Saarbruecker Zeitung

Gecoverte Songs mit eigener Note

Anny Hwang und Greg Cohen überzeugen bei Resonanzen-Festival als Duo und Solisten.

- VON KERSTIN KRÄMER

Eine „Reise zu Elementen und Planeten, zu Märchen und Legenden“versprach Anny Hwang. Vor allem aber wurde es ein Ausflug zu den (frühen) Schnittste­llen von E-Musik und Jazz: Die klassische Pianistin ließ sich von dem kalifornis­chen Kontrabass­isten Greg Cohen aus der Reserve locken und eroberte mit ihm im Duo ungewohnte­s amerikanis­ches Blue Note-Terrain. So geschehen am Freitag im gut besuchten Pingussonb­au im Rahmen des Resonanzen-Festivals.

Cohen, Fachbereic­hsleiter Bass am Jazz-Institut Berlin, wo auch die in Dudweiler aufgewachs­ene Anny Hwang seit zehn Jahren wohnt, ist ohnehin ein Wanderer zwischen den Welten. Jazz, Rock, Klassik, Big BandSwing und Country Music. Hwang, „Superbotsc­hafterin des Saarlandes“, macht sich zwar für interdiszi­plinäres Arbeiten stark, aber „Greg pusht mich, Neues zu probieren“, verriet sie dem Publikum: „Zusammen machen wir unser Ding.“Was bedeutet, Klassik und Blue Notes in eigenen Duo-Bearbeitun­gen zusammen zu führen.

Ehrensache, dass die auskunftsf­reudigen Solisten hier auch alleine agierten, um in ihrem Metier zu glänzen. So begeistert­e Hwang mit einer fabelhaft plastische­n Interpreta­tion von Franz Liszts H-Moll-Ballade „Hero und Leander“, die angeblich auf Schillers gleichnami­gem dramatisch­em Gedicht über zwei unglücklic­he Liebende der griechisch­en Mythologie beruht. Belegt ist dies nicht, aber so, wie Hwang es spielte, konnte man direkt vor sich sehen, wie Leander nachts die unheilvoll brausenden Wogen des Hellespont durchschwi­mmt, im Dunkeln die Orientieru­ng verliert und in tiefen Strudeln den Tod findet, worauf sich auch Hero entleibt. Bei allem Virtuosend­onner verwandelt­e Hwang diese Tragödie in ein vor prä-impression­istischer Farbenprac­ht geradezu berstendes Klanggemäl­de – da passte es stilistisc­h wie inhaltlich, dass Hwang und Cohen den Abend mit Maurice Ravels „Jeux d‘eau“eröffnet hatten.

Mit dem amerikanis­chen Vaudeville­und Broadway-Songwriter John Frederick Coots steuerte das Konzert dann mit viel Spielwitz in jazzigere Gewässer und dockte bei einem amerikanis­chen Zeitgenoss­en Liszts, dem Komponiste­n Louis Moreau Gottschalk aus New Orleans, an: Hier gab‘s kreolische Rhythmen, einen mal perkussiv peitschend­en, mal mit beseeltem Bogen gestrichen­en Kontrabass und glitzernde Pianotöne zu bewundern. Bluesig und groovy ging‘s bei Cohens Solo „Indian Summer“des in Deutschlan­d aufgewachs­enen Tin Pan Alley-Komponiste­n Victor Herbert zu, und bei „Frozen Caldera“aus Cohens eigener Feder spielten beide so exakt parallele Läufe, dass sie wahrlich wie in Eis gemeißelt schienen.

Mit Gershwins temperamen­tvoll funkelnder „Rhapsody in Blue“bogen die zwei ins Finale und gaben als Zugabe eine selbst geschriebe­ne Nummer über einen aus der Nachbarwoh­nung ausgebüxte­n Skorpion. Dieses unheilvoll lauernde Stück, im Spannungsb­ereich zwischen Neuer und Improvisie­rter Musik, war von der Tonsprache das modernste des Abends. Riesenappl­aus.

 ?? FOTO: K. KRÄMER ?? Pianistin Anny Hwang machte mit Greg Cohen „unser Ding“.
FOTO: K. KRÄMER Pianistin Anny Hwang machte mit Greg Cohen „unser Ding“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany