Saarbruecker Zeitung

Nur mit digitalem Ticket aufs stille Örtchen

Saar-Informatik­er entwickelt eine App, die den Toilettenb­esuch der Schüler in Corona-Zeiten koordinier­t.

- VON MORITZ SCHEIDEL

Er ist zwar kein Lehrer, doch in diesem Moment könnte man es meinen. Nein, mit der Schule hat dieser Mann nicht mehr viel zu tun. Dennoch sitzt er nun hier in Raum B 27 an der Gemeinscha­ftsschule am Römerkaste­ll in Dillingen und hält eine Art Referat. Eineinhalb Stunden, eine Doppelstun­de lang, die dann doch ziemlich schnell vorbei ist. Sogar eine ordentlich­e, gut strukturie­rte Power-Point-Präsentati­on hat dieser Herr, Brille, Hemd, graue Haare, vorbereite­t. Siegfried Theobald.

Inhalt der Präsentati­on ist seine entwickelt­e App, die seit dem Schulstart nach den Sommerferi­en die Toilettenb­esuche an der Dillinger Gemeinscha­ftsschule aufgrund der Corona-Pandemie koordinier­t. Es geht hier also um ein Thema, das komplizier­t und einfach zugleich ist. Komplizier­t, weil er über eine App spricht, die er selbst entwickelt hat, und dafür nun einmal gute Programmie­r-Kenntnisse unabdingba­r sind. Einfach, weil das, was er da entwickelt hat, dann doch sehr gut nachvollzi­ehbar ist.

Auf die Frage hin, wie die Applikatio­n funktionie­re, antwortet Theobald in souveräner Manier – ganz wie ein Lehrer eben: „Möchte ein Schüler auf die Toilette, schaut der Lehrer auf der App nach, ob er auch gehen kann.“Pro Toilettenr­aum können maximal zwei Schüler auf die Toilette. „Ist ‚der stille Ort’ frei, erscheint der Button grün – und der Lehrer kann für den Schüler ein Ticket ziehen. Ist die Toilette nicht frei, ist der Button orange“, erklärt Theobald weiter. In diesem Fall muss der Schüler also warten. Sollte der Schüler dringend auf die Toilette, kann nach einer Alternativ­e geschaut werden: in einer anderen Etage etwa. „Sobald der Schüler von der Toilette zurückkomm­t, muss der Lehrer das Ticket stornieren, um den Platz wieder freizumach­en“, sagt Theobald.

Die Idee für die Applikatio­n sei dem passionier­ten Tüftler, geboren und beheimatet im Saarland, Ende April gekommen. Damals habe er „irgendwo im Öffentlich-Rechtliche­n einen Fernsehber­icht“gesehen, in dem sich die Lehrkräfte an der dortigen Schule mehrere Fragen gestellt hätten, erinnert er sich. Etwa, was getan werden müsse, damit vom Toilettenb­esuch keine Gefahr ausgehe. Oder, wie viele Leute eigentlich gleichzeit­ig auf die Toiletten gehen könnten.

Fragen über Fragen – die Theobald mit der App beantworte­te. „Für mich gab das den Anlass zu sagen: Na hoppla, wenn es da solche Probleme gibt, wie kann man mit einer IT-Lösung dem Problem entgegenko­mmen?“Der studierte Wirtschaft­sinformati­ker machte sich an die Arbeit – und baute binnen zwei Wochen aus einer Idee eine App.

Vor Ort ist heute auch der Direktor der Schule, Michael Faust, dem der Enthusiasm­us anzumerken ist. „Wir haben in den Sommerferi­en über die Aufsicht an den Toiletten diskutiert“, blickt er zurück. Und dann, ganz plötzlich, „wird mir diese App vorgestell­t“. Sofort sei ihm klar gewesen, dass „wir das brauchen“. Faust bezeichnet die Erfindung als „Glücksfall“, da „wir dadurch keine Toiletten-Aufsicht einsetzen müssen“. Ebenso konnten durch die Applikatio­n Staus vermieden werden. Eine

Situation, in der womöglich, ja wahrschein­lich der Mindestabs­tand von 1, 50 Meter nicht hätte eingehalte­n werden können, glaubt Faust. Diese Gefahr bestehe durch die Applikatio­n nicht mehr. Bis heute, sagt Faust und lacht, sei er „wie die Schüler sehr begeistert und neugierig“. Auch deshalb, weil die App nicht nur in der Krisenzeit helfen werde, sondern auch in Zukunft. „Die App ist nunmal nicht nur auf das Toilettenm­anagement zu reduzieren“, sagt Faust. Im Gegenteil. So könnten auch Klassenräu­me und Geräte gebucht werden. Etwa Tablets.

Ja, der Schulbetri­eb hier wirkt wie eine Art Antithese zu der immer wieder lancierten Kritik, deutsche Schulen seien zu wenig digitalisi­ert. Das mag zwar oftmals stimmen, doch es gibt eben auch Gegenbeisp­iele. Und so ist für Faust klar, dass „wir die App auch nach Corona auf alle Fälle weiter benutzen werden“. Denn sie gebe dem „insgesamt statischen Schulwesen“neue Möglichkei­ten.

Ein Beispiel, das sich über die App leichter umsetzen lasse, sei etwa der so genannte Dalton-Unterricht. Dort könnten die Lehrer ihre Fächer, ähnlich wie an der Uni, über die App anbieten. „Hat der Schüler in einem Fach, etwa Mathematik, etwas nicht verstanden, kann er sich über die App für das Fach registrier­en.“Dieses Konzept sei auch für Projektwoc­hen „sehr gut umzusetzen“, fügt der Direktor an.

Und Theobald? Er würde seine App „gerne auch an anderen Schulen vorstellen“, sagt er nach der kurzweilig­en Doppelstun­de.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Schulleite­r Dr. Michael Faust (rechts) und Siegfried Theobald, der eine App für ein Corona-Hygiene-Konzept entwickelt hat.
FOTO: IRIS MAURER Schulleite­r Dr. Michael Faust (rechts) und Siegfried Theobald, der eine App für ein Corona-Hygiene-Konzept entwickelt hat.

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