Die Sieglos-Serie geht ungebremst weiter
Die deutsche Nationalmannschaft kommt gegen die Türkei nicht über ein 3:3 hinaus. Löw streicht gleich fünf Spieler.
(sid) Die chronische „Führungsschwäche“machte Joachim Löw beinahe rasend, für die Aufzählung aller Mängel benötigte der Bundestrainer sämtliche Finger seiner rechten Hand. Spielkontrolle, Chancenverwertung, Organisation, Ballverluste – und nicht zuletzt Mentalität: Vor den wegweisenden Nations-League-Spielen muss der Bundestrainer seiner Mannschaft altbekannte Fehler austreiben und dann mit fast allen Stammkräften endlich wieder gewinnen.
„Enttäuscht und angefressen“ging Löw nach dem 3:3 (1:0) gegen die Türkei in eine Analyse, die für seine Spieler unbequem wird. „Dieses und andere Spiele werden wir intensiv aufbereiten. Darüber müssen wir reden: Was können wir in Führung besser machen?“, kündigte er an: „Daraus wollen wir dann eine neue Mentalität entwickeln.“
Dafür bleibt vor dem Duell in Kiew gegen die Ukraine an diesem Samstag (20.45 Uhr/ARD) wenig Zeit. Allerdings wird auch eine fast komplett andere Mannschaft auf dem Platz stehen: Mit allen sieben bis acht Stammspielern, die am Mittwochabend noch geschont wurden. Führungskräfte sind nun gefragt – im doppelten Sinne. „Abgeklärter, erwachsener, vielleicht dreckiger“müsse das Auftreten werden, forderte der Dortmunder Emre Can.
Zum dritten Mal in Folge nach einer Führung nur ein Remis, wieder ein spätes Gegentor: Am Samstag werden es bereits 326 Tage ohne Sieg für die deutsche Nationalmannschaft sein, oder, wie die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag spöttisch titelte: „Im Jahr 2020 noch unbesiegt – klingt doch super!“Löw hat für derlei Späße wenig übrig: „Es wird wichtig sein, die nächsten Spiele siegreich zu gestalten. Alle sind heiß und motiviert zu gewinnen.“Also auch der fünfköpfige Bayern-Block, die Leipziger Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg sowie Toni Kroos (Real Madrid) und Timo Werner (FC Chelsea), die inzwischen eingetrudelt sind, um in der DFB-Blase ins Risikogebiet Ukraine zu reisen. Dafür verzichtet
Löw auf Nico Schulz, Mahmoud Dahoud, Niklas Stark, Benjamin Henrichs und Nadiem Amiri.
Am Mittwoch wurde der Covid-19-geplagte kommende Gegner von Frankreich 7:1 abgeschossen, Löws mulmiges Gefühl bezieht sich
Lothar Matthäus eher auf die Umstände. „Wir können ja nur das tun, was wir schon gemacht haben: Wir halten uns strengstens an die Auflagen.“Maskenpflicht gilt auch im Hotel, die Sitzungen werden in Kleingruppen abgehalten. „Wir sind in der Blase, in der wir uns bewegen. Wir tun unser Möglichstes und wollen das Spiel dort auch durchführen“, sagte Löw.
Und dies, bitteschön, erfolgreicher als gegen die Türken, die laut Ersatzkapitän Julian Draxler „eingeladen wurden“, ihre Tore zu schießen. Löw fand das „ganz schön ärgerlich, ein 3:1, und der Gegner wäre tot gewesen“. Er hatte aber auch positive Erkenntnisse gewonnen: Das gelungene Debüt des Gladbachers Florian Neuhaus, der auch ein Tor erzielte und als Belohnung weiter zum Kader zählt, stach dabei heraus. „Er hatte viele gute Aktionen“, lobte der Bundestrainer. Vor dem türkischen Ausgleich zum 2:2 wurde Neuhaus jedoch eindeutig über den Haufen gerannt, ein Pfiff des Schiedsrichters blieb allerdings aus. Das trübte den „schönsten Tag“seiner Karriere ein wenig.
Das TV-Interesse wird immer geringer, dazu gibt es auf der anderen Seite scharfe Kritik an Löws Kaderzusammenstellung. Bankdrücker im Verein als Nationalspieler – das ist ein Problem, sagte Rekord-Nationalspieler Lothar Matthäus: „Genau deshalb schaltet für Deutschland
Die deutsche Nationalmannschaft steckt weiter im Quoten-Tief. Das 3:3 (1:0) im Länderspiel gegen die Türkei in Köln lockte in der Spitze nur 6,77 Millionen Zuschauer vor die Fernsehschirme. Durchschnittlich kam die Übertragung bei RTL auf 5,82 Millionen Fans. Das entspricht 21,6 Prozent Marktanteil – der niedrigste Wert der über
keiner mehr den Fernseher ein.“Das bezieht sich auf Spieler wie Julian Brandt, Schulz und Dahoud, die in Dortmund zuletzt wenig bis gar keine Spielzeit bekamen, aber auch Amiri (Leverkusen) oder Draxler (Paris St. Germain).
„Genau deshalb schaltet für Deutschland keiner mehr den
Fernseher ein.“
14-jährigen Ära von Bundestrainer Joachim Löw. Allerdings war das Länderspiel die meistgesehene Sendung des Tages.
Beim Nations-League-Gruppenspiel in Basel gegen die Schweiz
(1:1) hatten im September im ZDF im Schnitt nur 6,51 Millionen (21,7 Prozent) eingeschaltet. Zum Auftakt in die EM-Saison gegen Spanien (1:1) in Stuttgart saßen 7,94 Millionen Anhänger vor den Bildschirmen.
über die vielen Bankdrücker im Verein, die im Kader der Nationalmannschaft stehen