Saarbruecker Zeitung

Ein „Hinterzimm­er-Deal“erregt die Gemüter

Das Projekt „Big Picture“schlägt tiefgreife­nde Reformen in der englischen Premier League vor. Die gefallen aber längst nicht jedem.

- VON FLORIAN KREBL

(sid) Als sich Boris Johnson einschalte­te, war jedem klar, welchen Sprengstof­f die neuen Pläne der englischen Fußball-Elite bergen. Einen „Hinterzimm­er-Deal“sah der britische Premiermin­ister im Reform-Projekt „Big Picture“(das große Ganze), das der FC Liverpool und Manchester United offenbar federführe­nd ausgeknobe­lt haben. Würde es in die Tat umgesetzt, läge alle Macht bei den großen Clubs. Daher steht Johnson mit seiner Skepsis nicht alleine da.

Über einen Sprecher ließ der Regierungs-Chef ausrichten, dass ihm die Pläne missfallen, es sei jene Art von Deals, „die das Vertrauen in die Führung des Fußballs untergrabe­n“. Dabei klingt es zunächst vielverspr­echend. Ja, die Premier League würde von 20 auf 18 Vereine verkleiner­t und der Supercup sowie der Ligapokal abgeschaff­t, aber dafür blühte den unterklass­igen Clubs ein regelrecht­er Geldsegen.

Das Papier sieht eine Corona-Soforthilf­e für die in der EFL zusammenge­schlossene­n Ligen zwei bis vier von umgerechne­t über 275 Millionen Euro sowie eine künftige Beteiligun­g an den TV-Einnahmen der Premier League von 25 Prozent vor. Dazu steht laut Telegraph ein 56-Millionen-Euro-Paket zur Förderung der Frauen-Wettbewerb­e im Raum. „Dies würde zu langfristi­ger Planungssi­cherheit für unsere Clubs führen“, sagte EFL-Chef Rick Parry: „Es würde den Abstand zwischen der Championsh­ip (die englische 2. Liga, Anmerkung der Red.) und der Premier League verkleiner­n.“Wo ist also das Problem, wenn sich die großen Vereine in Krisenzeit­en

um die kleinen kümmern?

Bei einer Verwirklic­hung des Projekts besäßen wenige Vereine aus der höchsten Spielklass­e die überwiegen­de Entscheidu­ngsgewalt. Die sogenannte­n „Big Six“(FC Liverpool, Manchester City, Manchester United, FC Chelsea, FC Arsenal und Tottenham Hotspur) sowie die drei am längsten in der Liga vertretene­n Vereine könnten dann über grundlegen­de Dinge wie beispielsw­eise die Geldvertei­lung entscheide­n. Sechs Stimmen reichen in dem Fall für eine Mehrheit.

Die Erfolgsaus­sichten der Pläne sind wohl eher mau, denn in Englands Medien weht starker Gegenwind. Der frühere Nationalma­nnschafts-Teammanage­r Sam Allardyce bezeichnet­e es als „extrem gefährlich“, nur neun Vereine über die Geschicke aller Clubs befinden zu lassen. Auch Arsène Wenger, der ehemalige Coach des FC Arsenal, glaube, die Pläne werden „Widerstand und einen negativen Gesprächsa­nsatz“hervorbrin­gen. Handlungsb­edarf beim derzeitige­n System sieht der Franzose trotzdem.

„Wenn nichts passiert, werden die kleineren Clubs sterben“, sagte der 70-Jährige, der aber nicht viel von einmaligen Zahlungen in Millionenh­öhe hält. Seiner Meinung nach seien „Verband, Regierung und Premier League“in der Pflicht, „einen Kompromiss zu finden, der die Probleme löst, die es schon vor Corona gab“. Laut Aussage des Premiermin­isters sei die Situation aber nicht so dramatisch wie beschriebe­n.

„Für die Unterstütz­ung der EFL haben wir Zusicherun­gen von der

Premier League und der EFL selbst, dass sie die EFL-Vereine nicht durch Corona kaputt gehen lassen wollen, und wir wissen, dass sie auch im existieren­den System über die notwendige­n Mittel dazu verfügen“, ließ Johnson ausrichten. Ist das Argument der finanziell­en Notlage also nicht mehr als ein Feigenblat­t der Big-Picture-Initiatore­n, um die eigenen Interessen zu verbergen?

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FOTO: POWELL/AP Liverpools Andrew Robertson steht in der Premier-League-Partie gegen Aston Villa beim Einwurf.

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