Nur mit digitalem Ticket aufs stille Örtchen
Saar-Informatiker entwickelt eine App, die den Toilettenbesuch der Schüler in Corona-Zeiten koordiniert.
Er ist zwar kein Lehrer, doch in diesem Moment könnte man es meinen. Nein, mit der Schule hat dieser Mann nicht mehr viel zu tun. Dennoch sitzt er nun hier in Raum B 27 an der Gemeinschaftsschule am Römerkastell in Dillingen und hält eine Art Referat. Eineinhalb Stunden, eine Doppelstunde lang, die dann doch ziemlich schnell vorbei ist. Sogar eine ordentliche, gut strukturierte Power-Point-Präsentation hat dieser Herr, Brille, Hemd, graue Haare, vorbereitet. Siegfried Theobald.
Inhalt der Präsentation ist seine entwickelte App, die seit dem Schulstart nach den Sommerferien die Toilettenbesuche an der Dillinger Gemeinschaftsschule aufgrund der Corona-Pandemie koordiniert. Es geht hier also um ein Thema, das kompliziert und einfach zugleich ist. Kompliziert, weil er über eine App spricht, die er selbst entwickelt hat, und dafür nun einmal gute Programmier-Kenntnisse unabdingbar sind. Einfach, weil das, was er da entwickelt hat, dann doch sehr gut nachvollziehbar ist.
Auf die Frage hin, wie die Applikation funktioniere, antwortet Theobald in souveräner Manier – ganz wie ein Lehrer eben: „Möchte ein Schüler auf die Toilette, schaut der Lehrer auf der App nach, ob er auch gehen kann.“Pro Toilettenraum können maximal zwei Schüler auf die Toilette. „Ist ‚der stille Ort’ frei, erscheint der Button grün – und der Lehrer kann für den Schüler ein Ticket ziehen. Ist die Toilette nicht frei, ist der Button orange“, erklärt Theobald weiter. In diesem Fall muss der Schüler also warten. Sollte der Schüler dringend auf die Toilette, kann nach einer Alternative geschaut werden: in einer anderen Etage etwa. „Sobald der Schüler von der Toilette zurückkommt, muss der Lehrer das Ticket stornieren, um den Platz wieder freizumachen“, sagt Theobald.
Die Idee für die Applikation sei dem passionierten Tüftler, geboren und beheimatet im Saarland, Ende April gekommen. Damals habe er „irgendwo im Öffentlich-Rechtlichen einen Fernsehbericht“gesehen, in dem sich die Lehrkräfte an der dortigen Schule mehrere Fragen gestellt hätten, erinnert er sich. Etwa, was getan werden müsse, damit vom Toilettenbesuch keine Gefahr ausgehe. Oder, wie viele Leute eigentlich gleichzeitig auf die Toiletten gehen könnten.
Fragen über Fragen – die Theobald mit der App beantwortete. „Für mich gab das den Anlass zu sagen: Na hoppla, wenn es da solche Probleme gibt, wie kann man mit einer IT-Lösung dem Problem entgegenkommen?“Der studierte Wirtschaftsinformatiker machte sich an die Arbeit – und baute binnen zwei Wochen aus einer Idee eine App.
Vor Ort ist heute auch der Direktor der Schule, Michael Faust, dem der Enthusiasmus anzumerken ist. „Wir haben in den Sommerferien über die Aufsicht an den Toiletten diskutiert“, blickt er zurück. Und dann, ganz plötzlich, „wird mir diese App vorgestellt“. Sofort sei ihm klar gewesen, dass „wir das brauchen“. Faust bezeichnet die Erfindung als „Glücksfall“, da „wir dadurch keine Toiletten-Aufsicht einsetzen müssen“. Ebenso konnten durch die Applikation Staus vermieden werden. Eine
Situation, in der womöglich, ja wahrscheinlich der Mindestabstand von 1, 50 Meter nicht hätte eingehalten werden können, glaubt Faust. Diese Gefahr bestehe durch die Applikation nicht mehr. Bis heute, sagt Faust und lacht, sei er „wie die Schüler sehr begeistert und neugierig“. Auch deshalb, weil die App nicht nur in der Krisenzeit helfen werde, sondern auch in Zukunft. „Die App ist nunmal nicht nur auf das Toilettenmanagement zu reduzieren“, sagt Faust. Im Gegenteil. So könnten auch Klassenräume und Geräte gebucht werden. Etwa Tablets.
Ja, der Schulbetrieb hier wirkt wie eine Art Antithese zu der immer wieder lancierten Kritik, deutsche Schulen seien zu wenig digitalisiert. Das mag zwar oftmals stimmen, doch es gibt eben auch Gegenbeispiele. Und so ist für Faust klar, dass „wir die App auch nach Corona auf alle Fälle weiter benutzen werden“. Denn sie gebe dem „insgesamt statischen Schulwesen“neue Möglichkeiten.
Ein Beispiel, das sich über die App leichter umsetzen lasse, sei etwa der so genannte Dalton-Unterricht. Dort könnten die Lehrer ihre Fächer, ähnlich wie an der Uni, über die App anbieten. „Hat der Schüler in einem Fach, etwa Mathematik, etwas nicht verstanden, kann er sich über die App für das Fach registrieren.“Dieses Konzept sei auch für Projektwochen „sehr gut umzusetzen“, fügt der Direktor an.
Und Theobald? Er würde seine App „gerne auch an anderen Schulen vorstellen“, sagt er nach der kurzweiligen Doppelstunde.