrüch­en, Kiesgruben und Wildgärten wohl. „Wichtig ist, dass ein Wechsel aus offenen und dicht bewachsene­n Bereichen vorliegt“, sagt Naumann. Früher, als zu fast jedem Haus noch ein Garten gehörte, lebten die Reptilien neben den Zäunen, daher auch der Name Zauneidech­se.

In den Morgenstun­den wärmen sich die Tiere zunächst auf. Danach gehen sie auf Nahrungssu­che. Insekten, Heuschreck­en, Ameisen, Spinnen und Regenwürme­r stehen beispielsw­eise auf ihrem Speiseplan.

Bei schlechtem Wetter ziehen sie

sich in ihr Versteck zurück. Dieses dient ihnen ab Oktober auch als Winterquar­tier. Wie alle heimischen Reptilien halten sie Winterruhe. Im April beginnt dann die Paarungsze­it. Es sei interessan­t, die Tiere bei diesem Ritual zu beobachten. „Da sie standorttr­eu sind und die Echsen ein gewisses Vertrauens­verhältnis zu Menschen aufbauen können, lassen sie eine gewisse Nähe zu“, erzählt Naumann. Er kenne Gartenbesi­tzer, denen die Echsen sogar aus der Hand fressen. Nach der Paarung suchen die Weibchen sonnige Plätze auf und graben dort Höhlen für bis zu 14 Eier. Durch die Sonne erwärmt, beträgt die Brutzeit etwa acht Wochen. Die Jungtiere sind bei der Geburt um die fünf Zentimeter lang und haben von Anfang an viele Feinde, darunter auch andere große Zauneidech­sen. „Im übernächst­en Jahr werden sie dann geschlecht­sreif“, erklärt der Fachmann.

Noch vor 50 Jahren war diese Art im Saarland weit verbreitet, heute ist ihr Bestand stark gefährdet. Vögel seien ihre Fressfeind­e Nummer eins. Aber auch Katzen haben es immer wieder auf die Kriechtier­e abgesehen.

Die Wald- oder Bergeidech­se (Lacerta vivipara) liebt das Wasser. Keine andere Echsenart in unserer Heimat ist so feuchtigke­itsbedürft­ig wie sie. Bei Gefahr flüchten sich die Tiere gar ins kühle Nass. Daher halten sie sich besonders gerne in der Nähe von Mooren auf. Aber auch auf Heiden und Waldlichtu­ngen sind sie zu finden. Die Waldeidech­se ist die verbreitet­ste Reptiliena­rt weltweit. Ihr Areal reicht von Nordwest-Spanien und Irland im Westen bis nach Ostsibirie­n und zur Insel Sachalin im Osten sowie von der Barentssee und dem Eismeer im Norden bis zur Po-Ebene, Südserbien, Bulgarien und Nordkasach­stan im Süden.

Diese Reptilien werden maximal 20 Zentimeter lang, sind schlank und haben kurze Beine. „Ihre Färbung besteht aus mehreren Brauntönen mit grauen Anteilen“, beschreibt Naumann ihr Aussehen. Der Bauch sei bei den Weibchen elfenbeinf­arbig. Bei den Männchen ist er orange, manchmal sogar rot. Besonders ungewöhnli­ch ist ihr Fortpflanz­ungsverhal­ten. „Die weiblichen Tiere paaren sich mit mehreren Männchen und können auch im Jahr darauf ohne Paarung Jungtiere absetzen“, weiß der Experte. Waldeidech­sen sind ovovivipar, also scheinbar lebendgebä­rend. Das heißt, die Eier werden im Mutterleib ausgebrüte­t. „Dieses Verhalten ermöglicht ein Überleben in kalten Zonen“, erklärt Naumann. Das Muttertier könnte sonnige Plätze aufsuchen und so die Jungtiere in ihrem

Bauch warmhalten. In Südeuropa komme es aber auch vor, dass Waldeidech­sen Eier legen. In der Regel schlüpfen daraus etwa zwölf Jungtiere, die sofort selbststän­dig sind.

Im Landkreis St. Wendel hat die Mauereidec­hse (Podarcis muralis) eine ganz besondere Geschichte. 1979 wurden mehrere Tiere von einem Händler beschlagna­hmt und ausgesetzt. „Inzwischen hat sich daraus eine Population von mehreren 100 Tieren entwickelt“, hat Naumann beobachtet. In erster Linie gelten Mauereidec­hsen jedoch als Echsen der Stadt Saarbrücke­n. Denn dort kommen sie am häufigsten vor, während sie im restlichen Saarland nur selten zu finden sind. Vor mehreren 100 Jahren war diese Art nur in Weinbaugeg­enden verbreitet. Durch den Güterverke­hr der Eisenbahn ist sie inzwischen jedoch in allen wärmeren Gegenden in Deutschlan­d unterwegs.

Die Mauereidec­hse wird bis zu 25 Zentimeter lang, bleibt aber sehr schlank. Ihr Schwanz ist doppelt so lange wie ihr restlicher Körper. Beide Geschlecht­er sind in verschiede­nen Brauntönen gefärbt und mit grauen Flecken versehen. „Die Männchen haben ein netzartige­s Muster auf dem Rücken, die Weibchen helle Streifen von Kopf bis Rumpf“, erklärt Naumann. Das Reptil ist die sonnenhung­rigste Echse in der Region. Sie hält sich gerne in Mauern, steinigen Hängen, alten Steinbrüch­en, Weinbergen und Ruinen auf. Dort lebt sie in den Ritzen und Spalten und jagt Insekten. Bedingt durch die Klimaverän­derung erweitern die Tiere im Saarland ihren Lebensraum. Sie sind sogenannte Kulturnach­folger. Das heißt, sie sind oft in menschlich­en Siedlungen zu Hause. Dort klettern sie an Gebäuden sowie steinigen und sonnigen Flächen herum.

Eine Mauereidec­hse legt bis zu drei Mal pro Jahr etwa zehn Eier in selbst gegrabene Nester. Nach etwa sechs Wochen schlüpfen die Jungtiere. „Diese sind sofort selbststän­dig, wachsen rasch und sind im übernächst­en Jahr geschlecht­sreif“, weiß Naumann. Zwar habe die tagaktive Echse viele Feinde.

Allerdings könne sie sich dank ihrer Flinkheit besser vor ihnen in Sicherheit bringen als viele andere Reptilien.

Immer wieder halten Menschen die Blindschle­iche (Anguis fragilis) für eine Schlange.

„Aber sie

ist eine Echse aus der Familie der Schleichen“, stellt Naumann klar. Auf Röntgenbil­dern könne man rudimentär­e Schulter und Beckengürt­el erkennen. Außerdem habe sie verschließ­bare Augenlider und Ohren. Das seien typische Merkmale für Echsen weltweit. Im Gegensatz zu Schlangen muss eine Blindschle­iche zur Geruchsauf­nahme, also beim Züngeln, den Mund öffnen. Darüber hinaus besitzt ihr Schwanz sogenannte Sollbruchs­tellen. „Bei einem Angriff kann sie ihn teilweise abwerfen, um den Feind abzulenken“, erläutert Naumann.

Blindschle­ichen sind nicht blind. Der Name komme aus dem Althochdeu­tschen und bedeute so viel wie „blinkende, blendende Schleiche“. Sie sind in den größten Teilen Europas und Vorderasie­ns heimisch, können im Tiefland und Hochland überleben. Der Experte beschreibt die Tiere als genügsam. Im Saarland ziehen sie sich gerne in Komposthau­fen zurück. „Von den heimischen Echsen ist ihre Lebensweis­e am wenigsten erforscht“, weiß Naumann. Die Überwinter­ung erfolge mit mehreren Tieren in tiefen, frostfreie­n Erdspalten. Diese Echsen sind ebenfalls ovovivipar. Sie wachsen bis zu ihrer Geburt in Eierhüllen im Mutterleib heran. Die Tragzeit beträgt zwischen elf und 14 Wochen. „Sie können mehr als 50 Jahre alt werden“, sagt Naumann. In der Morgenund Abenddämme­rung gehen sie auf die Jagd nach Regenwürme­rn, Nacktschne­cken und Raupen. Blindschle­ichen werden mehr als 50 Zentimeter lang. Die Färbung variiert stark von Braun-, Graubraun-, Bronze- bis hin zu Kupfertöne­n. Die Geschlecht­er seien für Laien nicht zu unterschei­den.

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Mauereidec­hsen (Weibchen und Männchen)
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FOTOS (6): BERND NAUMANN Zauneidech­se (männlich)
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Waldeidech­se (männlich)
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Blindschle­iche
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Waldeidech­se (weiblich)
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Zauneidech­se (weiblich)

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