Bedroht die Verkehrswende den Handel?
Eine autofreie Saarbrücker Innenstadt bis 2025 – das fordert Fridays for Future Saar. Was sagen Geschäftsleute aus der City dazu?
Es war nur ein Punkt unter vielen, der jedoch mit Abstand am meisten für Furore sorgte: Zum globalen Klimastreik am 25. September legten Aktivisten von Fridays for Future Saar (FFF) einen Katalog mit Forderungen vor, darunter die einer autofreien Saarbrücker Innenstadt bis 2025 (C1). Gemeint ist damit ein großes Gebiet rechts der Saar, inklusive des gesamten Nauwieser Viertels (siehe Infografik). Mit unter anderem dem Naturschutzverband BUND, dem Verkehrsclub Deutschland und Greenpeace Saar hat FFF einige prominente Unterstützer. Vertreter des Handelsverbandes und der IHK sorgten sich dagegen um die Geschäfte in der Innenstadt. Bedenken, die von vielen Betroffenen selbst allerdings nicht geteilt werden, wie unsere Umfrage unter Geschäftsinhabern und Gastronomen ergab.
Anne-Esther Krebs, die in der Mainzer Straße einen Blumenladen betreibt, glaubt nicht an negative Auswirkungen für die lokale Wirtschaft: Die meisten ihrer Kunden kämen ohnehin zu Fuß, und andere Städte würden schließlich zeigen, dass eine Beschränkung des Autoverkehrs möglich sei, ohne den ansässigen Geschäften zu schaden (siehe Artikel unten). „Aber dann muss die Stadt auch was machen“, erklärt sie entschieden. Parkplätze außerhalb des Zentrums mit Bustransfer und günstiger ÖPNV nennt sie als Beispiel – Maßnahmen, die auch FFF fordert. Ambitionierte Ziele, die jedoch nach Ansicht der Floristin machbar und allein schon wegen Luftverschmutzung und Autolärm nötig seien. Warum gibt es dann gegen die Pläne auch großen Widerstand? Anne-Esther Krebs meint dazu: „Die Leute haben immer Angst vor Veränderung. Nach ein paar Jahren lebt man dann aber damit, als ob es immer so gewesen wäre.“Sie erinnere sich noch gut an die Zeit, als auf der Bahnhofstraße noch Autos fuhren (siehe Bericht unten).
Wenige Schritte entfernt ist Martine Wack entschieden anderer Meinung. Man könne die Mainzer Straße nicht mit der Bahnhofstraße vergleichen. „Für mein Geschäft wäre das eine Katastrophe“, sagt die Inhaberin des Bekleidungsgeschäfts Fanfan. Nicht nur gäbe es unter ihren Kunden viele Franzosen, die mit dem Auto kämen. Auch ihr Versandhandel, der täglichen Lieferverkehr nötig macht, wäre deutlich schwerer zu organisieren. „Ich denke, ich würde das Geschäft dann aufgeben müssen.“
Auch im Biofrischmarkt in der Dudweiler Straße teilt man diese Befürchtungen. „Was wir davon halten, ist aber eigentlich egal“, meint die Filialleiterin allerdings. „Die Idee wird sich eh nicht durchsetzen.“
Die Meinungen im lokalen Handel sind also gespalten – anders als bei den Gastronomen. Giovanni D’Arcangelo vom Jules Verne an der der Ecke Mainzer Straße und Paul-Marien-Straße meint zwar, dass es schwer vorauszusehen sei, wie sich ein solcher Plan auf die Gastronomie auswirken würde. Trotzdem sei er „grundsätzlich dafür“, denn „letztlich ist auch bei dem letzten Skeptiker angekommen, dass wir so nicht weitermachen können.“
Hamdi Yasar vom Star of India in der Johannisstraße ist dagegen vom positiven Effekt für sein Geschäft überzeugt: „Das Nauwieser Viertel ist sowieso eine sehr schöne Gegend“, sagt er, „eine autofreie Zone wäre hier sensationell.“Gerade weil das Restaurant vergleichsweise klein sei, wäre es schön, draußen mehr Platz für Stühle zu haben. „Aber auch wegen Umweltschutz wäre das gut“, betont er.
In der Kulturkneipe Terminus schüttelt Geoffroy Muller überraschenderweise den Kopf, als es um den Platz für mehr Bestuhlung geht: Die gewonnene Lebensqualität sei viel entscheidender. Allein die ständige Parkplatzsuche bedeute einen großen Zeitverlust. Auch er zieht den Vergleich mit anderen europäischen Städten, die viel mehr Fußgängerzonen ausweisen als Saarbrücken und hält negative Auswirkungen auf sein Geschäft für unwahrscheinlich: Seine Gäste kämen hauptsächlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad, zudem sei die Saarbahn-Haltestelle am Landwehrplatz nur einen Steinwurf entfernt. Eine Einschränkung hat er allerdings: „Ich habe viele Gäste aus Saargemünd, die leider mit dem Auto kommen – aber nur, weil die Fahrt mit der Saarbahn so teuer ist.“Eine Fahrkarte kostet hin und zurück fast zwölf Euro. „Eine Schande“, findet Muller. Ein Umdenken sei dringend notwendig, aber er sei da optimistisch: „Ohne Auto kann man besser leben“, schließt der Wirt überzeugt.
Am Landwehrplatz selbst herrscht an diesem Tag, wie so häufig, Parkplatzmangel. Die letzte freie Lücke reicht gerade so für Janoschs Kleinwagen. Anwohner sei er nicht, aber regelmäßig vor Ort, um Verwandte zu besuchen. „Ich sag mal so: Wenn Bahn und Bus besser fahren würden, würde ich lieber damit kommen“, erklärt er. Für weitere Fragen hat er leider keine Zeit: Wegen des starken Verkehrs sei er bereits eine halbe Stunde verspätet.
„Es geht nicht um eine größere Terrasse, sondern um ein besseres Leben in der Stadt.“
Geoffroy Muller Wirt im „Terminus“