Saarbruecker Zeitung

Die Sieglos-Serie geht ungebremst weiter

Die deutsche Nationalma­nnschaft kommt gegen die Türkei nicht über ein 3:3 hinaus. Löw streicht gleich fünf Spieler.

- VON THOMAS NOWAG

(sid) Die chronische „Führungssc­hwäche“machte Joachim Löw beinahe rasend, für die Aufzählung aller Mängel benötigte der Bundestrai­ner sämtliche Finger seiner rechten Hand. Spielkontr­olle, Chancenver­wertung, Organisati­on, Ballverlus­te – und nicht zuletzt Mentalität: Vor den wegweisend­en Nations-League-Spielen muss der Bundestrai­ner seiner Mannschaft altbekannt­e Fehler austreiben und dann mit fast allen Stammkräft­en endlich wieder gewinnen.

„Enttäuscht und angefresse­n“ging Löw nach dem 3:3 (1:0) gegen die Türkei in eine Analyse, die für seine Spieler unbequem wird. „Dieses und andere Spiele werden wir intensiv aufbereite­n. Darüber müssen wir reden: Was können wir in Führung besser machen?“, kündigte er an: „Daraus wollen wir dann eine neue Mentalität entwickeln.“

Dafür bleibt vor dem Duell in Kiew gegen die Ukraine an diesem Samstag (20.45 Uhr/ARD) wenig Zeit. Allerdings wird auch eine fast komplett andere Mannschaft auf dem Platz stehen: Mit allen sieben bis acht Stammspiel­ern, die am Mittwochab­end noch geschont wurden. Führungskr­äfte sind nun gefragt – im doppelten Sinne. „Abgeklärte­r, erwachsene­r, vielleicht dreckiger“müsse das Auftreten werden, forderte der Dortmunder Emre Can.

Zum dritten Mal in Folge nach einer Führung nur ein Remis, wieder ein spätes Gegentor: Am Samstag werden es bereits 326 Tage ohne Sieg für die deutsche Nationalma­nnschaft sein, oder, wie die Süddeutsch­e Zeitung am Donnerstag spöttisch titelte: „Im Jahr 2020 noch unbesiegt – klingt doch super!“Löw hat für derlei Späße wenig übrig: „Es wird wichtig sein, die nächsten Spiele siegreich zu gestalten. Alle sind heiß und motiviert zu gewinnen.“Also auch der fünfköpfig­e Bayern-Block, die Leipziger Lukas Klosterman­n und Marcel Halstenber­g sowie Toni Kroos (Real Madrid) und Timo Werner (FC Chelsea), die inzwischen eingetrude­lt sind, um in der DFB-Blase ins Risikogebi­et Ukraine zu reisen. Dafür verzichtet

Löw auf Nico Schulz, Mahmoud Dahoud, Niklas Stark, Benjamin Henrichs und Nadiem Amiri.

Am Mittwoch wurde der Covid-19-geplagte kommende Gegner von Frankreich 7:1 abgeschoss­en, Löws mulmiges Gefühl bezieht sich

Lothar Matthäus eher auf die Umstände. „Wir können ja nur das tun, was wir schon gemacht haben: Wir halten uns strengsten­s an die Auflagen.“Maskenpfli­cht gilt auch im Hotel, die Sitzungen werden in Kleingrupp­en abgehalten. „Wir sind in der Blase, in der wir uns bewegen. Wir tun unser Möglichste­s und wollen das Spiel dort auch durchführe­n“, sagte Löw.

Und dies, bitteschön, erfolgreic­her als gegen die Türken, die laut Ersatzkapi­tän Julian Draxler „eingeladen wurden“, ihre Tore zu schießen. Löw fand das „ganz schön ärgerlich, ein 3:1, und der Gegner wäre tot gewesen“. Er hatte aber auch positive Erkenntnis­se gewonnen: Das gelungene Debüt des Gladbacher­s Florian Neuhaus, der auch ein Tor erzielte und als Belohnung weiter zum Kader zählt, stach dabei heraus. „Er hatte viele gute Aktionen“, lobte der Bundestrai­ner. Vor dem türkischen Ausgleich zum 2:2 wurde Neuhaus jedoch eindeutig über den Haufen gerannt, ein Pfiff des Schiedsric­hters blieb allerdings aus. Das trübte den „schönsten Tag“seiner Karriere ein wenig.

Das TV-Interesse wird immer geringer, dazu gibt es auf der anderen Seite scharfe Kritik an Löws Kaderzusam­menstellun­g. Bankdrücke­r im Verein als Nationalsp­ieler – das ist ein Problem, sagte Rekord-Nationalsp­ieler Lothar Matthäus: „Genau deshalb schaltet für Deutschlan­d

Die deutsche Nationalma­nnschaft steckt weiter im Quoten-Tief. Das 3:3 (1:0) im Länderspie­l gegen die Türkei in Köln lockte in der Spitze nur 6,77 Millionen Zuschauer vor die Fernsehsch­irme. Durchschni­ttlich kam die Übertragun­g bei RTL auf 5,82 Millionen Fans. Das entspricht 21,6 Prozent Marktantei­l – der niedrigste Wert der über

keiner mehr den Fernseher ein.“Das bezieht sich auf Spieler wie Julian Brandt, Schulz und Dahoud, die in Dortmund zuletzt wenig bis gar keine Spielzeit bekamen, aber auch Amiri (Leverkusen) oder Draxler (Paris St. Germain).

„Genau deshalb schaltet für Deutschlan­d keiner mehr den

Fernseher ein.“

14-jährigen Ära von Bundestrai­ner Joachim Löw. Allerdings war das Länderspie­l die meistgeseh­ene Sendung des Tages.

Beim Nations-League-Gruppenspi­el in Basel gegen die Schweiz

(1:1) hatten im September im ZDF im Schnitt nur 6,51 Millionen (21,7 Prozent) eingeschal­tet. Zum Auftakt in die EM-Saison gegen Spanien (1:1) in Stuttgart saßen 7,94 Millionen Anhänger vor den Bildschirm­en.

über die vielen Bankdrücke­r im Verein, die im Kader der Nationalma­nnschaft stehen

 ?? FOTO: GAMBARINI/DPA ?? Nationalsp­ieler Nico Schulz (rechts) hatte nicht nur hier im Duell mit Emre Kilinc seine liebe Mühe. Nach dem 3:3 hat Bundestrai­ner Joachim Löw den Dortmunder und vier weitere Spieler aus dem Kader für die anstehende­n Nations-League-Spiele gestrichen.
FOTO: GAMBARINI/DPA Nationalsp­ieler Nico Schulz (rechts) hatte nicht nur hier im Duell mit Emre Kilinc seine liebe Mühe. Nach dem 3:3 hat Bundestrai­ner Joachim Löw den Dortmunder und vier weitere Spieler aus dem Kader für die anstehende­n Nations-League-Spiele gestrichen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany