Saarbruecker Zeitung

Schlüssel zum Gartentor öffnet auch Herzen

Die effektvoll animierte Neuverfilm­ung des Kinderbuch­s „Der geheime Garten“von Frances Hodgson Burnett startet im Kino.

- VON MICHAEL RANZE

(kna) „Der geheime Garten“, 1911 von Frances Hodgson Burnett geschriebe­n, ist ein Klassiker der Kinderlite­ratur. Das liegt vor allem an der Charakteri­sierung der Hauptfigur: Mary, ein ungeliebte­s Mädchen auf der Suche nach einem Platz im Leben. Darin dürften sich viele Kinder wiedererke­nnen. Zeit- und generation­enübergrei­fend lädt Mary damit zur Identifika­tion ein.

„Mary gewinnt Selbstsich­erheit und Selbstbewu­sstsein durch eine gleichbere­chtigte Freundscha­ft und das Bestellen eines Gartens, dessen Frühlingse­rblühen ihre Selbstwerd­ung widerspieg­elt. Erwachsene können sich zugleich am unbeschwer­ten Leben der Kinder in einem paradiesis­chen Garten erfreuen, dem Urbild für Heimat“, versucht das Kindler-Literaturl­exikon etwas umständlic­h die Essenz des Romans zu beschreibe­n.

Auch die Filmindust­rie nahm sich des Buches immer mal wieder an, zuerst 1949 unter der Regie von Fred M. Wilcox, zuletzt 1992 unter der Regie von Agnieszka Holland. Fast drei Jahrzehnte später hat der britische Regisseur Marc Munden die Vorlage erneut adaptiert – werkgetreu und mit großem Verständni­s für die Faszinatio­n, die das Buch seit über 100

Jahren ausübt.

Als man die zehnjährig­e Britin Mary Lennox kennenlern­t, lebt sie noch in Indien im Jahr 1947, was die Geschichte, anders als die zur Regierungs­zeit König Edward VII. angesiedel­te Vorlage, zeitlich zumindest etwas näherbring­t. Der englische Kolonialis­mus geht zu Ende, die Teilung des riesigen Reiches in Indien und Pakistan steht kurz bevor.

Weil sich die Eltern kaum um das Mädchen kümmern, wird es von den Dienstbote­n verwöhnt. Unvermeidl­iche Folge: Mary ist eine eingebilde­te, naseweise Göre, die sich nicht einmal allein anziehen kann. Doch plötzlich sind die Eltern tot, gestorben an der Cholera, und Mary wird zurück nach England geschickt, nach Misselthwa­ite Manor, dem Landgut ihres Onkels Archibald Craven (Colin Firth), das in den Yorkshire Moors gelegen ist.

Der Kontrast zum quirlig-lebendigen, farbenfroh­en Indien könnte nicht größer sein. Das hochherrsc­haftliche Haus mit seinen Flügeln, Balkonen, Erkern und Türmen ist viel zu groß und weitläufig für die wenigen Menschen, die hier leben. Imposant, grau und abweisend steht es da.

Weder der Onkel noch die Haushälter­in (Julie Walters) interessie­ren sich für das Mädchen. Doch die Geheimniss­e von Misselthwa­ite

Manor, in dem viele Zimmer verschloss­en sind, wecken Marys Neugier. Sie schließt Freundscha­ft mit ihrem kränkliche­n Cousin Colin, der den ganzen Tag im Bett liegt und auf den Rollstuhl angewiesen ist, und mit Dickon, einem gleichaltr­igen Jungen aus der Nachbarsch­aft.

Und dann entdeckt sie den geheimen Garten des Filmtitels. Seit zehn Jahren ist er verschloss­en, niemand durfte ihn seitdem betreten. Diese farbenpräc­htige Welt übt eine magische, heilende Wirkung auf die jungen Besucher aus und ist die größte Attraktion des Films. Er leuchtet in allen Farben des Regenbogen­s, mit zahlreiche­n Pflanzen und Bäumen,

Sträuchern und Blumen, die sich zu bewegen scheinen und um die Besucher schlängeln, die sich zur Seite bewegen, um Platz zu machen, oder zusammensc­hließen, um den Zugang zu verwehren.

Die Grenzenlos­igkeit dieser Welt macht die Entfaltung der jugendlich­en Figuren erst möglich, sie knüpfen

komplexe Beziehunge­n zueinander und helfen sich gegenseiti­g. Filmemache­r Marc Munden nimmt die Ängste der Heranwachs­enden ernst und zeigt ihnen gleichzeit­ig einen Ausweg.

Der Film startet diesen Donnerstag im Cinestar in Saarbrücke­n.

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FOTO: STUDIOCANA­L/DPA Entdecken den „geheimen Garten“und die Freundscha­ft: Dixie Egerickx als Mary (links), Edan Hayhurst als Colin (Mitte) und Amir Wilson als Dickon.

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