Saarbruecker Zeitung

Galaktisch gudd gess

Welche saarländis­che Spezialitä­t nimmt Astronaut Matthias Maurer mit ins All? Zehn Gastronome­n kochen um die Wette.

- VON SARAH KONRAD

Gegen eine der wichtigste­n Saarland-Regeln will Matthias Maurer auch im Weltraum nicht verstoßen. „Hauptsach gudd gess“– gilt für ihn nicht nur auf der Erde, sondern ebenso auf der Internatio­nalen Raumstatio­n (ISS). Damit der Groniger Astronaut dort oben kulinarisc­h in den höchsten Sphären schweben kann, möchte er Verpflegun­g aus seiner Heimat mitnehmen. Allerdings gibt es ein Problem: Schwenken ist in der Schwerelos­igkeit unmöglich. Es muss eine andere Lösung her. Und hier kommen nun die Gastronome­n der Genussregi­on Saarland ins Spiel. „Sie können für mich ein Menü zusammenst­ellen, das ich mit zur ISS nehmen werde“, verrät Maurer. Fernab von Dibbelabbe­s und Lyoner solle dieses eigens kreierte Gericht die gute Küche und das moderne Saarland widerspieg­eln. „Ich finde, es gibt in der Region sehr viel gutes Essen. Das wird nach außen ein bisschen unterbewer­tet und das möchte ich mit dieser Aktion korrigiere­n“, erläutert der 50-Jährige.

Um ihm seinen Wunsch zu erfüllen, haben die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (Esa), die Tourismusz­entrale Saarland, der Airline-Catering-Spezialist LSG Group und der Saarländis­che Rundfunk (SR) einen Wettbewerb gestartet. Sie suchen das perfekte Weltraum-Dinner, bestehend aus

Haupt- und Nachspeise. Zehn Gastronome­n aus der Region (siehe Infobox) haben die Kochlöffel in den Ring geworfen. Sie möchten Teil von Maurers Mission werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Zunächst einmal müssen die Teilnehmer die Saarländer von ihren Kreationen überzeugen. In kurzen Filmbeiträ­gen stellen sie sich und ihre Sterne-Küche vor. Zu sehen gibt es die Videos auf der Webseite www.urlaub.saarland/maurermenu­e. Dort können Internetnu­tzer bis zum 7. November ihren Favoriten wählen. Während der Abstimmung­sphase bieten die Gastronome­n die jeweiligen Gerichte auch auf ihren Speisekart­en an. So können sich Feinschmec­ker höchstpers­önlich von der Qualität des Maurer-Menüs überzeugen. Die drei bestbewert­eten Gerichte müssen schließlic­h noch vor einer fünfköpfig­en Jury (siehe Infobox) bestehen. Deren Mitglieder verkosten die Speisen in einer Fernsehsho­w, die am 21. November ab 18.15 Uhr im SR ausgestrah­lt wird.

Danach verwandeln Mitarbeite­r der LSG Group das Sieger-Dinner in sogenannte­s Space Food – sprich in Nahrung, die den extremen Bedingunge­n der Schwerelos­igkeit standhält. „Vom Erhalt des Rezepts bis zum laborgeprü­ften Produkt benötigen sie mindestens 18 Wochen“, informiert die Esa. Da Maurer voraussich­tlich im letzten Quartal 2021 zu seiner ersten Mission aufbrechen wird, dränge die Zeit. Um rechtzeiti­g an Bord zu gelangen, müssten die Rezepte bereits im November 2020 feststehen. Gleich im Anschluss beginne die Produktion. Im Frühjahr würden die Dosen ihre Reise nach Houston antreten. Von dort gehe es weiter nach Cape Canaveral und anschließe­nd zur ISS. In rund 400 Kilometern Höhe wird sich Maurer über die kulinarisc­hen Spezialitä­ten aus der Heimat freuen. „Ich darf vorher nichts davon probieren. Das soll eine Überraschu­ng sein“, erklärt er.

Eine Überraschu­ng, die sich der Astronaut auf keinen Fall selbst verderben möchte. Um die Gastronome­n nicht zu beeinfluss­en, bleibt sein saarländis­ches Leibgerich­t ein Geheimnis. Nur so viel: Bei Heimatbesu­chen freue er sich auf das gute Essen von Mama. „Sie kocht hauptsächl­ich mit Produkten aus dem Garten“, verrät Maurer. Oft gebe es Gemüse oder Salat als Beilage. „Das schmeckt unglaublic­h gut und ist nicht vergleichb­ar mit den Produkten, die man im Supermarkt kaufen kann.“

Während zu Hause also frische Kost auf den Teller kommt, stehen im Weltraum vor allem Lebensmitt­el auf dem Speiseplan, die mindestens zwei bis drei Jahre haltbar sind. Aber Maurer betont: „Die Nahrung, die wir auf der ISS bekommen, ist hervorrage­nd.“Die Zeiten, in denen sich hungrige Raumfahrer aus Tuben ernährt und trockene Riegel runter gewürgt haben, sind längst vorbei. Schon vor dem Flug dürfen sie eine Reihe verschiede­ner Speisen ausgiebig testen. Maurer hat dabei das russische Weltraumes­sen für sich entdeckt. Das schmecke „unglaublic­h lecker“. Um einen möglichst vielfältig­en Speiseplan zusammenzu­stellen, möchte er aber auch noch Gerichte aus Europa und Japan ins Versorgung­sschiff packen. Weitaus komplizier­ter ist hingegen die Getränke-Wahl. „Eine Alternativ­e zu gutem Kaffee zu finden, hat für mich oberste Priorität“, erzählt der Astronaut.

Etwa 3000 Kalorien soll er auf der ISS pro Tag zu sich nehmen. Der Körper benötigt die Energie, um die anstrengen­de Forschungs­arbeit und das tägliche Sportprogr­amm zu meistern. Allerdings sind nicht alle Lebensmitt­el für den Verzehr im All geeignet. Was krümelt, ist beispielsw­eise tabu. Schließlic­h könnten kleine Brocken davonschwe­ben und technische Geräte in der ISS beschädige­n. Gleiches gilt für Soßen und Suppen. Die müssen zu einem dicken Brei verarbeite­t werden, damit sich keine Tröpfchen lösen können. Weil der Geschmacks­sinn in der Schwerelos­igkeit nachlässt, muss Weltraumko­st stärker gewürzt werden. „Da aber nur wenig Salz verwendet werden sollte, kann intensiver­er Geschmack durch den verstärkte­n Einsatz von Kräutern erzielt werden“, heißt es in einem speziellen Leitfaden der Europäisch­en Weltraumor­ganisation.

Doch wie bereiten sich Astronaute­n in ihrer galaktisch­en Küche die Mahlzeiten überhaupt zu? Meist wird dem Essen die Flüssigkei­t entzogen. Möchten sich Raumfahrer einen Snack wärmen, müssen sie dem Gericht nur heißes Wasser hinzufügen. Viele Speisen werden aber auch in Dosen gefüllt, die je zirka 200 Gramm wiegen dürfen. „Im Weltraum essen wir direkt aus den Plastiktüt­en oder Metalldose­n“, sagt

Maurer. Das sei optisch nicht gerade ansprechen­d. Umso wichtiger ist daher der Geschmack – auch, weil die Nahrungsau­fnahme fernab der Erde eine willkommen­e Abwechslun­g bietet. Sie fördere somit nicht nur die körperlich­e Gesundheit, sondern auch das geistige Wohlbefind­en. „Astronaute­n, die bereits geflogen sind, haben mir erzählt, dass das Essen im Weltraum eine deutlich höhere Bedeutung hat als auf dem Boden“, berichtet Maurer. Es sei auf der ISS ganz wichtig für die Motivation und den Teamgeist.

Oft würden sich die Bewohner der

Raumstatio­n zum Essen verabreden. „Mal laden uns die russischen Kosmonaute­n in ihr Modul ein und teilen ihre Speisen mit uns. Mal umgekehrt“, erzählt der Groniger. Dadurch werde die Beziehung zu anderen Besatzungs­mitglieder­n gestärkt und die Moral an Bord verbessert. Außerdem sei es eine Möglichkei­t, die unterschie­dlichen Kulturen kennenzule­rnen. Deshalb habe er sich auch gewünscht, etwas aus seiner Heimat mitzunehme­n: „An einem Feiertag möchte ich das saarländis­che Menü mit meinen Weltraumfr­eunden teilen und es gemeinsam mit ihnen genießen.“

 ?? FOTO: M. LOCH ?? „Hauptsach gudd gess“— wie das im Weltraum funktionie­ren kann, zeigt dieses Kunstwerk von Michael Loch. Der bemalte Stein gehört zur Gruppe Happy Stones
WND.
FOTO: M. LOCH „Hauptsach gudd gess“— wie das im Weltraum funktionie­ren kann, zeigt dieses Kunstwerk von Michael Loch. Der bemalte Stein gehört zur Gruppe Happy Stones WND.
 ?? FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA ?? Bei seinen Heimatbesu­chen in Gronig freut sich Matthias Maurer besonders auf das gute Essen
seiner Mama. Im kommenden Jahr wird der Astronaut darauf jedoch für eine Weile verzichten müssen. Denn voraussich­tlich im letzten Quartal wird er zur ISS abheben.
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Bei seinen Heimatbesu­chen in Gronig freut sich Matthias Maurer besonders auf das gute Essen seiner Mama. Im kommenden Jahr wird der Astronaut darauf jedoch für eine Weile verzichten müssen. Denn voraussich­tlich im letzten Quartal wird er zur ISS abheben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany