„Es gleicht einer Operation am offenen Herzen“
Im Museum für Vor- und Frühgeschichte arbeiten Restauratoren an den Wandfresken, die beim Abriss einer Kirche im saarländischen Mechern gefunden wurden.
Renate Albrecht sitzt auf einem kleinen Hocker und setzt unter Scheinwerferlicht vorsichtig und behutsam mit einem sehr kleinen Spachtel zuerst Kitt, anschließend eine Lösung auf die weißen Stellen der römischen Wandmalereien im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken.
Renate Albrecht ist Restauratorin der Firma Trommer aus Weilburg und schon seit Anfang Oktober im Museum tätig. „Es gleicht einer Operation am offenen Herzen“, erklärt Thomas Martin, Sammlungsleiter im Museum für Vor- und Frühgeschichte. Denn das Restaurieren geschieht während des Normalbetriebs des Museums, vor den Augen der Besucher. Normalerweise sollte man die Restauratoren bei ihrer Arbeit nicht ansprechen, denn sie müssen sich sehr konzentrieren. Am kommenden Sonntag, 11. Oktober, ist das anders. Denn am „Europäischen Tag der Restaurierung“stehen die Fachleute für Fragen parat, unterstützt vom Museumspersonal.
Dann kann man sich auch über die römischen Fresken selbst erkundigen. Denn die zählen zu den aufregendsten römischen Fresken nördlich der Alpen. Sie wurden 1970 beim Abriss der Dorfkirche im saarländischen Mechern entdeckt.
Unter der Dorfkirche befanden sich nicht nur eine, sondern gleich zwei römische Villen. Die ältere war bereits in der Antike abgerissen worden, wurde überbaut. Um die Fundamente des „Neubaus“zu erhöhen, hatte man damals einfach die bemalten Mauern der älteren Villa im unteren Bereich stehen lassen,
Thomas Martin den Platz zwischen den Mauern mit Bauschutt aufgefüllt und planiert. So blieben die farbenfrohen Malereien über Jahrhunderte geschützt und erstaunlich gut erhalten, ganz ähnlich wie in Pompeji.
Aber als man die Fresken im Jahr 1970 abgenommen hat, sind sie leider zerbrochen. „Man darf nicht vergessen, dass es damals noch keine Fachleute waren, die die Funde geborgen haben“, erklärt Thomas Martin. Bruchstellen, Firniss, Verschmutzungen und Ablagerungen haben im Laufe der Jahre die Darstellungen beeinträchtigt, viele wunderschöne Details, wie farbenfrohe florale Muster oder Darstellungen von Gladiatoren, Tieren oder Mahlzeiten, waren nicht mehr gut erkennbar. Und dann kam auch noch Corona. Aber das war für das Museum ausnahmsweise ein Glücksfall. Denn die aktuelle Restaurierung wird ermöglicht durch finanzielle Förderung der Ernst-von Siemens-Kunststiftung im Rahmen einer Corona-Sonderförderlinie.
Deshalb werden die Malereien nun nach 50 Jahren zum ersten Mal wieder bearbeitet. Und was sich bei den Restaurierungs-Techniken von Kunstwerken in den vergangenen Jahrzehnten getan hat, kann man nun nachverfolgen. „Zuerst wird mit Lösungsmitteln gearbeitet. Das ist geruchsintensiv“, berichtet Renate Albrecht. Dann werden Ergänzungen
früherer Restaurierungen „zurückgearbeitet“, abgetragen und geglättet, Fehlstellen gekittet. „Und dann wird farblich retuschiert. Dafür setzen wir mit dem Pinsel ganz feine Punkte auf die vorigen Fehlstellen, aber nicht auf die Originalsubstanz“, erklärt sie weiter.
Daraus ergibt sich eine Restaurierung, die, wenn man sie ganz nah betrachtet, als solche zu erkennen ist, aber mit etwas Abstand zu einem Ganzen wird. „Es ist ein bisschen wie bei der Kunstrichtung des Pointillismus“, erklärt Thomas Martin lachend. Der Farbauftrag ist wasserlöslich und dadurch rückgängig zu machen. Auch das ist dem Sammlungsleiter und der Restauratorin ganz wichtig. „Denn so eine Restaurierung soll ungefähr 50 Jahre halten. Und dann soll man noch sehen können, was Retusche und was Original ist“, sagt Renate Albrecht.
Die Besucher können sich die Fortschritte, aber auch die Unterschiede in den römischen Wandmalereien genau anschauen. Vier zusammenhängende Darstellungen, darunter auch die Gladiatoren, sind bereits fertig, an zwei weiteren wird derzeit gearbeitet, drei weitere werden noch warten müssen. Denn für ein Feld benötigen die Restauratoren bis zu zwei Monate. So kann man sich bis Ende Oktober noch vor Ort die spannende Arbeit der Restauratoren anschauen. Aber ansprechen darf man sie nur am kommenden Sonntag.
„Man darf nicht vergessen, dass es damals
noch keine Fachleute waren, die die Funde
geborgen haben“
erklärt, warum die Fresken teilweise
zerbrochen sind