Die Angst vor der erneuten Durststrecke
Britischen Gastronomen stehen wegen Corona harte Wochen bevor. In Schottland müssen für gut zwei Wochen Pubs und Restaurants wieder schließen. Auch England könnte bald folgen.
Das Ende der vorläufigen Durststrecke ist erst drei Monate her, doch Pubs und Restaurants in England könnten angesichts stark steigender Infektionszahlen nächste Woche schon wieder schließen müssen. Und damit Schottlands Vorbild folgen. Im Großteil der nördlichen Provinz, darunter in Glasgow und Edinburgh, gilt seit Freitag eine 16-tägige Zwangspause für das Gastronomiegewerbe. In weniger dicht besiedelten Gebieten dürfen die Gasthäuser Alkohol nur im Außenbereich ausschenken. Die Maßnahmen seien als „kurze, scharfe Aktion“gedacht, begründete die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon. Zwar wurden bereits vor wenigen Wochen die Restriktionen
für das ganze Land verschärft. So gilt etwa eine strengere Maskenpflicht, zudem müssen Pubs, Bars und Restaurants um 22 Uhr schließen und laut der „Rule of Six“dürfen sich nur maximal sechs Menschen treffen. Doch vor allem im Norden Englands wie in Newcastle, Manchester und Liverpool stieg die Zahl der Infektionen zuletzt stark an – trotz der im Vergleich zu London strengeren Maßnahmen, die etwa im Großraum Manchester bereits seit zwei Monaten gelten.
Das Chaos ist auch dem System geschuldet. Während Wales, Schottland und Nordirland eigene, dezentrale Landesregierungen haben und über lokale Einschränkungen selbst entscheiden können, füllt Boris Johnson eine Doppelrolle aus. Er regiert als Premierminister das gesamte Königreich, ist aber auch englischer Landeschef, weil der Teil keine separate Landesregierung hat. Und Johnson steht massiv unter Druck, auch in der eigenen konservativen Partei. Ein Minister klagte, die Situation gerate „außer Kontrolle“. Seit Wochen steigt die Zahl der Infektionen im Königreich. 17 540 neue Fälle wurden am Donnerstag für die vergangenen 24 Stunden gemeldet, diese Woche starben rund 70 positiv auf das Coronavirus getestete Menschen pro Tag. Schätzungen der Nationalen Statistikbehörde ONS zufolge ist im Königreich derzeit einer von 240 Menschen mit dem Virus infiziert. Der Trend sei „klar und sehr besorgniserregend“, hieß es von Seiten der Gesundheitsbehörde Public Health England.
Die Angst ist groß vor weiteren Umsatzverlusten, Pleiten und Massenentlassungen im Gastgewerbe.
Nicht nur, dass offenbar erneut Kontaktbeschränkungen zwischen verschiedenen Haushalten angedacht sind. Besitzer von Pubs, Restaurants und Cafés im Norden Englands und in den Midlands befürchten, dass auch sie nächste Woche ihre Zapfhähne wieder abdrehen und schließen müssen. Die Angst ist groß vor weiteren Umsatzverlusten, Pleiten und Massenentlassungen im Gastgewerbe. Gerade erst hat die Kette Greene King angekündigt, 79 Pubs zu schließen und bis zu 800 Stellen zu streichen. Mit der Unsicherheit wächst die Sorge um eine schnelle Erholung der drastisch eingebrochenen Wirtschaft. Gleichzeitig verzeichnet das Land mit bislang mehr als 42 500 Toten so viele Corona-Sterbefälle wie kein anderer Staat in Europa. Der Kurs der Regierung gilt als Gratwanderung.
Die Scottish Hospitality Group, ein Zusammenschluss einiger der landesweit bekanntesten Kneipen und Restaurants, beschuldigte die Erste Ministerin Sturgeon derweil, für viele Unternehmen „gewissermaßen das Todesurteil zu unterzeichnen“. Die Wirtschaftskammer in Edinburgh bezeichnete die Maßnahmen als „Sargnagel“für zahlreiche Betriebe in der Gastwirtschaft. Gleichwohl prangern Kritiker die bisherigen Restriktionen als uneinheitlich und die Kommunikation aus der Downing Street als verwirrend an. Der Bürgermeister von Manchester, Andy Burnham, warf der Regierung vor, den Norden Englands „mit Geringschätzung“zu behandeln, da lokale Entscheidungsträger nicht in die Pläne eines möglichen neuen Lockdowns in bestimmten Gegenden einbezogen würden.