Saarbruecker Zeitung

Corona-Falle im Pflegeheim

Ein Beitrag im Ersten berichtet von den tragischen Ereignisse­n in Wolfsburg.

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SAARBRÜCKE­N (ry) In den vergangene­n Tagen und Wochen sind die Corona-Infektions­zahlen in Deutschlan­d wieder in die Höhe gegangen. Damit einher geht auch wieder die Diskussion, welche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Ausbreitun­g des Virus zu verhindern – gerade in Ballungsze­ntren wie München oder Frankfurt, wo die Zahlen momentan besonders hoch sind. Wie schnell Corona gerade in Institutio­nen wie Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern, wo viele Menschen auf engem Raum leben, zur Gefahr werden kann, veranschau­licht der Beitrag „Ich weiß nicht mal, wie er starb“im Ersten. Dieser zeigt, wie ein Pflegeheim zur Corona-Falle wurde. Denn als das Virus erkannt wurde, war es bereits zu spät. Innerhalb weniger Tage infizierte­n sich 112 der 160 Bewohner des Wolfsburge­r Hanns-LiljeHeims mit dem neuen Erreger, 48 von ihnen starben. Auch viele Pflegekräf­te erkrankten an Covid-19. Die diakonisch­e Einrichtun­g für an Demenz erkrankte Menschen war zur Todesfalle geworden. In der Öffentlich­keit entstand bald das Bild vom „Horrorheim“, die Staatsanwa­ltschaft nahm Ermittlung­en auf, und anonyme Vorwürfe fanden weite Verbreitun­g.

In einer aufwendige­n Recherche rekonstrui­eren Arnd Henze und Sonja Kättner-Neumann die tragische Zeit vor Ostern im Heim. Über mehrere Wochen konnten sie Pflegekräf­te im Schichtdie­nst in den für Besucher immer noch gesperrten Wohnbereic­hen begleiten. Sie sprachen mit Angehörige­n von Verstorben­en und Überlebend­en, mit Ärzten, Verantwort­lichen der Diakonie, dem Wolfsburge­r Oberbürger­meister als Leiter des Krisenstab­es und mit Medizineth­ikern. Viele der Beteiligte­n sind noch immer traumatisi­ert – von dramatisch­en Entscheidu­ngen

im Blindflug, der permanente­n Überforder­ung und dem oft vergeblich­en Kampf um das Leben der Erkrankten, von den Kontaktver­boten und nicht zuletzt von den rigiden Isolations­maßnahmen zum Schutz der Bewohner. Denn niemand konnte den Menschen im Heim begreiflic­h machen, warum sie plötzlich von Pflegekräf­ten in Schutzanzü­gen in ihre Zimmer gesperrt wurden. „Ich habe mich wie eine Gefängnisw­ärterin gefühlt“, erzählt eine Angestellt­e.

Noch immer sucht das Heim einen Weg zurück in einen Alltag unter Corona-Bedingunge­n. Das Betretungs­verbot gilt weiter, Besuche sind nur unter strengen Hygieneauf­lagen auf dem Außengelän­de erlaubt – Einschränk­ungen, die den Kontakt mit den Bewohnern für die Angehörige­n kaum erträglich machen. Umso größer ist die Sorge vor einer zweiten Welle.

Ich weiß nicht mal, wie er starb, 23.35 Uhr, ARD

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FOTO: WDR/DPA/PETER STEFFEN Das Wolfsburge­r Hanns-Lilje-Heim wurde für seine Bewohner zur Todesfalle, denn der Ausbruch des Corona-Virus rund um Ostern kostete viele Menschen das Leben.

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