Saarbruecker Zeitung

Schlammsch­lacht zwischen Baufirma und Stadt

Die Vorwürfe von Peter Gross Bau wegen unbezahlte­r Rechnungen kontert Ludwigspar­k-Bauleiter Welker mit harschen Worten.

- VON MARK WEISHAUPT UND PATRIC CORDIER

„Unter Bauarbeite­rn und Fußballern“sei der Umgang oft rau – so urteilte das Arbeitsger­icht Saarbrücke­n 2014, als man die „Verfehlung­en“von Stefan Reisinger, dem früheren Stürmer des 1. FC Saarbrücke­n, einschätze­n sollte. Der hatte seinen Trainer Fuat Kilic auf der Toilette fotografie­rt.

Das wirkt wie ein Kindergebu­rtstag gegenüber den Vorwürfen, die sich aktuell gegen die Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n und ihren GIU-Chef Martin Welker in Zusammenha­ng mit der Dauerbaust­elle Ludwigspar­kstadion erheben. Gestern tauchten innerhalb weniger Minuten gleich zwei Pressemitt­eilungen von Unternehme­n auf, die das Gebaren der „Bauherrin“(Landeshaup­tstadt) und ihres „Erfüllungs­gehilfen“(Welker) in ein schlechtes Licht rücken. „Wir haben bei dieser Baustelle aktuell einen offenen Saldo in Höhe von über 850 000 Euro. Bis heute fand keine Rechnungsp­rüfung seitens der Stadt statt. Dies ist nach fünf bis zehn Monaten unüblich und rechtswidr­ig“, teilte die Firma Peter Gross Bau mit.

Das St. Ingberter Unternehme­n ist am Projekt Ludwigspar­k mit der Ausführung von Rohbau-Arbeiten betraut. Konkret geht es derzeit um zwei offene Rechnungen vom 28. Februar und vom 26. Mai dieses Jahres, die Gross für Kanalarbei­ten im Bereich der West- und Osttribüne gestellt hat. Die Abnahmen der ausgeführt­en Arbeiten hätten bereits 2019 stattgefun­den – also vor Welkers Amtsantrit­t. Der war von Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) erst Anfang Juli auf das Projekt Ludwigspar­k-Umbau angesetzt worden – vor allem, um das Projekt so schnell wie möglich voranzutre­iben und dem Fußball-Drittligis­ten 1. FC Saarbrücke­n eine baldige Rückkehr in die Spielstätt­e zu ermögliche­n.

Es sei nicht das erste Mal, dass die Stadt Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht nachkommt. „So wurden ausnahmslo­s alle Rechnungen (über 19 Stück) erheblich zu spät und nur nach mehrfachen Aufforderu­ngen bezahlt“, heißt es in dem von Geschäftsf­ührer Phillip Gross unterzeich­neten Schreiben.

Im Zusammenha­ng mit den nicht bezahlten Rechnungen geht Gross auch mit Welker hart ins Gericht. Bereits Ende April habe ein weiterer Mitarbeite­r der Firma proaktiv telefonisc­hen Kontakt zu Welker aufgenomme­n, um eventuelle Fragen zu den nicht bezahlten Schlussrec­hnungen zu beantworte­n. In diesem Gespräch habe Welker einen „Krieg der Stadt Saarbrücke­n gegen Peter Gross Bau“angekündig­t und wortwörtli­ch gesagt: „Ich setze mich mit keinem Vertreter der Firma Gross gemeinsam an einen Tisch. Hier werde ich euch eine saftige Rechnung aufstellen. Ihr werdet alles doppelt und dreifach zurückbeko­mmen.“

Welker wies am Dienstag alle Vorwürfe zurück. „So einen Schwachsin­n würde ich nie sagen“, sagte der Rechtsanwa­lt und Bauexperte, „Rechnungen bekommt die Stadt, sie werden von Fachingene­uren geprüft und von der Kämmerei bezahlt. Da habe ich nichts mit zu tun.“

Nachdem die Saarbrücke­r Gartenbauf­irma Kempf bereits in der vergangene­n Woche den Umgang auf der Baustelle und die Zahlungsmo­ral der Stadt bemängelte und dagegen gerichtlic­h vorgeht (wir berichtete­n), hat deren Rechtsanwa­lt Hans-Georg Warken neben dem Zahlungsve­rfahren nun auch ein „gerichtlic­hes Beweisverf­ahren“einleiten lassen, bei dem festgestel­lt werden soll, dass „die Verantwort­lichen der Stadt Saarbrücke­n erkennbar von ihren eigenen Fehlleistu­ngen im Zusammenha­ng mit der Errichtung des Rasenplatz­es Ludwigspar­k Stadions ablenken wollen.“Auf drei Seiten erklärt der Anwalt, was und warum bei der Anlage der Spielfläch­e schiefgega­ngen sei, vom Aufbau des Rasenunter­grunds bis hin zur mangelhaft­en Belüftung des fertigen Rasens. Die Schuld trage letztlich die Bauleitung – also Martin Welker. Vor dem ersten Heimspiel des 1. FC Saarbrücke­n hatten sich Trainer Lukas Kwasniok und Spieler darüber beklagt, dass sich auf einem Teil der Rasenfläch­e große Pfützen Wasser befanden.

Mittlerwei­le soll Baustellen­chef Welker Mitarbeite­rn der Firma Gross „Baustellen­verbot“erteilt haben. „Darüber haben wir bis heute keine offizielle Kenntnis, auch sind uns mögliche Gründe dafür nicht bekannt. Damit ist es uns nicht möglich, geplante Nacharbeit­en und übliche Mängelbese­itigungsar­beiten auszuführe­n“, schreibt die Firma Gross. „Die beiden Mitarbeite­r habe ich der Baustelle verwiesen, weil sie mir eine Wasserwaag­e über den Schädel ziehen wollten und gedroht haben, mir das Genick zu brechen“, sagte Welker dazu.

Gross wirft Welker auch vor, die Baustelle nach „Gutsherren­art“zu leiten. „Der Umgang auf der Baustelle unterschri­tt auch sonst jegliches Maß an ordentlich­er und sinnvoller Zusammenar­beit. So wurden jüngst im Auftrag der Bauherrsch­aft Teile unseres Baumateria­ls ohne Rücksprach­e mit uns per Rundmail an Nachuntern­ehmer verschenkt, obwohl wir uns gerade mitten in der Abstimmung der Baustellen­räumung befanden. Wie man die Aufforderu­ng, fremdes Eigentum zu entwenden, bezeichnet, kann Herr Welker als Jurist bestimmt selbst benennen“, schreibt Gross und legt nach: „Knechtscha­ft durch einen Bauherrn und die Erwartung blinden Gehorsams waren vielleicht vor über 100 Jahren üblich, wurden aber in der Zwischenze­it durch Partnersch­aft auf Augenhöhe ersetzt.“

Der Umgang ist rau geworden. Das zeigt auch die Stellungna­hme der Stadt Saarbrücke­n, die verlauten ließ: „Die Vorwürfe der Firma Gross weisen wir in Gänze zurück. Die Klage ist für uns umgekehrt Anlass, nun unsere Ansprüche gegen die Firma Gross geltend zu machen. Im Übrigen arbeitet Herr Welker nicht nur an der Beschleuni­gung der Baustelle, sondern auch derzeit daran, die Auszahlung von Rechnungen zu erbrachten Leistungen zu beschleuni­gen, allerdings nur von gerechtfer­tigten.“Die Auseinande­rsetzung hat also gerade erst begonnen.

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FOTO: SCHLICHTER Das Saarbrücke­r Ludwigspar­k-Stadion bei Nacht und eingeschal­tetem Flutlicht. Ein Spiel hat der FCS dort bereits ausgetrage­n, das zweite soll am Sonntag gegen Unterhachi­ng folgen.
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FOTO: SCHLICHTER Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt hatte nach seiner Wahl die Fertigstel­lung des Ludwigspar­kstadions zur Chefsache erklärt.
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FOTO: SCHLICHTER Martin Welker zeigt ein Stück des neuen Rasens. Die Spielfläch­e sorgte wegen ihres schlechten Zustandes im ersten FCS-Spiel für Diskussion­en.

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