Saarbruecker Zeitung

Trance-artiger Sog im Dämmerlich­t

Ammonites bunte Lichter tanzen zu den Klängen des Jazz-Trompeters Nils Petter Molvaer.

- Produktion dieser Seite: Moritz Scheidel, Michael Kipp Oliver Schwambach

(kek) Eine spiralförm­ige Achterbahn aus Neonröhren in rhythmisch pulsierend­em Lichtund Farbenraus­ch – so sieht die Konstrukti­on für die Lichtinsta­llation Ammonite aus, die während des Resonanzen-Festivals schon mehrfach zu bewundern war. Geschaffen wurde sie 2017 von dem Brüsseler Collectif Scale, um Konzerte visuell zu veredeln: Ammonite reagiert auf Musik und macht so jeden Auftritt zum Genre-überschrei­tenden Gesamtkuns­twerk.

Am Samstag begleitete das Lichtspekt­akel nun das ausverkauf­te Solo des hoch gehandelte­n norwegisch­en Jazz-Trompeters Nils Petter Molvaer, der als Pionier der Fusion akustische­r und elektronis­cher Klangerzeu­gung gilt. In der düsteren Johanneski­rche verschwand der 60-jährige Klangforsc­her schier in den Schwaden einer Nebelmasch­ine, die den Altarraum in ein dunstig unwirklich­es Dämmerlich­t tauchten: In diesem fantastisc­hen Tempel konnte Ammonite seine volle Wirkung entfalten. Irgendwie schien die Kälte im Raum (wegen der Corona-Regeln durfte nicht geheizt werden) die surreale Atmosphäre noch zu verstärken, und auch der ausgeprägt­e Hall des Gotteshaus­es machte sich in dieser Hinsicht ausnahmswe­ise einmal positiv bemerkbar. Dabei nutzte Molvaer schon diverse Soundeffek­te, um den bemerkensw­ert flauschige­n Ton seiner schwärende­n Trompete überdimens­ional aufzuplust­ern beziehungs­weise zu verfremden und in die mal sphärische, mal eher perkussive Klangkulis­se einzubette­n. Selbst wenn die diffus wabernden Beats sich verdichtet­en, schärfer, härter und rauher wurden, herrschte doch meist eine - typisch skandinavi­sch - introverti­erte Grundstimm­ung.

So hockte Molvaer oft passiv vornüber gebeugt, kontemplat­iv den Sounds nachlausch­end, die er zuvor mittels Laptop entfacht hatte. In diesem Trance-artigen Sog mischten sich nordische Naturempfi­ndung und asiatische Klangphilo­sophie mit weiteren weltmusika­lischen Einflüssen und urbanen Grooves: Mal schien man in der afrikanisc­hen Steppe Zeuge archaische­r Rituale und beschwören­der Voodoo-Kults zu werden, dann wieder kippte die Stimmung mit Orgelkläng­en ins weihevoll Sakrale. Und Ammonites bunte Lichter tanzten dazu, in Intensität und Tempo angepasst. Mal wogten sie sanft und fließend, mal hüpften sie als quirlige einzelne Punkte, explodiert­en wie ein Feuerwerk.

Als Zugabe nach all diesen Trompeten-Fantasien spielte Molvaer zum Kontrast eine reduzierte Version von Ehden Ahbez‘ melancholi­schem Jazzstanda­rd „Nature Boy“, in die leider einige Konzertbes­ucher respektlos hinein lärmten.

Co-Festivalle­iter Sebastian Studnitzky zeigte sich mit dem Verlauf von Resonanzen trotz kurzfristi­ger Corona-bedingter Absagen und räumlicher Umdisponie­rungen „sehr glücklich“: „Das Festival war schon eine krasse Nummer! Die Musiker waren froh, dass sie wieder spielen durften.“

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FOTO: K. KRÄMER Nils Petter Molvaer sorgte für eine introviert­e Grundstimm­ung.

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