„In einem Atemzug mit den Ikonen“
Kevin Krawietz und Andreas Mies verteidigen ihren Titel im Herrendoppel bei den French Open. Polin Swiatek siegt bei den Frauen.
(sid) Andreas Mies wollte „komplett durchdrehen“, Kevin Krawietz es „so richtig krachen lassen“– die gute Nachricht für alle besorgten Pariser Bürger kam aber sogleich: Trotz der aufgedrehten deutschen Doppel-Helden war diesmal zumindest das berühmte Wahrzeichen der Stadt nicht in Gefahr. „Letztes Jahr haben wir es mit 56 Mann nicht geschafft, den Eiffelturm abzureißen“, scherzte Mies nach dem erneuten Triumph bei den French Open: „Deswegen wird es in diesem Jahr mit 14 Mann auch nicht passieren – obwohl wir gerade so viel Kraft haben, dass es möglich wäre.“
Dass „KraMies“ihre erfolgreiche Titelverteidigung in Roland Garros auch mit kleinerer Party-Besetzung gebührend feierten, darum musste man sich trotz Corona-Beschränkungen in Paris keine Sorgen machen. Mies wünschte sich zwar erstmal nichts mehr als einen Käsekuchen, Krawietz kündigte aber direkt an: „Wir geben Gas.“Das Erfolgsduo aus Coburg und Köln hatte auch allen Grund zum Feiern. Im Vorjahr hatten Krawietz (28) und Mies (30) bei den French Open für den ersten deutschen Doppel-Titel seit 82 Jahren gesorgt, 16 Monate später fügten sie ihrem Pariser Tennis-Märchen nicht weniger sensationell ein weiteres glorreiches Kapitel hinzu. „Diese Leistung ist sogar noch größer als der Titel im vergangenen Jahr“, sagte Mies: „Einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, ist immer schwer. Den Titel zu verteidigen, ist immer noch schwerer.“
Und doch haben es Krawietz/ Mies geschafft – in beeindruckender Manier. Immerhin standen ihnen im Finale die US-Open-Sieger Mate Pavic/Bruno Soares (Kroatien/ Brasilien) gegenüber. Doch auch das klare 6:3, 7:5 war absolut verdient. Und erneut sicherten sich die beiden Deutschen einen Platz in den Geschichtsbüchern: Sie sind erst das vierte Männerduo in der Ära des Profitennis, das seinen Titel bei den
French Open verteidigt hat. „Ein Teil der Geschichte zu sein, ist immer ein Bonuspunkt“, sagte Krawietz ehrfürchtig: „Wir hätten uns nie erträumen lassen, dass wir mal in einem Atemzug mit den Ikonen genannt werden würden.“Auch Mies wurde ganz emotional. „Hier mit Kevin zu sitzen, gemeinsam auf den Boden zu fallen, diese Trophäe wieder dabei zu haben – deshalb spielen wir, um diese Momente immer wieder zu erleben“, sagte er.
Vor drei Jahren hatten es die beiden erstmals miteinander im Doppel versucht, es folgte eine verrückte Erfolgsgeschichte mit vielen Aufs und Abs. Auf den Überraschungstitel in Paris folgte ein Erstrunden-Aus in Wimbledon, auf das Halbfinale bei den US Open die Auftaktpleite in Melbourne. Und dann kam die Corona-Krise, die Krawietz etwa nutzte, um bei einem Discounter auf 450-Euro-Basis zu jobben und einen Perspektivwechsel zu erlangen. Umso glücklicher waren sie, dass sie nach Paris zurückkehren konnten – an ihren „magischen Ort“, wie Mies sagte, an dem die Doppelspieler noch immer ungeschlagen sind. „Das ist verrückt“, sagte Krawietz, und die Warnung an die Konkurrenz schickten die Sandplatzkönige gleich hinterher. „Wir werden das auch noch auf anderen Belägen zeigen“, sagte Mies und lachte.
Viel zu lachen hatte auch die Polin Iga Swiatek. Die 19-Jährige hatte ein paar Stunden zuvor sensationell das Damenfinale gegen die US-Amerikanerin Sofia Kenin mit 6:4, 6:1 gewonnen. Als erste Spielerin seit der Belgierin Justine Henin 2007 holte sie den Titel ohne Satzverlust. Swiatek ist zudem die jüngste French-Open-Siegerin seit Monica Seles 1992.